Pädagoginnen sind Mangelware. Und da das nicht nur an Schulen, sondern auch in Kindergärten gilt, kommt es in Vorarlberg mancherorts derzeit zu einer absurden Situation: Denn in mehreren Gemeinden wechseln Elementarpädagoginnen an Volksschulen – als Quereinsteiger, weil sie die eigentlich geforderte Ausbildung nicht absolviert haben. Der Grund: Während früher in Vorarlbergs Kindergärten fast überall Sommerferien wie an den Schulen abgehalten wurden, hat sich das aufgrund des steigenden Betreuungsbedarfs verändert.

Schließtage nehmen ab

Die Schließtage pro Jahr nehmen kontinuierlich ab. Die Zahlen für 2022 präsentiert die Statistik Austria erst Ende Juni. 2021 waren während der Sommerferien österreichweit Kindergärten durchschnittlich an 10,9 Tagen geschlossen. In Wien waren es mit 4,5 Tagen die wenigsten Schließtage, in Kärnten mit 19,2 die meisten. Das Ländle liegt bei durchschnittlich 15,5 geschlossenen Tagen über den Sommer. Eine deutliche Veränderung, denn vor zehn Jahren lag diese Zahl noch bei 37,2 Tagen.

"Für viele waren die Sommerferien natürlich ein Grund in den Job zu gehen. Es war eine Art Ausgleich zu der mageren Bezahlung", sagt eine Elementarpädagogin dem STANDARD. Eine ihrer Kolleginnen wird ab Herbst an einer Volksschule arbeiten.

Möglich waren die Sommerferien, weil die Reduktion der Jahresarbeitszeit angewendet werden kann, wenn die Einrichtung nicht ganzjährig geöffnet ist. Die Landesregierung will diese Regelung allerdings überarbeiten, "da sich die bestehende Regelung in der Praxis als nicht optimal herausgestellt hat", wie Thomas Mair von der Landespressestelle ausführt.

Opposition mit Antrag

Derzeit sind es nur Einzelfälle, die wegen der Sommerferien wechseln. Für Johannes Gasser, der bei den Neos für Kinderbetreuung zuständig ist, machen die Fälle sie aber deutlich, dass Vorarlbergs Elementarpädagogik "vor dem Kollaps" stehe: "Wenn die einzelnen Bildungsbereiche sich gegenseitig das Personal abwerben, erkennt man die Hilflosigkeit der Verantwortlichen. Diese Beispiele zeigen, dass in Vorarlberg eine umfassende Personal- und Ausbildungsplanung – von der Kleinkindbetreuung bis zu den Schulen – fehlt." Gerade hier schiebe die zuständige Landesrätin – Barbara Schöbi-Fink von der ÖVP – zu oft die Verantwortung auf die Bildungs- und Betreuungseinrichtungen, kritisiert Gasser.

Er ist nicht allein. Auch die SPÖ und die FPÖ sehen Planungs- und Führungsversagen bei Schöbi-Fink. Die Oppositionsparteien haben deswegen einen gemeinsamen Antrag eingebracht, in dem sie eine sofortige Ausbildungs- und Personaloffensive fordern.

Fehlender Überblick

Laut der Landesregierung findet eine solche aber bereits statt. Mit den Kooperationspartnern – unter anderem der Bildungsdirektion und der Bildungsanstalt für Elementarpädagogik (Bafep) – werde derzeit ein Aktionsplan erstellt. Vorarlberg biete eine "breitgefächerte Auswahl" an Ausbildungsmöglichkeiten für Schulabgänger und Quereinsteigerinnen an. Die Maßnahmen des Landes würden den Ausbau von Ausbildungsangeboten, das Prüfen neuer Ausbildungen bzw. Systempartner und eine Öffentlichkeitskampagne beinhalten, sagt Thomas Mair. So ist beispielsweise ein ab Herbst startendes neues Tageskolleg für Maturanten geplant. Allerdings: Aktuell sind laut Mair nur 14 Personen für das neue Angebot angemeldet, bei einer Person stehe die Eignungsprüfung noch aus.

Wie viele Stellen in Kinderbetreuungseinrichtungen derzeit nicht besetzt sind, darüber hat die Landesregierung keinen Überblick. Denn Arbeitgeber der Einrichtungen ist nicht das Land, sondern die Gemeinden. Ein Rundruf bei diesen zeigt, dass mancherorts Feuer am Dach ist. In anderen Orten ist man zuversichtlich, dass es bis Herbst noch besser wird.

Assistenzkräfte springen ein

In Feldkirch, wo der Betrieb bereits in der Vergangenheit wegen fehlenden Personals eingeschränkt werden musste, fehlen derzeit 30 Vollzeitäquivalente. Ein Sprecher der Stadt verweist allerdings darauf, dass sich "viele Interessentinnen, überwiegend Assistentinnen, in laufenden Bewerbungsverfahren" befänden und in Kürze Dienstverträge unterschreiben würden. "Es fehlen insbesondere in inklusiv geführten Gruppen Fachkräfte", so der Sprecher. Hier würden Assistenzkräfte vermehrt auch pädagogische Aufgaben übernehmen. "Alle Mitarbeitenden sind durch diese Situation mehr belastet. Der Betrieb läuft jedoch dank ihres Einsatzes sehr gut weiter."

Dass dafür nichtausgebildetes Personal pädagogische Aufgaben übernehmen muss, damit ist Feldkirch kein Einzelfall – unter bestimmten Voraussetzungen ist das auch rechtlich möglich. Im Kindergartengesetz ist geregelt, dass Kindergartenassistentinnen, die über eine einschlägige Berufserfahrung von zumindest zwei Jahren verfügen und jedenfalls eine Hospitier- oder Praxiszeit von vier Wochen in einem Kindergarten absolviert haben, anstelle von Pädagoginnen eingesetzt werden können, solange diese nicht zur Verfügung stehen. Ein Einsatz von mehr als drei Wochen ist dabei der Landesregierung schriftlich anzuzeigen. Aktuell liegen laut Mair hierzu 19 Anzeigen für das Betreuungsjahr 2022/23 vor. Diese Meldungen würden sich aber nicht unbedingt auf die gesamten Öffnungszeiten der Gruppe beziehen, sondern teilweise auch nur einzelne Tage oder Nachmittage beinhalten.

Kontinuierlicher Ausbau

Der enorme Einsatz der derzeit tätigen Betreuerinnen wird auch in Hohenems betont. Die Mitarbeitenden seien es, die "einen qualitätsvollen Betrieb gewährleisten" würden. Allerdings betont ein Sprecher: "Es ist definitiv zu wenig ausgebildetes Personal vorhanden." Man helfe sich auch selbst, indem man Quereinsteigerinnen ausbilde. Gesucht werde derzeit noch nach vier Pädagogen und einer Leiterin. Eine derer sei heuer aus dem Beruf ausgeschieden, weil sie mit den Rahmenbedingungen unzufrieden war.

Auch in der Landeshauptstadt Bregenz seien derzeit noch "einige Stellen offen", man befinde sich aber in laufenden Bewerbungsprozessen und könne deswegen keine genauen Zahlen nennen. Das kommende Betreuungsjahr soll jedenfalls besser beginnen als das letzte, denn da ging es mit eingeschränktem Betrieb los. Ab Mittag konnten nur noch Kinder mit berufstätigen Eltern betreut werden. Im Laufe des Jahres habe man den Betrieb wieder voll ausweiten können.

Der derzeitige Personalmangel wiegt auch vor dem Hintergrund schwer, dass Gruppen kontinuierlich ausgebaut werden sollen. Im Kalenderjahr 2022 wurden 42 neue Gruppen eröffnet. Dieses Jahr ist die Eröffnung von insgesamt 69 neuen Kleinkind- oder Kindergartengruppen und drei Kinderspielgruppen geplant. (Lara Hagen, 20.6.2023)