Der Kampf hat schon begonnen. Zwar starten die für Österreich wegweisenden Lohnverhandlungen der Metaller erst im Herbst. Das heißt aber nicht, dass es bis dahin ruhig ist, im Gegenteil. Fast im Wochentakt kommen derzeit Forderungen in Richtung Gewerkschaft, sie möge sich doch in Lohnzurückhaltung üben, zuletzt indirekt von der Oesterreichischen Nationalbank und direkt vom neuen Chef des Forschungsinstituts IHS, Holger Bonin. Dabei werden zwei Argumente vorgebracht: Österreichs Inflation liegt schon heute deutlich über dem Schnitt in der Eurozone. Steigen nun die Löhne in den kommenden Monaten stark an, werden Unternehmen ihre Preise wieder erhöhen müssen, womit die Inflation auch 2024 höher liegen wird. Damit verbunden kommt das zweite Argument ins Spiel: Sofern die Inflation in Österreich dauerhaft höher bleibt, bekommen wir ein Problem mit der Wettbewerbsfähigkeit. Empfehlung daher: Der ÖGB soll Reallohnverluste, also Abschlüsse unterhalb der Inflationsrate, akzeptieren.

Für einen großen Teil der Wirtschaft gehen diese Argumente jedoch ins Leere.

Für die Industrie werden die Lohnverhandlungen herausfordernd.
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Lohnverhandlungen sind zunächst nur der Ausgleich für einen erfolgten Transfer: Unternehmen haben ihre Preise zunächst erhöht, deshalb ist die Inflation gestiegen. In einem zweiten Schritt verlangen Gewerkschaften den Ausgleich dafür. Zahlen der Nationalbank zeigen, dass der größte Anteil der inländischen Preissteigerungen entstand, weil Betriebe ihre Profite ausgeweitet haben. Sie erhöhten Preise stärker, als die Kosten stiegen. Das war am Bau, in der Energiewirtschaft, im Verkehrssektor und der Landwirtschaft der Fall. Auch vielen anderen Branchen geht es gut: Banken, dem Lebensmittelhandel. So wie Unternehmen keinen Grund haben, in einer Marktwirtschaft Preiszurückhaltung zu üben, gibt es für Gewerkschaften keinen Grund, nicht ein möglichst großes Stück vom Kuchen zu fordern. Arbeitgeber und Arbeitnehmer werden sich das schon ausstreiten.

Raum für Kompromisse

Das Argument, dass die Inflation durch höhere Löhne angetrieben wird, ist nicht falsch. Aber Berechnungen zeigen, dass nur ein Teil der Lohnaufschläge in höhere Preise übergeht. Die Inflation sollte also 2024 selbst bei anziehenden Löhnen zurückgehen, von einer Lohn-Preis-Spirale gibt es keine Spur. Und für einen Großteil der Wirtschaft spielt das Argument mit Wettbewerbsfähigkeit schlicht keine Rolle, weil viele Unternehmen in keinem internationalen Wettbewerb stehen: Der Bäcker im Ort bäckt keine Brötchen für den Export. Rufe nach einer allgemeinen Lohnzurückhaltung sind also überschießend.

Schwierig ist es bei der Industrie. Der internationale Wettbewerb hatte zur Folge, dass sie nicht alle Preissteigerungen weitergeben konnte und Kostenerhöhungen geschluckt hat. Die Industrieproduktion wird 2023 zurückgehen.

Das Argument, dass höhere Löhne die Inflation treiben, zieht hier zwar gar nicht, weil in Österreich erzeugte Maschinen und Motoren exportiert werden.

Aber richtig ist, dass Lohnverhandlungen für die Industrie herausfordernd werden. Doch Österreichs Modell dabei erlaubt Flexibilität: Die Verhandler orientieren sich an der vergangenen Inflation plus der Produktivitätsentwicklung. An den Inflationszahlen gibt es nichts zu rütteln, die Produktivität in der Industrie war rückläufig. Das lässt sich mehr oder weniger stark berücksichtigen. Raum für Kompromisse ist da. (András Szigetvari, 23.6.2023)