Im Jahr 2040 will Wien klimaneutral sein – spätestens dann soll in dem Bundesland mit den meisten Gasthermen ohne fossile Energieträger geheizt werden. Richten soll es vor allem die Fernwärme, die grundsätzlich auch klimafreundlich erzeugt werden kann.

Derzeit ist das noch nicht der Fall: Noch kommen rund zwei Drittel der Fernwärme aus der Verbrennung von Gas. Dieser Anteil soll in den kommenden Jahren immer weiter sinken. Der Großteil soll aus Geothermie und Großwärmepumpen kommen. In rund 3.000 Metern Tiefe wurde ein Heißwasservorkommen ausgemacht, das langfristig bis zu 125.000 Haushalte mit Wärme versorgen könnte. Derzeit laufen die Arbeiten für eine erste Geothermie-Anlage, die 2026 in Betrieb gehen soll. Eine Großwärmepumpe entsteht gerade in der Hauptkläranlage Simmering. Sie soll ab Ende des Jahres Wärme aus dem geklärten Abwasser der Wienerinnen und Wiener gewinnen.

Außengerät einer Klimaanlage auf dem Dach eines Gebäudes
In Zukunft könnte die Abwärme von Klimaanlagen verstärkt ins Fernwärmenetz eingespeist werden.
Getty Images

In Zukunft sollen außerdem immer mehr Betriebe, in denen Hitze als Abfallprodukt anfällt, diese ins Netz einspeisen. Serverzentren oder die Manner-Waffelfabrik in Hernals tun das bereits. Auch wo gekühlt wird, fällt in der Regel Wärme an: In einigen Städten trägt die Abwärme von Klimaanlagen bereits dazu bei, dass sich die Umgegung noch mehr erhitzt. Bei großen Systemen macht es daher auch Sinn, die Wärme zu nutzen. Die Uno-City leitet die Abwärme ihrer Klimaanlagen schon seit Jahren in das Fernwärmenetz, anstatt sie in die Luft zu blasen.

Neue Wärmequellen

Doch die Industrie, Müllverbrennung, vor allem aber Klimaanlagen produzieren auch im Sommer Wärme, wenn es kaum Abnehmer gibt. Im Winter ist der Bedarf hingegen höher als das Angebot – zumindest wenn man in Zukunft auf flexibel hochfahrbare Gaskraftwerke verzichten will.

Die Wien Energie forscht deshalb daran, die Wärme langfristig zu speichern, um sie in den Winter zu übersommern. Konkret wird untersucht, ob sich Wärme in rund 1000 bis 1500 Meter Tiefe speichern lässt. Dabei wird ein sogenannter Aquifer, eine wasserführende Gesteinsschicht, an zwei Stellen angebohrt.

"Es gibt eine warme und eine kalte Seite", erklärt Helene Mooslechner, die das Projekt bei der Wien Energie leitet. Wobei "kalt" relativ ist – denn die natürlichen Temperaturen liegen in einer solchen Tiefe bei rund 50 Grad. Wenn es im Sommer Überschuss in den Fernwärmeleitungen gibt, wird Wasser von der kühleren Seite hochgepumpt, mittels Wärmetauschern auf rund 100 Grad erhitzt und zurück in den Untergrund injiziert.

Grafik, welche die Funktionsweise eine Tiefen-Wärmespeichers (HT-ATES) erklärt.
Wien Energie/APA-Auftragsgrafik

Alte Technologie, neue Relevanz

Im Winter wird der Kreislauf umgedreht – und die im Gestein gespeicherte Hitze wieder in das Fernwärmenetz geleitet. Rund 70 bis 80 Prozent der Wärme sollen dabei erhalten bleiben.

Der Wasserkreislauf ist geschlossen, versichert Mooslechner – mit dem oberflächennahen Grundwasser kommt das Thermalwasser nicht in Kontakt. Das Wasser in der großen Tiefe sei auch nicht trinkbar.

Mit knapp einer Million Euro ist das Forschungsprojekt budgetiert, mit dem zunächst das Potenzial eruiert werden soll – konkrete Orte habe man noch nicht anvisiert. Auch zur Größe, den Kosten und dem Zeitplan eines möglichen Speichers kann die Wien Energie noch nichts sagen. Das Projekt wird vom Klima- und Energiefonds mitfinanziert.

Denn bekannt ist die Technologie zwar schon länger, bisher sind aber nur wenige Tiefenwärmespeicher im Einsatz. "Aber man spürt, dass das Thema wieder präsenter wird", sagt Mooslechner. Bis wir mit Sommerhitze im Winter heizen, dürften trotzdem noch einige Jahre vergehen. (pp, 24.6.2023)