Frühstück in New York, ein Meeting in London, gefolgt von einem Kaffee in Wien und Drinks in Tokio – in der Vision von Andreas Scholz soll das möglich sein. Er hat in einem Buch kürzlich ein ausführliches Konzept für eine "Hyperschallbahn" vorgelegt, ein Bahnnetz, das die wichtigsten Städte der Welt verbinden soll.

Scholz ist Planungsingenieur bei der Deutschen Bahn, betont aber, dass das Buch "kein Auftragswerk" sei, sondern aus seinem persönlichen Hobby heraus entstanden sei. Er will damit dem Diskurs über ein interkontinentales Hochgeschwindigkeitsnetz neuen Schwung geben.

Eine Grafik, vergleichbar mit einem U-Bahn-Netzplan, die ein hypothetisches Netzwerk einer Hyperschallbahn zeigt.
So soll das Netz einer Hyperschallbahn einmal aussehen.
Andreas Scholz/STANDARD

Schneller als die Concorde

Wobei "Hochgeschwindigkeit" in seinen Vorstellungen 7.200 km/h bedeutet – damit wäre die Hyperschallbahn nicht nur sechsmal schneller als Schall, sondern auch dreimal so schnell wie die Concorde, das schnellste Passagierflugzeug aller Zeiten, das vor 20 Jahren außer Dienst gestellt wurde. Die Reise mit einem Hyperschallzug soll etwa so lange dauern wie eine durchschnittliche Fahrt mit der S-Bahn – nur dass man eben von Wien statt nach Hollabrunn in der gleichen Zeit bis nach Athen kommt.

Möglich werden soll die hohe Geschwindigkeit durch Röhren, in denen nahezu Vakuum herrscht, weshalb der Luftwiderstand und auch der Energieverbrauch niedrig sein soll. Auch Elon Musk stützt sich bei seinem Hyperloop-Konzept auf Vakuumröhren. Dort sollen die Kapseln allerdings mit "nur" 1.200 km/h unterwegs sein. Zwar arbeiten mehrere Unternehmen an Hyperloop-Teststrecken, bis zu einer für Passagiere befahrbaren Strecke ist es aber noch ein weiter Weg. Manche Forschende zweifeln überhaupt an der technologischen und wirtschaftlichen Machbarkeit des Konzepts.

Geplante Fertigstellung 2160

Scholz sieht den Zeithorizont aber ohnehin ganz woanders: Der Bau des Hyperschallnetzes soll ab 2035 beginnen, 2060 in Europa seinen Betrieb beginnen und hundert Jahre später seinen interkontinentalen Endausbau erreicht haben. In den Ozeanen sieht der Ingenieur Schwebetunnel vor. Dabei sollen die im Wasser liegenden Tunnelröhren von Schwimmkörpern an der Oberfläche getragen und zusätzlich am Meeresgrund befestigt werden. Auch wenn Norwegen darüber nachdenkt, mit einer solchen Konstruktion Fjorde zu durchqueren – bisher existiert das Konzept allein auf dem Papier.

Hyperloop-Zug steht auf einer Tribüne in einer Halle, Zusehende fotografieren den Zug.
Auch Elon Musks Hyperloop, hier bei einer Präsentation 2018 in Spanien, soll in Vakuumröhren verkehren.
APA/AFP/CRISTINA QUICLER

Da die Hyperschallbahn nach den Vorstellungen von Scholz vor allem Flüge ersetzen soll, hat er sich bei der Planung der Strecken an den geschäftigsten Flugverbindungen orientiert. Die restlichen Gebiete sollen mit traditionellen Zubringerzügen an das Netz angebunden werden.

Generationenprojekt

Auf über 200 Seiten und mit hunderten Grafiken beschreibt Scholz detailliert, wie das Zukunftsprojekt aussehen könnte – welche Wendekreise notwendig wären, welche Vakuumtechnik zum Einsatz kommen soll und wie sich die Nachfrage nach Reisen entwickeln könnte. Die Kosten schätzt er bis ins Jahr 2160 auf 25 Billionen Dollar.

Dass die Hyperschallbahn in nächster Zeit wohl kaum Realität wird, liegt aber nicht nur an den offenen technischen Fragen und gigantischen Kosten. Auch die vorgeschlagenen Linienführungen zwischen Kiew und Moskau oder Tel Aviv und Riad sind aus einer anderen, friedlicheren Welt gegriffen. Selbst stinknormale Tunnelprojekte ohne Vakuumröhren und Schwebetunnel brauchen in Europa erfahrungsgemäß Zeit: Von den ersten Machbarkeitsstudien bis zur geplanten Eröffnung des Brennerbasistunnels 2032 werden vier Jahrzehnte vergangen sein.

Aus diesen Gründen rechnet Scholz selbst nicht damit, dass die Hyperschallbahn bald umgesetzt wird. Als reine Science-Fiction will er seine Idee aber doch nicht abtun. Er sieht in dem Buch eine erste konzeptionelle Einschätzung eines Menschheitsprojekts, das sich über mehrere Generationen ziehen würde. "Doch die heutigen Generationen werden über die Zukunft entscheiden", sagt Scholz. Und träumen wird man wohl noch dürfen. (Philip Pramer, 23.6.2023)