New York im Rauch
Dichter Rauch verhüllt New York: Die Ursache der Trübung liegt in Kanada, wo heftige Waldbrände wüten.
APA/AFP/Angela Weiss

Rauch von in Kanada wütenden Waldbränden hüllt New York in einen Nebel, der Nordatlantik heizt sich so schnell und stark auf, dass Forschende Alarm schlagen, und in Italien haben Trockenheit und darauffolgender Starkregen dramatische Überflutungen gebracht. Die Ereignisse der vergangenen Wochen zeigen, dass es um die Gesundheit des Planeten nicht zum Besten steht.

Indem wir die Regelsysteme der Erde beeinflussen, setzen wir neben unserer Gesundheit auch die Lebensgrundlage kommender Generationen aufs Spiel. Die drängenden Fragen lauten daher: Wie kommen wir vom Wissen ins Handeln? Welche Handlungsansätze sind jetzt gefragt und welche Handlungsoptionen müssen neu gedacht werden, um unsere Zukunft zu sichern?

Die Grenzen der Erde

Bei der abschließenden Podiumsdiskussion zur aktuellen Semesterfrage "Planet & Mensch: Sind wir noch zu retten?" der Universität Wien widmeten sich Fachleute aus Theorie und Praxis diesen drängenden Fragen. Auf dem Podium standen dabei die Wissenschaftsforscherin Ulrike Felt, der Umweltgeowissenschafter Thilo Hofmann, die Rechtsanwältin Michaela Krömer und der Stadtklimatologe sowie Firmengründer Simon Tschannett. Moderiert wurde die Diskussion von Nana Siebert, stellvertretende Chefredakteurin des STANDARD.

Den Auftakt der Veranstaltung machte Thilo Hofmann, der in einem Impulsreferat auf eines der wohl brisantesten Zukunftsthemen einging: die Ernährung von künftig zehn Milliarden Menschen. Der Gründer des Forschungsnetzwerks Umwelt und Klima an der Uni Wien ging dabei auch auf die Frage ein, wie die Versorgung der Weltbevölkerung mit Lebensmitteln unter Berücksichtigung von Gesundheit und Umwelt gelingen kann. 

Podiumsdiskussion Semesterfrage
Zum Abschluss der Semesterfrage "Planet & Mensch: Sind wir noch zu retten?" der Uni Wien debattierten unter Moderation von Nana Siebert, stellvertretende Chefredakteurin des STANDARD, Umweltgeowissenschafter Thilo Hofmann, Juristin Michaela Krömer, der Stadtklimatologe Simon Tschannett und Wissenschaftsforscherin Ulrike Felt (v.li.n.re.).
Markus Korenjak

Zehn Milliarden ernähren

Wenig überraschend brauche es einen Paradigmenwechsel. Hofmann sagt: "Die planetaren Grenzen werden von unseren globalen Nahrungsmittelsystemen derzeit konstant überschritten." 37 Prozent der Landmasse - exklusive der Arktis - werden landwirtschaftlich genutzt, 75 Prozent der globalen Abholzung gehen auf die Landwirtschaft zurück. Bis zu 29 Prozent der Treibhausgas- und 56 Prozent der Methanemissionen gehen auf ihr Konto.

Gleichzeitig steigt mit der wachsenden Weltbevölkerung die Nahrungsunsicherheit. Diese komplexe Problematik zu lösen erfordere interdisziplinäre Zusammenarbeit, sagt der Umweltgeowissenschafter. "Lösungen müssen auf exzellenter Forschung im internationalen Kontext beruhen." Generiertes Wissen müsse zudem in die Gesellschaft getragen werden, denn Transformation könne nicht nur im Elfenbeinturm stattfinden.

Vorsicht beim Tech-fix

Zur Sprache kamen gleich zu Beginn neue und künftige Technologien, die vielen als Ausweg aus dem Dilemma um den Klimawandel und seine Folgen erscheinen. "Der Effizienzgedanke allein reicht nicht", sagte dazu Ulrike Felt, Professorin für Wissenschafts- und Technikforschung. "Auch soziale Handlungsformen müssen mitverändert werden." Mehr aus der Natur zu pressen, als sie hergeben könne, sei keine Lösung. Problematisch sei auch, dass neue Techniken suggerieren können, wir müssten nichts an unserer Lebensweise ändern.

Hier mahnt Felt zur Vorsicht: Historisch betrachtet haben die meisten Innovationen, die als Lösungen galten, Probleme lediglich verschoben. Als Beispiel nennt sie Düngemittel, die neben der Steigerung der landwirtschaftlichen Produktivität auch das Problem der Eutrophierung brachten. "Wir müssen mögliche Folgen mitdenken, die mit angedachten Lösungen einhergehen", sagt Felt. Aktuell geschehe diese Abschätzung zu wenig. Dieser Ansatz der Reflexion müsse auch in der Lehre stark verankert werden.

Überschwemmungen Norditalien
Luftaufnahme eines überschwemmten Gebiets in Selva Malvezzi in der Nähe von Bologna.Die verheerenden Überschwemmungen der vergangenen Woche trafen die norditalienische Region Emilia-Romagnaschwer.
EPA/Emanuele Valeri

Minderheit schadet der Mehrheit

Darin, dass in Sachen Klima wenig Bewegung herrscht, sieht die Juristin Michaela Krömer nicht nur ein politisches Versagen. "Aus rechtlicher Perspektive haben wir Möglichkeiten der Partizipation, etwa zu demonstrieren, doch wir sind nicht gewohnt, diese zu nutzen." Genau diese Instrumente der Demokratie müssen jedoch stärker genutzt werden. Es gäbe auch bereits gute politische Initiativen, sagt Felt, diese würden aber fast sofort mit Ausnahmen für die Wirtschaft versehen.

"Wir leben derzeit in einem System, in dem eine Minderheit der Mehrheit schadet", unterstreicht Krömer. Wäre mehr Menschen bewusst, dass die Handlungen einer kleinen Gruppe der Lebensweise aller schaden, könne man aus der Erstarrung kommen und diesen Handlungen einen gesetzlichen Riegel vorschieben.

Zugewinn statt Verzicht

Letztlich gehe es auch darum, wie wir leben und zusammenleben wollen, sagt Simon Tschannett, Experte für Klimawandelanpassung. Das gelinge nur, indem wir uns an ein sich veränderndes Umfeld anpassen. In der Klimafrage seien nicht etwa Demonstranten und Aktivistinnen jene, die zu radikal agierten. "Die Radikalsten sind für mich jene, die immer noch das Gleiche tun wollen", erläutert er.

"Unsere jetzige Lebensweise ist nicht zu retten, aber wir brauchen eine Werte- statt einer Verzichtsdiskussion", sagt Hofmann, Mitglied im neuen FWF Cluster of Excellence Microbiomes Drive Planetary Health. Viele Maßnahmen, etwa weniger Auto zu fahren oder weniger Fleisch zu essen, können als Genuss und größere Freiheit betrachtet werden. Daneben gelte es, Lösungsansätze umzusetzen und nicht ständig entschuldigend auf die Komplexität zu verweisen und nichts zu tun. (Marlene Erhart, 21.6.2023)