Schieles ungewöhnliches "Porträt" seines Kollegen Max Oppenheimers erzielte bei Ketterer 455.000 Euro. Als Verkäufer fungierte die Stiftung von Sabarskys Witwe Vally.
Ketterer Kunst GmbH

Als Serge Sabarsky im Februar 1996 83-jährig in New York verstarb, hatte der aus Wien gebürtige Sohn eines russischen Schuhfabrikanten ein bewegtes Leben hinter sich: Vor seiner Flucht vor den Nationalsozialisten arbeitete er als Garderobier im Café Döblingerhof, als Bühnenmeister sowie Dekorateur im späteren Moulin Rouge und bestritt Nachmittagsrevuen im Simpel. Die Schule hatte er, bedingt durch den Tod seines Vaters, kurz vor der Matura abgebrochen.

Zu internationaler Bekanntheit gelangte Sabarsky, der Ende der 1960er-Jahre in New York an der Madison Avenue eine Galerie eröffnete, jedoch als Kunsthändler und Kenner des deutschen und österreichischen Expressionismus. Und als solcher "ruft" sich der Buddy von Rudolf Leopold oder Ronald Lauder dieser Tage den Chronisten des Kulturbetriebs posthum öfter in Erinnerung.

Etwa im Büro von Ursula Storch, Vizedirektorin der Museen der Stadt Wien. An ihrer Pinnwand hängt bis heute der 20 Jahre alte Entwurf einer Einladungskarte, die nie gedruckt werden sollte. Denn die Ausstellung Serge Sabarsky – ein Wiener Sammler in New York, in die sie als Kuratorin ein gutes Jahr Arbeit investiert hatte, fand nie statt.

Das Motiv, das für die Einladungskarte der 2003 kurzfristig abgesagten Ausstellung diente: "Die Träumende (Gerti Schiele)" (1911). 2007 wechselte die Gouache via Christie’s den Besitzer.
Archiv, Christie’s 2007

Kurzfristige Absage

Das Historische Museum der Stadt Wien musste die Schau im Mai 2003 nur wenige Tage vor der Eröffnung kurzfristig absagen. Der Grund: Der US-Rechtsanwalt Michael Lesh, Verfügungsberechtigter der Sabarsky-Stiftung, hatte im Vertrag mit dem Museum auf einen speziellen Passus bestanden. Dieser sollte den uneingeschränkten Schutz vor privaten und behördlichen Ansprüchen sowie die Übernahme einer Schadensersatzpflicht garantieren. Verlangt wurde also eine unbegrenzte Haftung des Museums für jegliche Rechtskonflikte, die sich aus eventuellen Eigentumsstreitigkeiten oder Beschlagnahme-Klagen ergeben können: für sämtliche der ausgestellten 30 Ölgemälde und 85 Arbeiten auf Papier. Ein Risiko, das nicht kalkulierbar war, zumal es damals Zweifel gab, ob die Stiftung die Provenienzen überhaupt überprüft hatte.

Die Beschlagnahme von Egon Schieles Tote Stadt III aus der Sammlung Leopold in New York Ende der 1990er-Jahre, die sich später als ungerechtfertigt herausstellte, galt unter Museumsdirektoren damals als Horror­szenario. Hoffnungen, die für Wien als wichtig erachtete Ausstellung zu einem späteren Zeitpunkt zu zeigen, zerschlugen sich.

Abverkauf der Sammlung

Die von Serge Sabarsky aufgebaute Sammlung, die seine Witwe Vally erbte, existiert in ihrer ursprünglichen Form längst nicht mehr. Der sukzessive Abverkauf startete 2003 und hält bis heute an. Beispielhaft dafür steht auch das Sujet erwähnter Einladungskarte: Egon Schieles Die Träumende (Gerti Schiele), eine Gouache aus dem Jahr 1911, von der sich die Sabarsky-Stiftung 2003 trennte und die später 2007 bei Christie’s in London für umgerechnet 2,8 Millionen Euro versteigert wurde.

Der Restbestand kommt seit einigen Monaten bei Ketterer Kunst in München zur Auktion. Anfang Juni waren es Arbeiten von Egon Schiele, Alfred Kubin, Oskar Kokoschka, Otto Dix oder Gustav Klimt. Mit gemischtem Erfolg: Studienzeichnungen Klimts verharren derzeit für 50.000 oder 60.000 Euro im Nachverkauf, andere der ehemaligen Sabarsky-Schützlinge waren stärker gefragt. Etwa das außergewöhnliche Aquarell, das zu einer Serie von drei Blättern gehört, die Egon Schiele 1910 nach dem Modell seines Künstlerfreundes Max Oppenheimer im schwarzen Frack schuf. Es wurde für stattliche 455.000 Euro verkauft.

1992 wurde Serge Sabarsky (1912 Wien – 1996 New York) vom damaligen Unterrichts- und Kunstminister Rudolf Scholten das Österreichische Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst 1. Klasse verliehen.
Georges Schneider / APA-Archiv /

Deals mit Rudolf Leopold

Den Provenienzangaben zufolge hatte es Serge Sabars­ky Mitte der 1980er-Jahre von Rudolf Leopold erworben. Nur einer von vielen Deals zwischen den beiden. Ein anderer wird jetzt im Umfeld der Versteigerung von Gustav Klimts Dame mit Fächer (75 Millionen Euro) kommende Woche bei Sotheby’s in London wieder aktuell: 1981 hatte Leopold das Gemälde als Leihgabe für eine von Sabarsky kuratierte Klimt-Schau im Isetan Museum of Art in Tokio zur Verfügung gestellt.

Das Bild soll nach Österreich zurückgekehrt und im selben Jahr von Leopold verkauft worden sein: an einen ihm namentlich nicht bekannten 50-jährigen Mann mit Wiener Akzent, der ihm dafür 18 Millionen Schilling in bar bezahlte, wie er in den 1990er-Jahren zu Protokoll gab.

Das Gemälde war damals in den USA aufgetaucht, wohin es ohne Kenntnis des Bundesdenkmalamts und damit illegal exportiert worden sein musste. Die Behörden ermittelten, stellten das Verfahren jedoch später ein. Wer je an der Darstellung von Rudolf Leopold zweifelte, sieht sich über die von Sotheby’s veröffentlichten Provenienzangaben nun wohl bestätigt: Demnach wechselte das Bild direkt von Leopold in den Besitz von Sabarsky, den ominösen Wiener Käufer hat es offenbar nie gegeben. (Olga Kronsteiner, 23.6.2023)