10,8 Millionen Euro hat die Villa im noblen Tiroler Skiort Kitzbühel gekostet. Ein Chalet in besonders exklusiver Lage, mit freiem Blick auf die Streif. So schön, dass die älteste Tochter des russischen Präsidenten Wladimir Putin sich dort immer wieder mit ihrer Familie und Bodyguards aufgehalten haben dürfte. In dieser Woche hat DER STANDARD zusammen mit internationalen Medienpartnern aufgedeckt, dass das Haus offenbar dem Oligarchen Arkadi Rotenberg zuzurechnen ist, einem Jugendfreund Putins. Neue Recherchen zeigen nun, wie in der Stadt Kitzbühel mit entsprechenden Hinweisen umgegangen wurde – bereits vor über einem Jahr.

Der Giebel eines Hauses hinter einer dichten Hecke
Die Suche nach dem tatsächlichen Besitzer des Hauses am Oberleitenweg in Kitzbühel treibt die Behörden schon seit Monaten um.
Maria Retter

Rotenberg, der den Kauf des Hauses im Jahr 2013 über ein Darlehen einer seiner zypriotischen Firmen finanziert hat, wurde kurz nach dem Erwerb des Chalets auf die Sanktionsliste der EU aufgenommen. In den Jahren danach hielt sich Putins Tochter Maria Woronzowa immer wieder in dem Haus auf, erzählen Nachbarn. Das sei im Ort "ein offenes Geheimnis" gewesen. 

Staatsschutz ermittelt seit einem Jahr

Eigentlich sollten die Behörden sich sehr für das Anwesen interessieren. Schon seit mehr als einem Jahr versucht beispielsweise die Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN) herauszufinden, wem die Villa nun tatsächlich gehört. Denn auf dem Papier ist der Besitzer eine Briefkastenfirma auf Zypern, die Wayblue Investments Limited. Da die zu einer zyprischen Treuhandfirma gehört, ist der letztgültige Besitzer der Villa unbekannt. Die Ermittlungen der DSN blieben "bis dato erfolglos".

Auch im Kitzbühler Rathaus gingen vor mehr als einem Jahr konkrete Hinweise auf das Chalet am Oberleitenweg ein. Am 26. April 2022 wandte sich der Tiroler Oppositionspolitiker Markus Sint (Liste Fritz) per Mail an den Kitzbüheler Bürgermeister Klaus Winkler (ÖVP). Bürger hätten ihn darauf hingewiesen, dass in dem Haus "eine Tochter bzw. der Schwiegersohn von Russlands Präsident Wladimir Putin residieren sollen".

Der Politiker Markus Sint von der Liste Fritz vor einem Mikrofon.
Der Oppositionspolitiker hat die Stadt Kitzbühel bereits vor einem Jahr auf das Haus am Oberleitenweg aufmerksam gemacht, nachdem er einen Hinweis aus der Bevölkerung bekommen hatte.
Erich Spiess/APA

Laut Grundbuchauszug sei das Haus im Besitz einer zypriotischen Gesellschaft namens Wayblue Investments Limited, schreibt Sint. Eine Briefkastenfirma mit Sitz in Nikosia, wie Recherchen zeigen. Sint, der sich in dieser Zeit intensiv mit Immobilien regierungsnaher russischer Personen in Tirol auseinandersetzt, fordert die Stadt zur Überprüfung auf. Der Schriftverkehr liegt dem STANDARD vor.

Post vom Anwalt der Briefkastenfirma

Drei Tage später ist aus dem Rathaus zu hören: Es könne kein Hinweis gefunden werden, dass russische Personen an dieser Gesellschaft beteiligt sind. Seit 2013 sei an der Adresse niemand gemeldet. Die Stadt verspricht, Überprüfungen vorzunehmen, ob es sich um einen illegalen Freizeitwohnsitz handelt.

Wochen später, am 15. Juli 2022, erhält Sint dann wieder eine Mail. Der Adressat: Josef Wieser, ein Rechtsanwalt aus Wien, der sich unter anderem auf EU-Sanktionen spezialisiert und laut Website sogar eine Zulassung in Russland hat. Wieser ist der Rechtsvertreter der Wayblue in Österreich. In seinem Schreiben hält er sich kurz. Er will von Sint wissen, wer sich bei ihm gemeldet hat.

"Sehr bedenklich", kommentiert Maíra Martini, Anti-Geldwäsche-Expertin von Transparency International, diesen Vorgang. "Das Büro des Bürgermeisters hätte die Informationen auf keinen Fall an das Unternehmen, das möglicherweise zur Umgehung von Sanktionen genutzt werden könnte", weiterleiten sollen. "Wir können nur hoffen, dass dies nicht widerspiegelt, welchen Zugang bestimmte Oligarchen zu Entscheidungsträgern in der ganzen Welt haben."

Nutzung als Freizeitwohnsitz untersagt

Wieser war für eine Stellungnahme nicht zu erreichen. Die Stadt erklärt, das Verfahren zur Überprüfung eines illegalen Freizeitwohnsitzes sei eingeleitet worden, und der Rechtsanwalt habe sich als "rechtlicher Vertreter der Eigentümerin ausgewiesen und auch Akteneinsicht genommen". Das Verfahren sei im Juni eingeleitet worden, mittlerweile seien die Gerichte damit beschäftigt, gibt Bürgermeister Winkler im Gespräch mit RAI Südtirol zu Protokoll. Im April 2023 wurde von der Stadt die Nutzung als Freizeitwohnsitz untersagt. Der Anwalt von Wayblue Investment hat offenbar Einspruch eingelegt.

Grundsätzlich ist die Nutzung einer Immobilie als Freizeitwohnsitz ohne entsprechende Genehmigung in Tirol untersagt. Aufgeschlüsselt werden die strengen Beschränkungen in der Tiroler Bauordnung und dem Tiroler Raumordnungsgesetz. Als Freizeitwohnsitz gelten "Gebäude, Wohnungen oder sonstige Teile von Gebäuden, die nicht der Befriedigung eines ganzjährigen, mit dem Mittelpunkt der Lebensbeziehungen verbundenen Wohnbedürfnisses dienen, sondern zum Aufenthalt während des Urlaubs, der Ferien, des Wochenendes oder sonst nur zeitweilig zu Erholungszwecken verwendet werden", steht dort geschrieben. Zuständig für die Kontrolle ist der Bürgermeister. In und rund um Kitzbühel gibt es besonders viele Freizeitwohnsitze, wie ein Blick in das aktuelle Register zeigt. 

Konfrontiert mit den Rechercheergebnissen weist die Stadt jedenfalls jegliche Verantwortung von sich. "Die Prüfung der von Ihnen aufgezeigten Umstände und Konsequenzen liegen nicht in der Kompetenz der Stadtgemeinde und des Bürgermeisters", schreibt der Bürgermeister dem STANDARD. Die Stadt sei nicht für den Grundverkehr zuständig. "Die im Artikel und in Ihrer E-Mail erwähnten Unterlagen und Informationen sind uns nicht bekannt."

Den Gemeinden würde "der 'schwarze Peter' zugeschoben", zeigt sich der Bürgermeister verärgert. Er fordere "eine dringende Harmonisierung gerade im Bereich des Steuerrechts in Form eines Datenaustausches zwischen den Finanzbehörden und allen Behörden". Die wahren Versäumnisse lägen beim Bund.

Immobilien fungieren als Geldwäschereien

Dass unklar sein kann, wem das Millionenanwesen tatsächlich gehört, findet Martini problematisch. Immobilien würden häufig zur Geldwäsche verwendet. Dass Informationen über deren tatsächlichen Eigentümer nicht verfügbar sind, erschwere die Ermittlung potenzieller Straftaten.

Das zeigt auch die Reaktion aus dem Innenministerium: Das in den Recherchen dargelegte Konstrukt aus Briefkastenfirmen und Strohleuten würde es erschweren, die tatsächlichen Besitzverhältnisse nachzuvollziehen, heißt es in einer Stellungnahme. Der Staatsschutz führt weiter Ermittlungen: "Sollten diese den Verdacht eines Sanktionsverstoßes erhärten, wird der Sachverhalt an das zuständige Gericht zur weiteren Entscheidung berichtet." (Maria Retter, Fabian Schmid, Timo Schober, Carina Huppertz, 21.6.2023)