Der 1. Juli ist nicht mehr fern – ein Termin, dem Martin König, Geschäftsführer des Sozialen Netzwerks Altenarbeit (Sone), mit zunehmender Sorge entgegensieht. Auf Heimmitarbeiter, 24-Stunden-Pflegerinnen und pflegende Verwandte komme ab dann ein maßgeblicher Mehraufwand zu, warnt er.

Am 1. Juli nämlich endet die E-Medikationsregelung, auf deren Grundlage Betreuerinnen und Betreuer pflegebedürftiger Menschen mit wenig Aufwand an Medikamente für ihre Klienten und Klientinnen kommen. Sie ermöglicht es Ärztinnen und Ärzten, einer Apotheke im Auftrag eines Heimes oder einer betreuenden Person online ein E-Rezept zu übermitteln, auf dessen Grundlage Betreuerinnen und andere pflegende Personen das Medikament ausgehändigt bekommen.

Um in der Apotheke vom Arzt verschriebene Medikamente zu erhalten, braucht man künftig in der Regel seine E-Card.
Um in der Apotheke vom Arzt verschriebene Medikamente zu erhalten, braucht man künftig in der Regel seine E-Card.
Foto: APA/Barbara Gindl

Mühevolles E-Card-Stecken

Das endet nun. Ab Juli muss in der Apotheke die E-Card des jeweiligen Patienten ins Kartenlesegerät gesteckt werden. So sehen es die Regeln des E-Rezepts vor, die laut Gesundheitsministerium während der Corona-Pandemie lediglich "zeitlich beschränkt" durch die E-Medikation ersetzt wurden, um kontaktlose Einkäufe zu ermöglichen. 

Nun erscheint die Frage, ob eine E-Card gesteckt oder nicht gesteckt werden muss, auf den ersten Blick wenig dramatisch. In der von mangelnder digitaler Ausstattung und Personalnöten geprägten Pflegepraxis jedoch habe das massive Auswirkungen, sagt König. Im Gesundheitsministerium habe man diese Herausforderung nicht verstanden – und nun dränge die Zeit.

In der Praxis Mehraufwand

"In der Regel fährt ein Heimmitarbeiter mit einer Sammelbestellung in die Apotheke und holt die Medikamente ab. Dazu muss er oder sie ab Juli die E-Cards aller Heimbewohnerinnen und -bewohner mithaben. Jede Karte muss einzeln gesteckt werden", schildert König, der vor seiner Funktionärstätigkeit selber lange Altenbetreuer und Leiter einer Pflegeeinrichtung war. Das Prozedere werde um ein Vielfaches länger dauern als derzeit.

Auch Pflegepersonen einzelner mobilitätseingeschränkter Menschen hätten es künftig schwerer: "Sie müssen, um die Medikamente zu erhalten, die E-Card des Patienten mithaben – die Card also abholen und nachher wieder zurückbringen. Unter dem Zeitdruck in der mobilen Pflege ist das nicht zu machen."

Ministerium: Änderung schon lange bekannt

Im Gesundheitsministerium sieht man das anders. Pflegeheime und Apotheken hätten genug Zeit zur Vorbereitung gehabt. "Im Zuge der letzten Verlängerung der Sonderregelung im Dezember 2022 wurde eine Weiterführung im Nationalrat per Ausschussfeststellung klar ausgeschlossen", heißt es in einer Stellungnahme. Auch gebe es zum E-Card-Stecken Alternativen: Der Arzt könne das E-Rezept ausdrucken und es der Apotheke übermitteln, und statt der E-Card könne in der Apotheke der beim Erstellen eines E-Rezepts automatisch generierte QR-Code oder ein gleichfalls erstellter zwölfstelliger Code eingegeben werden. 

Beides sei nicht praktikabel, widerspricht Sone-Geschäftsführer König. Die überlasteten Arztpraxen würden sicher keine Rezepte ausdrucken – und die Codes müssten bei den E-Card-Besitzern selbst erfragt werden, "die meist keinen Zugriff auf einen PC oder ein Smartphone haben". König würde sich die Weiterverlängerung der E-Medikation wünschen.

Skepsis gegenüber digitalen Neuerungen 

In der Apothekenkammer wiederum bereitet man sich auf eine "etwas holprig ablaufende Umstellung auf das E-Rezept" vor. Neben den vom Gesundheitsministerium genannten E-Card-Ausweichmöglichkeiten sei auch noch die "elektronische Übermittlung des Rezeptbelegs über das Befundübermittlungsnetzwerk DaMe/Medicalnet" möglich, heißt es in einer Stellungnahme. Das Medicalnet verbindet eine Reihe von Arztpraxen mit Apotheken.

Über Vorschläge für einen geordneteren Übergang sei leider nicht ausreichend gesprochen worden, heißt es weiter: "Auch weil nicht immer alle beteiligten Akteure, Institutionen und Personen digitalen Neuerungen gegenüber sofort aufgeschlossen sind". (Irene Brickner, 21.6.2023)