ORF-Generaldirektor Roland Weißmann sieht sich mit der Klage einer Managerin konfrontiert, die sich nach sexueller Belästigung an einen inadäquaten Arbeitsplatz abgeschoben sieht.

Einen "adäquaten Job" sollte der ORF für jene Managerin finden, die das Unternehmen nach langjähriger Mitarbeit klagt, weil sie sich nach sexueller Belästigung an einen Arbeitsplatz abgeschoben sieht, der ihrer Meinung nach nicht ihren Fähigkeiten und Kenntnissen entspricht. Was ist ein adäquater Job? Dazu gingen am Montag beim Arbeits- und Sozial­gericht in Wien die Meinungen auseinander.

Keine adäquaten Stellenangebote

"Wir haben uns bemüht, Stellen anzubieten, aber es war nicht erfolgreich", sagt Anwältin Katharina Körber-Risak, die den ORF in dieser Causa vertritt. "Es sind keine adäquaten Stellenangebote gemacht worden", sagt Verena Kreiner, Rechtsbeistand der ORF-Managerin.

"Ist Bedarf da, noch zu reden, oder nicht?", will Richterin Monika Gaugl wissen. "Von unserer Seite gibt es die Bereitschaft zu einer Einigung", sagt ORF-Personalchef Werner Dujmovits. Den "Willen" dazu bekundet auch die klagende Partei. Die bisherigen Angebote seien aber nicht entsprechend: "Es geht um die dauerhafte Benachteiligung, darum, die Mandantin abzustrafen", bringt Kreiner vor. Weder eine Stelle bei der Tochterfirma ORS noch eine im Archiv seien für die Klägerin vergleichbar. Einen Willen für eine weitere Zusammenarbeit kann sie vonseiten des ORF nicht erkennen: Es gebe keine Zielvereinbarunng für sie, in einer Organisationsanweisung scheine sie gar nicht mehr auf.

Anspielungen, Angebote, übergriffige Bemerkungen

Dem Streit zugrunde liegt ein 2017 entbrannter Konflikt zwischen dieser Mitarbeiterin und einem ORF-Mitarbeiter, beide sind in Führungspositionen. Bei der Einvernahme der Managerin kommen Details der Zusammenarbeit zur Sprache, die das Ausmaß offenlegen. Es geht um unerwünschte Komplimente, Anzüglichkeiten, sexuelle Anspielungen, eindeutige Angebote und übergriffige Bemerkungen – hauptsächlich seien diese bei Abendveranstaltungen und Dienstreisen gefallen, schildert die Managerin. Sie spricht von einem "sehr abwertenden Frauenbild".

Nach ihrer Rückkehr aus der Karenz setzt der Mitarbeiter da an, wo er aufgehört hat, sie wehrt sich vehementer gegen die Übergriffe. Von da an ändert sich die Tonalität. Statt schmieriger Zweideutigkeiten folgen nun Mobbing und eindeutiges Bossing: "Ohne mich bist du nichts", habe der Kollege gesagt, sowie: "Ich bin der Chef, kapierst du es immer noch nicht!" Oder: "Du willst eh nur meinen Job." Zu Meetings wird sie nicht mehr eingeladen, bei Treffen schreit er sie an. Der Charakter der Person sei jedem im Haus bekannt gewesen, schildert die Managerin: "Das ganze Haus wusste, dass er seine Macht missbraucht hat."

Bossing

Sie wendet sich an die interne Gleichbehandlungskommission des ORF und an den ihr übergeordneten Hauptabteilungsleiter. Termine werden verschleppt, verschoben, sie wird vertröstet, hingehalten, es wird beschwichtigt. Ein Betriebsrat habe zu ihr gesagt: "Ja, er wisse das, er kenne den Kollegen, und der rede leider so."

"Es war wie ein nicht enden wollendes Martyrium", sagt die Managerin. Bei einer persönlichen Vorsprache beim damaligen ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz habe ihr dieser einen "Neuanfang" versprochen, er habe die "Drangsaliererei absolut unterschätzt". Passiert sei wieder nichts. "Mir wurde immer klarer, dass es keine Lösung geben wird." Eine Mediation wurde vereinbart, sei aber nie durchgeführt worden.

Verhandlung unterbrochen

Den später unterschriebenen internen Vergleich habe sie unter Zeitdruck unterschrieben, sagt sie heute. Doch zu dieser Aussage kommt es an ­diesem Montagvormittag nicht. Die Einvernahme kann nicht abgeschlossen werden. Die Verhandlung wird unterbrochen.

ORF-Generaldirektor Roland Weißmann sieht sich mit der Klage einer Managerin konfrontiert, die sich nach sexueller Belästigung an einen inadäquaten Arbeitsplatz abgeschoben sieht.
APA/Eva Manhart

Der Manager selbst räumt wie berichtet einen Konflikt ein, bestreitet aber, dass es zu einer Belästigung gekommen sei oder er sie respektlos behandelt habe. Er sei Ende 2021 über die Einstellung des Verfahrens mangels Beweisen informiert worden. Der Manager hat den ORF inzwischen verlassen.

Mehr als ein Dutzend Zeugen sind für drei Verhandlungstermine geladen, darunter der frühere ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz sowie der jetzige, Roland Weißmann. Nächster Verhandlungstermin ist der 21. August. Richterin Gaugl hofft noch immer auf eine Lösung: "Es ist noch nicht alles verloren. Sie dürfen sich immer noch einigen." Zumindest vorerst sieht es nicht danach aus. (Doris Priesching, 26.6.2023)