Zillertalbahn-Vorstand schrieb offenbar auch Doktorarbeit ab
Der Technikvorstand der Zillertaler Verkehrsbetriebe AG war zunächst beurlaubt, muss jetzt aber gehen.
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Jenbach/Innsbruck – Der wegen unrechtmäßigen Führens eines Doktortitels seit 2019 unter Beschuss geratene Technikvorstand der Zillertaler Verkehrsbetriebe AG hat nun zwei weitere Probleme: Eine neue, heuer an der Universität Riga in Lettland eingereichte Doktorarbeit ist offenbar nahezu ein komplettes Übersetzungsplagiat einer im Jahr 2020 an der Technischen Hochschule in Aachen genehmigten Dissertation. Zudem ist er seinen Job los. Sein Arbeitgeber reagierte Dienstagmittag auf das Bekanntwerden der neuen Vorwürfe. Aufsichtsratschef und ÖVP-Abgeordneter Franz Hörl teilte nach einer Sitzung mit, dass der Vorstand das Unternehmen verlassen müsse.

Auch als Geschäftsführer der im Mehrheitseigentum des Landes stehenden Achenseebahn muss er seinen Hut nehmen. "Aufgrund der schwerwiegenden Vorwürfe und des damit massiv geschädigten Vertrauensverhältnisses habe ich in meiner Funktion als Mehrheitseigentümervertreter der Achenseebahn GmbH bereits einen Rechtsanwalt damit beauftragt, das Dienstverhältnis mit dem Geschäftsführer fristlos und unverzüglich aufzulösen", ließ Tirols Verkehrslandesrat René Zumtobel (SPÖ) die APA wissen.

Vergangene Woche war der Technikvorstand bereits wegen des unrechtmäßigen Führens eines Doktortitels, angeblich "erworben" an der Universität Innsbruck, unter Beschuss geraten. Der Doktortitel war offenbar auch zu Unrecht in seinem Reisepass vermerkt. Er sei "zutiefst überrascht und konsterniert", sagte Hörl der "Tiroler Tageszeitung". Um weiteren Schaden abzuwenden, werde nun ein Schlussstrich gezogen. Trotzdem wolle er klarstellen, dass der Technikvorstand "einwandfrei gearbeitet" habe: "Daher und auch aus Respekt vor seinem Umfeld lehne ich überschießende Muskelspiele ab. Niemand muss jetzt ein Exempel statuieren." Bei der regulären Aufsichtsratssitzung am Montag werde "neu durchgestartet, um so schnell wie möglich einen adäquaten Nachfolger zu finden". Am eingeschlagenen Weg des Projekts Wasserstoffbahn ändere die Causa nichts, betonte Hörl nach einer Sitzung des Aufsichtsgremiums.

Dissertation offenbar Übersetzung einer fremden Arbeit

Das Vorstandsmitglied hat offenbar einfach kopiert und die ursprüngliche Dissertation über Mobilität im deutschen Landkreis Heinsberg in Nordrhein-Westfalen ins Englische übersetzt oder übersetzen lassen, berichtete die "Tiroler Tageszeitung": vom Inhaltsverzeichnis über den Forschungsgegenstand und die Analysen bis zu den angeblichen Interviewpartnern. Die deutschen Gemeinden und Städte wurden dabei mit den Orten im Zillertal ausgetauscht. In der Arbeit, die der APA vorliegt, geht es um die "Implementierung von Smart Mobility in ländlichen Regionen". Auch die Zillertalbahn als künftige "Wasserstoffbahn", als dessen Verfechter der Betroffene gilt, ist Thema "seiner" Doktorarbeit.

Auf die Schliche kam dem Zillertalbahn-Vorstand der als "Plagiatsjäger" bekannte Salzburger Kommunikationswissenschafter Stefan Weber. Dieser hatte "über Umwege", wie er sagte, ein Exemplar erhalten, nachdem das Vorstandsmitglied selbst die neue Dissertation aus Riga an eine Teilöffentlichkeit disseminiert habe, um seinen Anspruch auf den Doktortitel nach den ursprünglichen Vorwürfen nachzuweisen. Dabei stieß Weber auf Ungereimtheiten im empirischen Teil bei den Interviewpartnern.

"Ich habe das nahezu komplette Übersetzungsplagiat über Umwege mit der Plagiatssoftware Turnitin entdeckt", so der Wissenschafter. Das Plagiat erstrecke sich vom Inhalts- bis zum Literaturverzeichnis, urteilte Weber. Es handle sich um einen "schwerwiegenden Fall von Wissenschaftsbetrug, der alle Formen wissenschaftlichen Fehlverhaltens - Plagiat, Datenfälschung und Datenerfindung - auf einmalige Weise in sich vereint." Rund 22.000 Euro kostete laut Weber das Doktorat in Riga, das von der University of Salzburg Business School angeboten wird.

Vergangene Woche war bekannt geworden, dass der Technikvorstand der Zillertalbahn seit 2019 zu Unrecht einen Doktortitel führte. Dieser selbst bestätigte schließlich, dass er über den Anfangsprozess für eine Dissertation zum Thema Wasserstoff an der Universität Innsbruck nicht hinausgekommen war. Gleichzeitig verwies er darauf, dass er zwischenzeitlich ein Studium an der Universität Riga abgeschlossen habe. Es fehle nur noch die Verleihung der Doktorwürde.

Tiroler Opposition schießt sich auf Wasserstoffprojekt ein

Die Tiroler Opposition hatte jedenfalls nach Bekanntwerden der Vorwürfe personelle Konsequenzen gefordert und nahm die Causa zum Anlass, das Projekt Zillertalbahn als "Wasserstoffbahn", für das kürzlich von der ÖVP-SPÖ-Landesregierung der Grundsatzbeschluss gefallen war, infrage zu stellen. Das Vorstandsmitglied sei "nicht mehr länger tragbar", erklärte FPÖ-Chef Markus Abwerzger und fügte hinzu: "Wir fordern die vorläufige Einstellung sämtlicher Förderungen seitens des Landes und eine Untersuchung der Mittelverwendungen in den vergangenen Jahren." Abwerzger ortete die Gefahr, dass die Causa "Wasserstoffbetrieb der Zillertalbahn" zu einem "unermesslichen Problemfall" werden könne.

Liste-Fritz-Klubobmann Markus Sint verlangte ebenfalls den Abgang des Vorstandes und ortete einen "Kriminalfall". Der Betroffene sei "unmittelbar und federführend" mit dem millionenschweren Wasserstoffzugprojekt der Zillertaler Verkehrsbetriebe beschäftigt und betraut gewesen. Das "millionenteure Wasserstoffzugprojekt" der Zillertalbahn müsse komplett neu bewertet werden, so Sint.

Grünen-Chef Gebi Mair sah einen "Dr. Schmalspur" und nahm den Zillertalbahn-Aufsichtsratschef, ÖVP-Abgeordneten und Wirtschaftsbund-Obmann Franz Hörl ins Visier, dessen "Lieblingsprojekt" die Wasserstoffbahn sei. "Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht, und wenn er auch die Wahrheit spricht. Franz Hörls Projekt Wasserstoffbahn im Zillertal beruht von Anfang an auf einer großen Lüge", meinte Mair in einer Aussendung. 

Das Land hatte sich bereits vergangene Woche gegen die Vorhaltungen der Opposition verwahrt. Die Wasserstoff-Entscheidung habe einzig und allein auf unabhängigen Gutachten eines internationalen Unternehmens basiert, und nicht auf der nicht beendeten Dissertationsschrift des Vorstandsmitglieds, hatte es geheißen. (APA, red 27.6.2023)