Rund 300.000 Menschen feierten vergangenen Samstag in Wien in ausgelassener Stimmung die Regenbogenparade. Gefahr habe für sie keine bestanden – aber das vor allem dank des beherzten Eingreifens der Behörden, hieß es am darauffolgenden Tag auf einer eilig einberufenen Pressekonferenz. Dort erklärten Omar Haijawi-Pirchner, Chef der Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienste (DSN), sowie der Wiener Polizeipräsident Gerhard Pürstl, dass Anschlagspläne auf den Pride March durchkreuzt worden waren. Drei junge österreichische Staatsbürger seien kurz vor Beginn der Regenbogenparade festgenommen worden, bei einer Hausdurchsuchung habe man Luft- und Schreckschussgewehre sowie Stichwaffen entdeckt. 

Über zwei der Tatverdächtigen – einen 14-jährigen und einen 17-jährigen – ist Untersuchungshaft verhängt worden, gegen die Freilassung des dritten, 20-jährigen Beschuldigten, der der Bruder des 17-Jährigen ist, hat die Staatsanwaltschaft Berufung eingelegt. Durch die Anträge auf U-Haft sind nun neue Details über die Anschlagsplanung nach außen gedrungen. So soll die entscheidende Kommunikation in einer rund zehn Nutzer starken Telegram-Chatgruppe stattgefunden haben, in der sich Sympathisanten des IS versammelt haben. Konkret: des ISKP, des "Islamischen Staates in der Provinz Khorasan", eines Ablegers der Terrorgruppe, der in Zentral- und Südostasien aktiv ist. Der ISKP bekannte sich etwa zu jenem Anschlag auf den Flughafen Kabul, bei dem rund um die Evakuierung von US-Truppen mehr als 180 Menschen ermordet worden waren.  

Pride in Wien
Die Wiener Pride soll ins Visier von Jihadisten geraten sein.
Fischer

Brisante Zeitspanne um angeblichen Waffenkauf

Beide in U-Haft befindlichen Tatverdächtigen sollen sich als Mitglieder des ISKP betätigt haben. Der 17-Jährige habe gegenüber dem ukrainischen IS-Unterstützer "Abu-Hurayra Al-Ukraini" angekündigt, einen Anschlag auf die Pride in Wien tätigen zu wollen. Dafür habe er in Tschechien eine AK-47 und ein großes Messer besorgen wollen, wie DER STANDARD erfuhr. Angeblich seien er und der 14-jährige Verdächtige auch in das nördliche Nachbarland gereist, aber ohne Waffe zurückgekommen.

Gegen den 17-jährigen soll bereits 2022 ein Verfahren geführt worden sein, weil er sich per Whatsapp eine AK-47 besorgen wollte – das sei aber im Februar 2023 von der Staatsanwaltschaft St. Pölten eingestellt worden, weil er seine Chats als Scherz dargestellt habe.

Leopold Bien, Sprecher der Anklagebehörde in der niederösterreichischen Landeshauptstadt, bestätigte das am Mittwoch auf APA-Anfrage. Die dem Verfahren zugrunde liegende Verdachtslage habe sich nicht erhärtet. Aus Chats habe sich keine strafrechtliche Relevanz ergeben.

Pikant an der Sache ist allerdings, dass der österreichische Verfassungsschutz durch Partnerdienstinformationen nur zehn bis elf Tage später davon erfahren haben soll, dass der junge Mann ein Teil der besagten einschlägigen Chatgruppe sei und mit IS-Unterstützern in der Ukraine und in Belgien in Kontakt stünde. Jene Person in Belgien wurde erst heuer im Februar festgenommen, weil der mutmaßliche Gefährder einen Anschlag auf eine Kathedrale in Brüssel geplant haben soll. 

Anwalt spricht von "Politikum"

Der 14-jährige Tatverdächtige habe "Al-Ukraini" zugesagt, in IS-Gebiet auszureisen, um zu kämpfen. Außerdem soll er sich Anleitungen zum Bau einer Sprengvorrichtung auf sein Smartphone heruntergeladen haben. Der entscheidende Hinweis auf die mutmaßliche Terrorzelle soll von einem "verlässlichen außereuropäischen Partnerdienst" gekommen sein, der auch die Telefonnummer einer Zielperson übermittelte – diese entpuppte sich als der 14-Jährige. Ein anderes Mitglied der Telegram-Gruppe sei in Belgien wegen Terrorplanung festgenommen worden.

Der Anwalt des jüngsten Verdächtigen, Andreas Schweitzer, hält die Vorwürfe gegen seinen Mandanten für unhaltbar. Aus dem Akt gehe nicht hervor, dass der 14-Jährige etwas mit der Anschlagsplanung zu tun habe. Schweitzer hält die Causa für ein "Politikum", um einen Bundestrojaner durchzusetzen. Staatsschutzchef Haijawi-Pirchner hat zuletzt auf mehr Befugnisse bei der Überwachung von Gefährdern gedrängt. Auch der 17-Jährige bestreitet jegliche Anschlagspläne.

Der 14-Jährige betonte in seiner Befragung, er habe sich demgegenüber "sicher nicht" in die Luft sprengen wollen, denke aber, dass "Abu Hurayrah" das von ihm gewollt habe. "Ich wollte definitiv keinen Anschlag begehen", versicherte der Schüler den Beamten. Die Bombenbauanleitung auf seinem Handy habe er "durch einen Bot in einer Telegramgruppe heruntergeladen", aber nicht weitergeschickt ("Das wäre blöd"). Auf die Frage, was er von der Regenbogen-Parade der LGBTIQ+-Community und den an dieser teilnehmenden Menschen halte, erwiderte der 14-Jährige: "Ich bin kein Fan davon, ich mag sie eigentlich nicht. Ich weiß aber nicht viel darüber und will da nicht ins Detail gehen."

Dass nun über die Akteneinsicht weitere Details zur Verdachtslage gegen die drei mutmaßlichen Islamisten bekannt werden und die Ermittlungen behindern könnten, sorgt in der DSN für Beunruhigung. So sei eine verdächtige Kontaktperson in der Ukraine nicht in Haft, berichtete das Ö1-"Mittagsjournal" am Mittwoch. "Es ist schwierig, wenn so wie in diesem Fall in einem Bericht alle Ergebnisse drinnen sind, die zweifellos für die weitere Bewertung durch die Justiz erforderlich sind, dann an die Öffentlichkeit gespielt werden", sagte DNS-Direktor Haijawi-Pirchner gegenüber Ö1. Schließlich gehe es um die Zusammenarbeit mit ausländischen Partnerdiensten. Als Verfassungsschützer sehe er es als problematisch an, wie bei Gerichtsverfahren mit nachrichtendienstlichen Informationen umgegangen werde. In anderen Ländern sei es möglich, die Akteneinsicht zu beschränken, wenn nachrichtendienstliche Informationen enthalten sind. Wenn Informationen von ausländischen Partnerdiensten in Österreich öffentlich werden, könne das nicht nur die Zusammenarbeit behindern, sondern auch "die nationale Sicherheit gefährden", warnte der DSN-Leiter.(Jan Michael Marchart, Fabian Schmid, APA, 21.6.2023)