Medikamentenpackungen von Mifepriston
Neues Ziel der Abtreibungsgegner: das Medikament Mifepriston.
REUTERS/EVELYN HOCKSTEIN

Dieses Jahr wäre das Grundsatzurteil Roe v. Wade 50 Jahre alt geworden. 1973 räumte es Frauen USA-weit das Recht auf einen Schwangerschaftsabbruch ein. Am 24. Juni 2022 wurde es durch den Supreme Court gekippt, in dem seit der Präsidentschaft von Donald Trump eine konservative Mehrheit von 6:3 herrscht. Damit wurde das Recht auf Abtreibung in die Hände der Bundesstaaten gelegt.

In 14 davon sind seither Abtreibungen mehr oder weniger unmöglich, in vielen weiteren wurden weitreichende Einschränkungen für ungewollt Schwangere gesetzlich verankert. In Alabama, Arkansas oder Louisiana ist nur bei Lebensgefahr der Mutter eine Abtreibung legal, für Vergewaltigung oder Inzest gelten keine Ausnahmen. Sollte eine Schwangerschaft oder Geburt nachträglich nicht als lebensbedrohlich betrachtet werden, drohen behandelnden Ärztinnen und Ärzten Geld- und Gefängnisstrafen.

Viele US-Bundesstaaten, in denen die Demokratische Partei an der Macht ist, haben deshalb in den vergangenen Monaten Gesetze verabschiedet, die die Versendung von Abtreibungspillen erleichtern. Damit können sich Betroffene in republikanisch regierten Bundesstaaten etwa Pillen wie Mifepriston zuschicken lassen und sind nicht auf viel Zeit und Geld für die Reise in Bundesstaaten mit liberalerem Abtreibungsrecht angewiesen.

Streit um Abtreibungspille

Gerade um das Medikament Mifepriston ist zuletzt aber ein Rechtsstreit ausgebrochen. Abtreibungsgegner hatten in Texas gegen die Zulassung von Mifepriston geklagt und von einem Richter recht bekommen, obwohl das Medikament seit über 20 Jahren von der US-Arzneimittelbehörde FDA zugelassen ist und als sicher gilt. Es folgten gegenteilige Entscheidungen, Berufungen, Notfallanträge – bis der Fall vor dem US-Höchstgericht landete. Dieses lehnte Zugangsbeschränkungen für Mifepriston ab, solange der Rechtsstreit andauert, das Medikament bleibt also vorerst verfügbar. Erwartet wird ein langer Rechtsstreit, an dessen Ende wohl der Supreme Court eine endgültige Entscheidung über die Zulassung treffen muss.

Aktuelle Studien zeigen, dass negative Konsequenzen durch den Fall von Roe v. Wade vor allem schwarze Frauen treffen. So erklärte das US-amerikanische National Bureau of Economic Research, dass die Mütter- und Säuglingssterblichkeit bei Schwarzen am höchsten ist. Selbst wenn schwarze Frauen über ausreichend finanzielle Mittel verfügen, ist für sie eine Schwangerschaft ein größeres gesundheitliches Risiko als für weiße Frauen.

Wie eng wirtschaftliche Not bei Frauen und der Zugang zu sicheren Schwangerschaftsabbrüchen zusammenhängen, zeigt eine Studie über die langfristigen Konsequenzen restriktiver Abtreibungsgesetze: Die Hälfte jener, die eine Abtreibung wollten, waren von Armut betroffen. Drei Viertel von ihnen gaben an, nicht genug Geld für höhere Lebenshaltungskosten zu haben, die ein (zusätzliches) Kind nach sich zieht. 63 Prozent der Frauen, die eine Abtreibung wollen, haben bereits ein Kind oder mehrere.

Konservative Mehrheit

US-Präsident Joe Biden hat bereits vergangenes Jahr angekündigt, das Recht auf Abtreibung wiedereinführen zu wollen. Zum 50. Jahrestag von Roe v. Wade forderte er den Kongress auf, es wieder per Gesetz festzuschreiben. Seit den Midterm-Wahlen im November haben die Republikaner im Repräsentantenhaus aber die Mehrheit, weshalb eine Verankerung des Grundrechts auf Abtreibung unwahrscheinlich ist.

Am Freitag kündigte Biden einen Schritt an, der auch ohne republikanische Unterstützung möglich wäre: Die US-Regierung will den Zugang zu Verhütungsmitteln verbessern. Mit einem Dekret soll sichergestellt werden, dass private Krankenversicherungen die Kosten für alle zugelassenen Verhütungsmittel vollständig übernehmen. (Beate Hausbichler, Noura Maan, 24.6.2023)