Österreichs Haushaltspolitik hat in den vergangenen Jahren viel Flexibilität bewiesen. Als Staatsgelder für die Folgen der Pandemie, des Ukrainekriegs und der Teuerung sowie für andere wichtige Anliegen gefordert waren, hat der Finanzminister die alten Budgetpläne über den Haufen geworfen und viele Milliarden mehr gebilligt.

Will keine höheren EU-Beiträge zahlen: Kanzler Karl Nehammer (ÖVP).
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Wenn die EU-Kommission angesichts dieser dramatischen Entwicklungen einen Nachtragshaushalt mit höheren Beiträgen von den Mitgliedsstaaten fordert, was Österreich 1,6 Milliarden Euro kosten würde, dann antwortet Wien Haushaltskommissar Johannes Hahn mit einem klaren Nein.

Bei Finanzminister Magnus Brunner mag das nachvollziehbar sein; es entspricht der Rolle des Säckelwartes und folgt einer ähnlichen Reaktion des deutschen Amtskollegen Christian Lindner. Aber nun hat auch Karl Nehammer erklärt, die Kommission müsse zuerst vorhandene Ausgabenposten umschichten, bevor sie frisches Geld einfordert. Damit ist diese Haltung – anders als in Deutschland – offizielle Regierungsposition geworden; die Grünen haben bekanntlich hier wenig mitzureden.

Stellenwert der EU

Nehammer will damit wohl einen Pflock für zukünftige Verhandlungen in der EU einschlagen, hat sich aber ein Schlupfloch offengelassen. Dennoch sagen Inhalt und Ton dieser Ansage viel über den Stellenwert der Europäischen Union in der heimischen Politik aus.

Wenn es um die Mittelverteilung zwischen Bund, Ländern und Gemeinden geht, dann wird selbstverständlich verhandelt. Bei Beiträgen an die EU aber setzt der nationalistische "Kein Cent mehr, wir sind schließlich Nettozahler"-Reflex ein. Brüssel ist fern, Brüssel ist fremd, dort gelüstet es Ausländer nach unserem schwerverdienten Steuergeld, das sie dann leichtfertig verprassen.

Klar, nicht jeder Euro aus den EU-Töpfen wird vernünftig eingesetzt, es gibt vielerorts Verschwendung und Betrug. Aber die Kontrollen der EU sind scharf, die Verwaltung ist deutlich schlanker als im österreichischen Föderalismus, und die Möglichkeiten, Gelder umzuschichten, werden durch die mühsamen Verhandlungsprozesse in einer Union von 27 eingeschränkt. Das wissen auch Nehammer und Brunner.

Politische Solidarität

Und es ist ja nicht so, als würde der Finanzbedarf in Brüssel nicht auch heimische Interessen berühren. Ob der Schutz der EU-Außengrenzen, Maßnahmen gegen die Klimakrise oder Hilfsgelder für die Ukraine – all das geschieht auch auf Drängen oder im Sinne der Bundesregierung. Gerade bei Finanzhilfe für die Ukraine wäre Österreich gut beraten, sich großzügig zu zeigen. Da die Neutralität militärischer Hilfe im Wege steht, muss die versprochene politische Solidarität mit dem Opfer russischer Aggression mit Geld verwirklicht werden.

Mit der EU sind keine Wahlen zu gewinnen; auch andere Parteien machen Brüssel zum Sündenbock, wenn die politische Taktik es empfiehlt. Aber die ÖVP neigt seit Sebastian Kurz besonders zum Euro-Populismus und wird den unerbittlichen Angriffen auf Europa, die FPÖ-Chef Herbert Kickl im nächsten Wahlkampf sicher fahren wird, wenig entgegensetzen können.

Österreich wird am Ende nicht um etwas höhere Beiträge zum EU-Haushalt herumkommen und kann sich das auch leisten. Ein Kanzler von Format würde die Öffentlichkeit darauf vorbereiten, statt billige Reflexe zu bedienen. (Eric Frey, 23.6.2023)