Sojabohnen
Sojabohnen enthalten Proteine, Öle und diverse gesundheitsfördernde Stoffe.
AFP

Im Jahr 1873 lernte Friedrich Haberlandt bei der Weltausstellung in Wien die Sojabohne kennen. Der Professor für Pflanzenbau der ein Jahr zuvor gegründeten Universität für Bodenkultur (Boku) erkannte schon damals ihren Wert für die Landwirtschaft und die Ernährung und wurde damit zum Pionier. Mit einer Handvoll Bohnen, die er von chinesischen und japanischen Ausstellern erhalten hatte, startete er umfangreiche Anbauversuche in den Ländern der Habsburgermonarchie. Nach seinem frühen Tod 1878 infolge eines Wanderunfalls geriet die Sojabohne in Europa jedoch in Vergessenheit.

150 Jahre später ist Wien Schauplatz des ersten Soja-Weltkongresses in Europa. 800 Teilnehmerinnen und Teilnehmer und mehr als 500 wissenschaftliche Beiträge werden diese Woche erwartet. Wie essenziell die Sojabohne mittlerweile als Nutzpflanze ist, zeigen aktuelle Zahlen. So ist die globale Produktion zuletzt auf über 370 Millionen Tonnen gestiegen. Die Sojabohne ist damit nach Weizen und Mais die meistgehandelte Nutzpflanze der Welt. Und auch in Österreich wird Soja wieder angebaut. Rund 90.000 Hektar ergeben einen Ertrag von über 230.000 Tonnen jährlich, sie ist in der heimischen Landwirtschaft damit die viertwichtigste Pflanzenart.

Potenzial für Welternährung, aber...

"Forschung ist dringend erforderlich, um eine nachhaltige Sojaproduktion zu ermöglichen", sagt Johann Vollmann, Professor am Institut für Pflanzenzüchtung der Boku und Leiter des wissenschaftlichen Komitees der Konferenz. Denn die Sojabohne hat, wie schon Haberlandt wusste, großes Potenzial für die Welternährung: Die Hülsenfrucht enthält 40 Prozent Protein, so viel wie keine andere Pflanze, und 20 Prozent Öl. Sie ist eine Leguminose, fixiert also Stickstoff aus der Luft. Und sie enthält Stoffe wie Isoflavone, die das Risiko von Brust- und Prostatakrebs verringern können.

Soja könnte ein besonders wichtiger Proteinlieferant für die menschliche Ernährung sein und den hohen Fleischkonsum der Industrieländer reduzieren. Derzeit gehen jedoch 77 Prozent des weltweit angebauten Sojas in die Tierfutterproduktion. Damit einher gehen Naturzerstörung und ein hoher Pestizideinsatz. In Cerrado, den Feuchtsavannen in Brasilien, seien bereits 52 Prozent der natürlichen Ökosysteme für den Sojaanbau zerstört worden, berichtete Guillaume Tessier vom WWF Brasilien bei der Konferenz. Das Gebiet ist fast zwei Millionen Quadratkilometer groß.

Sojaanbau kann Naturräume zerstören
Der Sojaanbau ist nicht nur positiv, in Brasilien oder Argentinien werden viele Naturräume durch die riesigen Felder zerstört.
APA/AFP/LUIS ROBAYO

Die Umwandlung von Savannen und Regenwäldern in Soja-Monokulturen ist meist auch mit Menschenrechtsverletzungen verbunden. Wie Gesetze und Zertifizierungen und die geplante EU-Richtlinie zu Entwaldung und Waldschädigung den Sojaanbau ökologisch und sozial nachhaltiger machen können, ist ein wichtiges Thema der Sojakonferenz. Die Mehrzahl der Vorträge dreht sich aber um Züchtungen, Anbaumethoden und Schädlingsbekämpfung für höhere Erträge, bessere Anpassung an den Markt und generell die gesundheitliche Bedeutung.

Soja als Tierfutter nicht nachhaltig

Vollmann ist wichtig, dass Soja direkt für die menschliche Ernährung verwendet wird und nicht als Tierfutter. Denn um ein Kilogramm Fleisch zu produzieren, seien durchschnittlich zehn Kilogramm Soja nötig. Würden wir Menschen das Soja selbst essen, könnten wir also mit einem Zehntel der Menge auskommen. "Mit den Sojabohnen, die man in Österreich anbauen kann, könnten wir den Bedarf decken", sagt der Forscher.

Eine Masterarbeit an der Boku hat sich mit Sorten mit passenderem Geschmack für europäische Gaumen beschäftigt. Geforscht wird auch an neuen Sojaprodukten, denn Tofu oder Nattō schmecken hierzulande nicht allen. Tofu hat außerdem den Nachteil, dass bei der Herstellung die Schalen der Bohne entfernt werden, in denen ein Jungbrunnen steckt: Spermidin.

Vollmann forscht zu diesem Polyamin, das in Soja von allen Lebensmitteln in größter Menge vorkommt. Spermidin kann Autophagie auslösen, also die Zellerneuerung unterstützen. Es wirkt dadurch lebensverlängernd und verringert das Risiko von altersbedingten Erkrankungen wie Demenz.Mittels Massenspektrometrie haben der Sojaforscher und sein Team festgestellt, dass der Spermidingehalt im Keim der Sojabohne am höchsten ist.

Soja als Tierfutter in der Schweinemast
Soja sollte für die menschliche Ernährung verwendet werden, nicht als Tierfutter, fordern Forschende.
REUTERS/Ben Brewers

Technisch sei es möglich, den wertvollen Keim bei der Verarbeitung von der Schale zu trennen, sagte Vollmann in seinem Vortrag bei der Sojakonferenz. Ein entsprechendes Produkt aus Österreich gibt es bereits.Die Menge der wertvollen Inhaltsstoffe der Sojabohne wie Proteine, Polyamine oder Isoflavone hängt von der Sorte, der Anbauregion und dem Klima ab, wie verschiedene Forschungsarbeiten zeigen. In Europa könnten in Regionen mit passender Feuchtigkeit, Wärme und Tageslänge in vielen Ländern – von Frankreich über Österreich bis zu Serbien und der Ukraine – Sojabohnen angebaut werden.

Generell sollten wir wieder mehr Bohnen essen, meint Matthias Krön, Präsident der Organisation Donau-Soja, die hinter der Sojakonferenz in Wien steht: "Früher war der Fruchtwechsel zwischen Bohnen und Getreide üblich. Dann haben wir Bohnen durch Fleisch und Stickstoffdünger ersetzt und uns abhängig von Öl- und Gasimporten gemacht."

Nachhaltige Produktion

Denn die Herstellung von Stickstoffdünger aus der Luft benötigt sehr viel Energie, während Bohnen dies mithilfe von Knöllchenbakterien machen. Da das sojaspezifische Knöllchenbakterium Bradyrhizobium japonicum in Europa nicht vorkommt, muss das Saatgut allerdings damit beimpft werden. Gleichzeitig wird Getreide exportiert und Sojaschrot aus den USA importiert, noch dazu aufgrund eines alten Abkommens zu Ölsaaten ohne Zölle. Mehr Sojabohnen in Europa anzubauen und zu verarbeiten würde also Arbeitsplätze schaffen, die Abhängigkeit von Importen reduzieren und fossile Energie einsparen.

Das Soja für europäische Lebensmittel stamme bereits zu 100 Prozent aus Europa, sagt Matthias Krön. Als Futtermittel werde – außer für die Bio-Produktion – aber gentechnisch verändertes Soja aus den USA und Südamerika importiert. Die EU brauche deshalb Programme zur Förderung des Anbaus und der Erforschung von Soja, ist Krön überzeugt.

Themen für die Soja-Forschung gibt es genug: Die Boku etwa ist Teil eines EU-Projekts für biologischen Landbau, das die Züchtung breiterer Blätter zwecks Beikrautunterdrückung erforscht, erzählt Vollmann. Die deutsche Universität Hohenheim wiederum hat vergangenes Jahr ein Citizen-Science-Projekt gestartet, bei dem Soja in 1000 Privatgärten gepflanzt werden soll, um die Anpassung der Bohne an das heimische Klima zu untersuchen. Und an der Landwirtschaftlichen Lehr- und Forschungsanstalt in Wieselburg wird daran geforscht, wie mit Drohnen und künstlicher Intelligenz giftige Stechapfelpflanzen in einer Sojakultur entdeckt werden können. (Sonja Bettel, 22.6.2023)