Wolfgang Katzian gibt Stimme bei Wahl des Vorsitzes des Österreichischen Gewerkschaftsbundes ab
Vor fünf Jahren hatten Katzian knapp 91 Prozent der Delegierten unterstützt.
APA/HELMUT FOHRINGER

Wien – Wolfgang Katzian bleibt Präsident des Österreichischen Gewerkschaftsbunds (ÖGB). Der 66-Jährige erhielt zum Abschluss des 20. Bundeskongresses des ÖGB am Donnerstag 90,4 Prozent der Delegiertenstimmen. Vor fünf Jahren hatten den ehemaligen GPA-Chef knapp 91 Prozent unterstützt. Zu Vizepräsidentinnen gewählt wurden neuerlich Korinna Schumann (97,2 Prozent) und erstmals Romana Deckenbacher (95 Prozent), die auf Norbert Schnedl erfolgt. Bei der Vorstandswahl erhielten alle Kandidatinnen und Kandidaten über 90 Prozent der Stimmen. Das schwächste Ergebnis erzielte Vida-Vorsitzender Roman Hebenstreit mit 90,1 Prozent.

Dem gab Katzian in seiner Dankesrede dafür gleich eine Frohbotschaft mit. Man unterstütze die Lokführer bei ihrem Arbeitskampf. Sollte ein entsprechender Antrag kommen, werde man "ganz schnell" eine Streikfreigabe beschließen. Inhaltlich gab sich der wiedergewählte Präsident überhaupt kämpferisch. Man werde sich nicht damit abfinden, dass in Österreich die Teuerung deutlich höher sei als in anderen Ländern. Neuerlich verlangte er einen Mietpreisdeckel und ein Aussetzen der Mehrwertsteuer auf Produkte des täglichen Bedarfs.

Zentralbanken "nicht auf der Nudelsuppe dahergeschwommen"

Donnerstagabend, zu Gast in der "ZiB 2", sah Katzian dann auf Frage von Moderator Martin Thür keinerlei Grund, von den herrschenden Verhandlungsgrundlagen bei den Kollektivverträgen abzurücken. Die rollierende Inflation, also die Inflation der vergangenen zwölf Monate, sollen weiterhin für die KV-Verhandlungen in verschiedenen Branchen als Grundlage gelten. Grund für Rückhaltung sieht er keinen. "Lohn-Preis-Spirale haben wir keine. Was wir aber haben, ist eine Preis-Gewinn-Spirale", gibt sich Katzian überzeugt. Das bestätigen, so Katzian, übrigens auch die österreichische sowie die europäische Zentralbank, welche beide "nicht auf der Nudelsuppe dahergeschwommen" seien, so der Gewerkschafter.

Er sieht daher die Regierung in der Pflicht und geizt nicht mit Kritik an deren seines Erachtens mangelnden Initiativen gegen die Teuerung. "Wenn die Bundesregierung keine Maßnahmen setzt, um die Inflation zu dämpfen, brauchen sie sich nachher nicht wundern, wenn wir hohe Inflationsarten umsetzen müssen, um die Kaufkraft der Menschen zu sichern", sagt der ÖGB-Chef. 

ZIB 2: ÖGB-Präsident Katzian im Gespräch
In der "ZiB 2" gab sich ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian kämpferisch.
ORF

Grundlohn von 2.000 Euro

Sollte den Wünschen der Gewerkschaft nicht nachgekommen werden, will man jedenfalls aktiv werden, das versprach Katzian schon tagsüber. Man werde sich zusammensetzen und die nächsten Schritte überlegen. Katzian riet den Delegierten, sich für den 16. September nichts vorzunehmen, Proteste sind also zu diesem Datum zu erwarten: "Wir sind die Guten, aber zornig machen müsst ihr uns nicht." Wiederholt wurde vom Präsidenten die Forderung nach einer Verkürzung der Arbeitszeit. Angestrebt wird nun auch ein Mindestlohn von 2.000 Euro per Generalkollektivvertrag. Zurückhaltung bei der Lohnrunde dürfen die Dienstgeber nicht erwarten. Denn alle Experten hätten bestätigt, dass es keine Lohn-Preis-Spirale gebe.

Mit breiter Mehrheit angenommen wurde das ÖGB-Programm für die kommenden fünf Jahre. Es enthält etwa die Forderung nach einer Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohn- und Personalausgleich. Bei den Pensionen will man einen abschlagsfreien Zugang nach 45 Jahren, in der Selbstverwaltung will man die Arbeitnehmer in den Organen wieder stärken, in der Pflege braucht es bessere Arbeitsbedingungen, und es soll einen Rechtsanspruch auf einen "Kinderbildungsplatz" ab dem ersten Geburtstag geben. Die Verhinderung von Betriebsratswahlen soll ein Fall für das Strafrecht werden.

Beim Thema Arbeitszeitverkürzung sprach sich Katzian für eine "Kaskade" aus, wie er es erklärt: Auf gesetzlicher Ebene sollten die gesundheitlichen Rahmenbedingungen normiert werden, dann folgen Kollektivvertrag, Betriebsvereinbarung und Einzelvertrag. Das Ziel sei aber, auch auf der gesetzlichen Ebene eine Arbeitszeitreduktion zu erreichen, "weil die letzte Arbeitszeitverkürzung ist bald 50 Jahre her. Und die Produktivität ist um 100 Prozent gestiegen. Es muss mir einer erklären, warum das nicht gehen kann", so Katzian. 

Anderl unterstützt ÖGB-Anliegen

Keine größeren Änderungen wurden an den Statuten vorgenommen. Allerdings wird die Funktion des Leitenden Sekretärs abgeschafft. Stattdessen gibt es künftig Bundesgeschäftsführerinnen und Bundesgeschäftsführer.

Zum Auftakt des dritten Kongresstages hatte Arbeiterkammer-Präsidentin Renate Anderl die Anliegen der Gewerkschafter unterstützt. Der Regierung warf sie vor, die Chance, die Bedingungen der Arbeitnehmer zu verbessern, verpasst zu haben. Unter anderem warb die Chefin der Arbeiterkammer für eine Arbeitszeitverkürzung: "Es braucht eine neue gesunde Vollzeit, in der man Beruf, Freizeit und Familie vereinbaren und bis zur Pension durchhalten kann." Gleichzeitig betonte Anderl, dass man neue Steuern brauchen werde: "Es wird nicht gehen ohne Beiträge der Superreichen." (APA, red, 22.6.2023)