Rund ein Dutzend ehemalige Mieterinnen und Mieter der insolventen Wohnungsgesellschaft "Die Eigentum" können aufatmen: Sie warten zum Teil schon zwei Jahre auf ihren einbezahlten Finanzierungsbeitrag in meist fünfstelliger Höhe. Nach der Insolvenz der Gesellschaft im März 2021 hatte der Masseverwalter die Rückzahlung nämlich zunächst verweigert – denn es sei nicht ausjudiziert, ob es sich bei diesen Forderungen um eine Insolvenz- oder eine Masseforderung handelt. Im ersten Fall würden die Mieterinnen und Mieter bloß mit der Insolvenzquote "abgespeist", im zweiten Fall würden sie ihr gesamtes Geld zurückbekommen.

Der Finanzierungsbeitrag ist eine Masseforderung, wenn die Auflösung des Mietvertrags nach Insolvenzeröffnung des Vermieters erfolgt, entschied der OGH.
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Eine der Mietparteien hatte sich an die Arbeiterkammer (AK) gewandt, die ein Musterverfahren führte – und nun vom Obersten Gerichtshof (OGH) recht bekam: Die Forderung sei eine Masseforderung; die Gesellschaft schuldet Familie S. daher den gesamten noch ausstehenden Finanzierungsbeitrag in Höhe von rund 14.000 Euro. Mindestens zehn weitere Mietparteien, die auf ihr Geld warten, dürfen sich nun auf die Rückzahlung freuen, heißt es von der AK – außerdem über Verzugszinsen in Höhe von vier Prozent seit 1. Juli 2021.

AK klagte für Familie S.

Die Arbeiterkammer hatte das Urteil für Familie S. erstritten. Diese hatte 2015 eine Genossenschaftswohnung in der Gurkgasse in Wien-Penzing bezogen. An den Bauträger, der damals noch "Die Eigentum Gemeinnützige Wohnungs- und Siedlungsgesmbh" hieß, wurde ein Finanzierungsbeitrag von knapp 15.100 Euro gezahlt.

Die gemeinnützige Gesellschaft war zu diesem Zeitpunkt wegen diverser Ungereimtheiten und – laut einem Aufsichtsbericht – widerrechtlichen Verhaltens schon im Visier der Aufsicht; zunächst jener des Landes Wien, wo "Die Eigentum" bis 2014 ihren Sitz hatte. Dann wurde der Sitz nach Vösendorf verlegt, wodurch die Aufsicht zum Land Niederösterreich wechselte. 2016 wurde ihr vom Land Niederösterreich dann die Gemeinnützigkeit aberkannt.

Insolvenz im März 2021

Im März 2021 überschlugen sich die Ereignisse: "Die Eigentum" meldete Insolvenz an. Wenige Tage danach kündigte Familie S. ihren Mietvertrag. Der Finanzierungsbeitrag war nach der vorgesehenen Abwertung von einem Prozent pro Jahr (gemäß Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz, WGG) zu diesem Zeitpunkt noch rund 14.000 Euro "wert".

Die Familie begehrte die Rückzahlung, doch Masseverwalter Michael Lentsch verweigerte diese. Denn es sei nicht zweifelsfrei geklärt, ob es sich bei dem offenen Betrag nun um eine "Masseforderung" handelt, die vollständig aus dem noch vorhandenen Vermögen der Gesellschaft beglichen werden muss, oder um eine "Konkursforderung", die bloß entsprechend der im Konkursverfahren erzielten Quote erfüllt wird. Nach Ansicht des Masseverwalters handelte es sich um Zweiteres. Die Arbeiterkammer führte in der Folge das Musterverfahren. 

WGG-Novelle 2016 war entscheidend

Entscheidend in dieser Causa war die Klärung der Frage, wann genau die Forderung auf Rückzahlung des Finanzierungsbeitrags entstanden ist: erst mit der Auflösung des Bestandsvertrags oder, verkürzt gesagt, schon bei dessen Abschluss. Und dafür war wiederum sehr relevant, dass während des laufenden Mietvertrags der klagenden Mietpartei das Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz (WGG) geändert wurde. Denn davor – also zum Zeitpunkt des Abschlusses des Mietvertrags – hieß es im Paragraf 17 Abs 1 des WGG: "Im Falle der Auflösung eines Miet- oder sonstigen Nutzungsvertrags hat der ausscheidende Mieter (...) einen Anspruch auf Rückzahlung." Seit der Novelle heißt es nun klarer: "Bei Auflösung eines Miet- oder sonstigen Nutzungsvertrages entsteht dem ausscheidenden Mieter (…) ein Anspruch auf Rückzahlung." In der Begründung der Gesetzesänderung wurde ausgeführt, dass sie eben genau dafür gemacht wurde, um zu verhindern, dass Mieterinnen und Mieter im Konkursfall ihrer Finanzierungsbeiträge großteils verlustig gehen.

Masseverwalter Lentsch hatte sich aber in der ersten Instanz darauf berufen, dass im WGG auch nach der Novellierung kein Wort von einer "Masseforderung" zu finden sei. Und zweitens verwies er auf den Paragraf 46 der Insolvenzordnung (IO), in der sämtliche Masseforderungen taxativ aufgezählt seien. Den im WGG geregelten Rückforderungsanspruch hätte der Gesetzgeber deshalb in die IO "aufnehmen können und müssen", argumentierte der Masseverwalter. Dieser habe das aber nicht getan.

Das Erstgericht entschied im Sinne des Masseverwalters: Es handle sich um eine Insolvenzforderung. Denn den Materialien zur WGG-Novelle 2016 sei zwar durchaus zu entnehmen, dass der Gesetzgeber eine Besserstellung ausscheidender Mieter beabsichtigt habe, dieser Wille spiegle sich jedoch im Wortlaut der geänderten Bestimmung des § 17 Abs 1 WGG nicht wider.

"Anspruch entsteht mit Auflösung des Bestandvertrags"

Das Oberlandesgericht Wien als Berufungsgericht revidierte aber das Urteil: Die Neufassung des WGG mache den Anspruch auf Rückzahlung des Finanzierungsbeitrags zu einer Masseforderung, das sei der erklärte Wille des Gesetzgebers. Zur Insolvenzordnung stellte das OLG Wien einerseits fest, dass diese einen sogenannten "Auffangposten" namens "die übrigen Masseforderungen" beinhalte, weshalb es unproblematisch sei, dass die Rückforderung von Finanzierungsbeiträgen nicht expressis verbis in der Insolvenzordnung aufgezählt sei. Andererseits sei die WGG-Novelle 2016 im Vergleich zu Paragraf 46 der IO auch "das jüngere Gesetz".

Das Berufungsgericht gab also der Klage der Arbeiterkammer und somit den Mieterinnen und Mietern recht. Die ordentliche Revision war aber zuzulassen – und wurde nun vom Obersten Gerichtshof letztinstanzlich geklärt. Der maßgebliche Spruch des OGH lautet: "Seit der WGG-Novelle 2016 entsteht der Anspruch auf Rückzahlung des Finanzierungsbeitrags nach § 17 Abs 1 WGG erst mit der Auflösung des Bestandvertrags. Erfolgt die Auflösung des Vertrags nach Insolvenzeröffnung, ist der Anspruch daher als Masseforderung anzusehen."

AK-Experte: "Beachtenswertes Urteil"

Für den AK-Wohnrechtsexperten Walter Rosifka ist es "ein beachtenswertes Urteil", denn es stelle "die Rechtslage zugunsten aller betroffenen Mieterinnen und Mieter dieser in Konkurs gegangenen Gesellschaft klar" und habe außerdem positive Auswirkungen für Mieterinnen und Mieter in zukünftigen ähnlichen Fällen. (Martin Putschögl, 20.6.2023)