Popstar Janelle Monáe zeigt sich freizügig
Viel Haut zeigt Janelle Monáe. Ihre Botschaft ist das Vergnügen in allen Belangen – nur musikalisch stellt sich das auf ihrem neuen Album "The Age of Pleasure" nicht ein.
Mason Rose / Warner Music

Janelle Monáe ist, was früher ein "free bird" genannt wurde. Ein freier Vogel, eine Art Idealbild der Hippiekultur. Nonkonformistisch, nur den eigenen Ideen verpflichtet. Zumindest lebt sie das halböffentlich so vor. Wie viel davon Show ist, weiß niemand, wahrscheinlich einiges, immerhin verdient sie im Showbusiness ihr Geld. Monáe ist zwar nicht in der Öffentlichkeit aufgewachsen, aber wie viele Popstars ihrer Generation führt sie ein Leben auf diversen sozialen Plattformen. Dort erweckt sie diesen Eindruck: Selbstbestimmt, frei, was immer das genau heißt.

Janelle Monáe ist ein vielseitiger Popstar. Eben hat sie das Album The Age of Pleasure veröffentlicht, doch das erscheint wie eine Fußnote in ihrer Karriere. Zwar hat diese in der Musik begonnen. Monáe durfte sich über Prince selig als Mentor freuen und hat zumindest zwei viel beachtete Alben veröffentlicht, die im Afrofuturismus reüssierten. Wobei der Futurismus eher dekorativer Natur war und die Ideologie dahinter dem Panafrikanismus entspringt: einer Idee, die Unterstützung für die Leiden der Söhne und Töchter Afrikas in der meist zwangsweise erzeugten Diaspora anstrebte. Er ist eng mit der Aufarbeitung von Kolonialismus, Sklaverei und der US-amerikanischen Bürgerrechtsbewegung der 1960er-Jahre verbunden, in denen er boomte.

Mysteriöse Note

Dass diese oft mit persönlicher Wurzelsuche verbundene Idee nicht immer adäquate künstlerische Ergebnisse bringt, hat zuletzt Megastar Beyoncé gezeigt. Ihr diesbezüglich ambitionierter Musikfilm Black Is King strotzte vor Klischees. Statt wie anvisiert die "Vielfalt und Schönheit des schwarzen Kulturerbes zu feiern", bediente sich der Film derselben Klischees, die dem weißen Blick auf Afrika nachgesagt werden. Das Resultat war eine Ethno- und Kitschorgie – die lautesten Vorwürfe an Beyoncé kamen dabei aus afrikanischen Ländern.

Janelle Monáe - Lipstick Lover [Official Music Video]
Janelle Monáe

Monáe wiegt im schwarzen Pop nicht so schwer wie Beyoncé – niemand tut das –, ein prominenter Name ist sie aber allemal. Als Schauspielerin wurde sie in dem Oscar-gekrönten Film Moonlight populär, zuletzt war sie in Glass Onion: A Knives Out Mystery zu sehen.

In den sozialen Netzwerken und auf den Titelbildern vieler Hochglanzmagazine inszeniert sie sich als verführerische Frau. Mit Stolz zeigt sie wenig Stoff, steht für sexuelle Orientierung aller Art und versieht ihre Auftritte stets mit einer mysteriösen Note.

Verkümmerte Partymusik

Ihr viertes Album ist gewissermaßen ein Produkt jenes süßen Lebens, das sie scheinbar führt und genießt – und das hat sie sich hart erarbeitet.

Monáe ist 37 und stammt aus bescheidenen Verhältnissen in Kansas City. Ihre Mutter war Hausmeisterin, der leibliche Vater Lkw-Fahrer, ihr Stiefvater Briefträger. Früh begeisterte sie sich für Schauspiel und Musik, besonders für jene von Lauryn Hill. Über die Posse der Rapper Outkast wurde sie bekannter, 2007 veröffentlichte sie ihr erstes Soloalbum. Seit damals geht’s bergauf.

Janelle Monáe - Ooh La La (feat. Grace Jones) [Official Audio]
Janelle Monáe

Die Mischung aus Afrobeat, Hip-Hop und Reggae verfängt selten. Aufmerksamkeit generierten eher ihre Videos, in denen sie sich freizügig zeigt, mit Freundinnen und Freunden entspannt und sexy am Pool rummacht. In hochgeschlossenen Zeiten reicht ein nasses T-Shirt mit nichts drunter, um von Trendbegriffen ornamentiert als weit vorne eingestuft zu werden – selbst wenn die FKK-Freunde in der DDR das vor 40 Jahren auch schon erledigt hatten.

The Age of Pleasure ist ihr viertes Album. Der Arbeitsansatz lautete: Partymusik. Klingt gut, umgesetzt ist es das leider nicht. Zwar sollen alle Songs auf ihren Partys zur Feuerprobe im Einsatz gewesen sein. Nur was dort bestehen konnte, so heißt es, schaffte es auf das Album. Doch viele Stücke verkümmern im Status des Fragments, das Album dauert insgesamt nur knapp über 30 Minuten.

Interessant als Phänomen

Genau das macht The Age of Pleasure letztlich doch interessant – zumindest als Phänomen. Es verdeutlicht, dass ein progressives Image und hohe Zeitgeistwerte nicht automatisch besondere Kunst zeitigen. Hier ist der Fokus in den letzten Jahren zuungunsten der musikalischen Qualität verrutscht. Monáes neues Werk wirkt besonders halbgar, das konnte sie schon besser. Der Vibe ihrer Partys mag besonders sein, auf das Album findet er nicht.

Eine Diagnose, die auf viele Werke zutrifft, die zwar brav die Zeitgeistschablonen befüllen, aber es nicht vermögen, ein musikalisch überzeugendes Vehikel daraus zu erschaffen. (Karl Fluch, 26.6.2023)