Josef Muchitsch, FSG und SPÖ
Josef Muchitsch bei der Konferenz der Fraktion Sozialdemokratischer Gewerkschafter am Dienstag in Wien.
APA/ROLAND SCHLAGER

Wien – Seit Dienstagabend begeht der Österreichische Gewerkschaftsbund (ÖGB) seinen zweitägigen Bundeskongress. Dort wird die Gewerkschaft ihr Programm und ihre Führungsspitze für die kommenden Jahre beschließen. Klar ist jetzt schon, dass der bisherige ÖGB-Chef Wolfgang Katzian am Donnerstag erneut in das Amt gewählt werden wird. Katzian gehört der Fraktion Sozialdemokratischer GewerkschafterInnen (FSG) an, die mit Abstand die stärkste Kraft im ÖGB bildet.

Die FSG hat mit dem erfahrenen SPÖ-Abgeordneten Josef Muchitsch seit kurzem einen neuen Vorsitzenden. Im Ö1-"Morgenjournal" am Mittwoch forderte Muchitsch die Rücknahme zahlreicher Reformen, die Bundesregierungen seit 2017 veranlasst haben. Damals sei von Türkis-Blau unter Kanzler Kurz ein "Klassenkampf eröffnet worden" und von Türkis-Grün fortgesetzt worden, sagte Muchitsch. Als Beispiele nannte er die Deregulierung der Arbeitszeiten und den Umbau der Sozialversicherungen, durch den die Arbeitnehmervertreter an Mitbestimmung eingebüßt haben, während die Arbeitgeber mehr Macht bekamen. "Wir wollen das zurückhaben, was wir uns erkämpft haben, das ist mehr als legitim, und das ist kein Klassenkampf", erklärte Muchitsch. 

Ungeimpfte "diskriminiert und ausgesperrt"

Den neuen SPÖ-Chef Andreas Babler lobte der sozialdemokratische Gewerkschafter, es gebe einen "Neustart, der unbeschreiblich ist". Muchitsch selbst will sich allerdings nicht als Marxisten bezeichnen, er habe die Schriften von Karl Marx auch nicht gelesen.

Beim Thema Asyl und Migration griff Muchitsch zu durchaus anderen Tönen, als man sie von Babler kennt. "Eine Willkommenskultur ohne Wenn und Aber wird es in Zukunft nicht geben", sagte er im Ö1-Interview. Die ÖVP-geführte Regierung sei in der Verantwortung, hier auf EU-Ebene europäische Lösungen zu verhandeln. Muchitsch sieht es als vorrangig, "jene Menschen in Beschäftigung zu bringen, die sich jetzt schon legal in unserem Land aufhalten".

Eine Aufarbeitung wünscht sich der FSG-Chef zur Corona-Impfpflicht. Das – nie umgesetzte – Gesetz habe die Gesellschaft gespalten, glaubt Muchitsch, der damals als einziger SPÖ-Nationalratsabgeordneter gegen das Gesetz gestimmt hatte. Er lässt rückblickend auch am Ende 2021 verhängten Lockdown für Ungeimpfte kein gutes Haar: Damit habe man Menschen "diskriminiert und ausgesperrt." 

ÖGB-Präsident Katzian beharrt auf Arbeitszeitverkürzung

Der zweite Tag des Kongresses hat das Programm der kommenden fünf Jahre als Schwerpunkt. ÖGB-Präsident Katzian erläuterte die aus seiner Sicht wichtigsten Punkte. Ganz an die Spitze stellte er die Forderung, die Verhinderung einer Betriebsratswahl mit dem Strafrecht zu bedrohen. Im Fokus Katzians, der zuletzt zum Präsidenten des Europäischen Gewerkschaftsbunds gewählt wurde, stand auch die EU. Es brauche eine stärkere Demokratisierung, eine Gegenbewegung zu autoritären Tendenzen. Für künftige EU-Erweiterungen verlangte Katzian, dass die Entscheidung darüber nicht nur auf Basis wirtschaftlicher Kriterien fallen dürfe, sondern auch auf Basis von Gewerkschaftsrechten und Sozialstandards.

ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian bei der Eröffnung des '20. ÖGB-Bundeskongresses' in Wien
ÖGB-Präsident Katzian sprach sich für eine Arbeitszeitverkürzung aus.
APA/HELMUT FOHRINGER

Beim Reizthema Arbeitszeitverkürzung hat der Gewerkschaftsbund darauf verzichtet, eine konkrete Zahl in sein Programm zu schreiben, über das am Donnerstag abgestimmt wird. Die Zielrichtung ist für Katzian aber klar. "Wir werden das selbstverständlich vorantreiben, seriös diskutieren und durchsetzen." In einer Zeit, wo die Digitalisierung noch nicht abgeschlossen und die Produktivität explodiert sei, werde man keine Gewerkschaft finden, die keine Verkürzung der Arbeitszeit wolle. Auf dem Tapet bleibt auch der gewerkschaftliche Wunsch nach einem kollektivvertraglichen Mindestlohn von 2.000 Euro. Das sei auch ein Kampf gegen Armut und Armutsgefährdung.

Stehende Ovationen hatte es davor für den ukrainischen Gewerkschaftsführer Grygorij Osowyj gegeben, der die Veranstaltung besuchte. Während des Kongresstages hatte Osowyj die Situation in seinem von Russland überfallenen Land geschildert und die Auswirkungen auf die Gewerkschaft dargestellt. Viele Tausend Mitglieder habe man verloren, und die, die dabeigeblieben seien, seien oft nicht in der Lage, ihre Beiträge zu bezahlen. Der Aggressor Russland schrecke vor nichts zurück, um die Ukraine zu zerstören. Katzian nannte es unvorstellbar, während eines Krieges Gewerkschaftsarbeit zu machen, und bekundete die Solidarität des ÖGB: "Wir stehen klar aufseiten der Ukrainerinnen und Ukrainer, und wir fordern, dass Russland diesen Krieg beenden und seine Truppen vom Gebiet der Ukraine zurückziehen muss." (APA, ta, mae 21.6.2023)