In Pietro Viscovichs Küche gelten andere Dimension als in gewöhnlichen. Die pürierten Himbeeren stehen nicht in einer Schüssel, sondern in einem großen Eimer bereit. Der Messbecher, in dem sich bereits Wasser und Fruchtzucker befinden, fasst mehrere Liter anstatt des haushaltsüblichen halben. Und das Emulgiergerät, eine Art Mixer, mit dem Viscovich beide gleich zu Sirup vermengen wird, lärmt so ohrenbetäubend, dass man sich eigentlich nicht unterhalten kann.

Der gebürtige Italiener versucht es trotzdem. "Das beste Eis ist einfach das, das man zu Hause macht", ruft er. Eine gewagte Aussage für jemanden, der davon lebt, dass Menschen auswärts Eis essen.

Geschadet hat ihm seine Offenheit bisher nicht. Mittlerweile zehn Jahre betreibt der 56-Jährige im ersten Bezirk den Eissalon Ferrari Gelato – erst in der Krugerstraße, seit 2018 in der Annagasse. 20 bis 30 Sorten hat er im Angebot, zwischen 200 und 300 Kilo verkauft er im Schnitt an warmen Tagen, um drei Euro pro Kugel. Produziert wird direkt im Geschäft. Auf eine Art und Weise, die selbstgemachtem Gefrorenem möglichst nahe kommen soll – und aus Viscovichs Sicht langfristig aussterben könnte.

Pietro Viscovich mixt das Sorbet zusammen. Im Hintergrund werken seine Mitarbeiter – und die Eismaschinen.
Regine Hendrich

Der Grund: "Die Qualität zu halten und trotzdem eine Marge zu haben ist extrem schwierig." Am Produkt zu sparen komme für ihn aber nicht infrage: "Nur das Beste ist gut genug für meine Gäste." Nachsatz: "Und für mein Ego." Denn immerhin gebe er mit dem Produkt einen Teil von sich selbst weiter.

Mit oder ohne "fremde Hilfe"?

Der Sirup ist fertig. Viscovich leert die dickliche Flüssigkeit in den Himbeereimer und schabt den Messbecher mit einem Spatel aus. Alles zu erwischen sei wichtig, damit das Verhältnis zwischen Sirup und Frucht am Ende stimme. Vor und hinter Viscovich huschen Mitarbeiter herum, hantieren mit Geräten, suchen Utensilien – ein kleines Chaos, fast wie in so mancher Haushaltsküche.

Für jedes Sorbet gibt es eine eigene Siruprezeptur. Sie wird, abhängig von der Süße der jeweiligen Früchte, von Saison zu Saison angepasst. Anhand von Details wie diesen wird klar, was Viscovich meint, wenn er betont, dass es sich bei seinen Erzeugnissen um echtes handwerklich hergestelltes Eis handle. Im Unterschied zu besserem Industrie-Eis, das mitunter wie Manufaktur-Eis daherkomme. Und dieser Unterschied ist Viscovich wichtig.

In der Eismaschine wird die Masse gerührt und gekühlt – das dauert 20 bis 30 Minuten.
Regine Hendrich

Zentrales Merkmal für Handwerk und Qualität ist laut dem Eismacher das verwendete System. Wird das Eis, für den Kunden gut sichtbar, in einer Vitrine präsentiert, erfordere das mehr "fremde Hilfe", wie Viscovich sagt. Er meint: Zusatzstoffe, die erlauben, in den Wannen üppige Eisberge aufzutürmen, und die dafür sorgen, dass das Eis in den Wannen nicht zusammenfällt. Derartiges Eis sei meist geschleudert – ein Vorgang, der Luft in die Masse bringt: "Die kostet nichts, sie schmeckt aber auch nicht", sagt Viscovich. Eine Schummelei? So würde Viscovich das nicht nennen. "Ich würde sagen: Es ist eine Entscheidung."

Individuelle Basis

Er selbst hat sich gegen das Schleudern entschieden – und für das pure Rühren. Das erledigen drei Eismaschinen: Die Himbeermasse wird in einen kleinen Bottich gefüllt und der in einer der Maschinen versenkt. Während ein Rührstab in der Mitte des Bottichs und ein Spatel am Rand das Gemisch in Bewegung halten, wird es heruntergekühlt.

Nach 20 bis 30 Minuten wird es in zylinderförmige, silberfarbene Gefäße – Eismacher sagen Pozzetti dazu – umgefüllt. Diese kommen in die Theke im Verkaufsraum und werden mit einem Deckel verschlossen. Der Inhalt ist nicht sichtbar, "fremde Hilfe" braucht es bei diesem System daher kaum.

Mit großen Spateln wird das Eis von der Maschine in Gefäße gefüllt – und in den Verkaufsraum gebracht.
Regine Hendrich

Die Cremeeisproduktion folgt demselben Ablauf – allerdings mit einem anderen Grundstock. Sechs verschiedene Cremeeisbasen hat Viscovich entwickelt. Ihre Gemeinsamkeit: der sogenannte Milchsatz, ein Mix aus erhitzter Kuhmilch und Zucker – der mit anderen Zutaten verfeinert wird. Für die nächste Ladung Stracciatella steht bereits ein Töpfchen geschmolzene Schokolade bereit. Sie wird während des Rührens in die kalte Masse getropft. So entstehen größere und kleinere Schokostückchen – laut Viscovich ein Indiz für Handwerk, während gleichförmige Drops auf Industrieproduktion hindeuteten.

Zu heiß fürs Eis

Eismachen hat er in Italien gelernt, von einem befreundeten Eissalonbesitzer in Bologna. "Das war aber nur der erste Schritt. Ich musste auch viel selbst lernen – wie ein Koch." Interesse am Eismachen wurde bereits in Viscovichs Kindheit geweckt. Direkter Nachbar des Schuhgeschäfts seiner Eltern in Triest war ein Eissalon mit eigener Produktion: "Der Inhaber, ein alter Opa, hat mich immer die Maschinen ausschlecken lassen." Heute ist Eisessen eine berufliche Notwendigkeit – an der sich Viscovich aber keinesfalls stört: "Kosten ist eine Art von Qualitätskontrolle."

20 bis 30 Sorten Eis hat Gelato Ferrari im Angebot, eine Portion kostet drei Euro.
Regine Hendrich

Ferrari heißt Viscovichs Eissalon übrigens deshalb, weil seine Ex-Frau diesen gängigen italienischen Nachnamen trug. "Das haben wir genutzt, immerhin ist es die bekannteste italienische Marke. Und wir wollten von Anfang an Produkte für die Pole-Position." Dafür seien auch die richtigen Zutaten entscheidend. Außerhalb Wiens hat Viscovich ein größeres Lager für Trockenfrüchte, Nüsse und Obst. Vieles davon wird aus Italien angeliefert – die Pistazien etwa aus dem sizilianischen Städtchen Bronte am Fuße des Ätna. Himbeeren und andere Früchte kauft Viscovich gefroren. Warum keine Frischware? Die sei schwer zu bekommen. Entscheidend sei, dass das Obst reif geerntet werde – und das sei bei Tiefkühlware der Fall. Weiterer Garant für guten Geschmack: Gutes Eis habe einen hohen Zutaten- und einen geringen Wasseranteil.

Nach etwa 20 Minuten ist das Himbeersorbet essbereit – die ersten Kunden warten bereits darauf. 18 bis 19 Grad Außentemperatur gelten unter Eismachern als Untergrenze, um die Lust der Wienerinnen und Wiener auf Eis zu wecken. Ob es auch eine Obergrenze gebe? Für die Innenstadt indirekt ja: "Ab 30 Grad fahren die Leute lieber hinaus ans Wasser. Dann ist bei uns im Geschäft weniger los."

Für dieses hat Viscovich große Pläne. Vorne gibt es bereits eine Art Konditorei- und Barbereich, hinten wurde ein Pizzaofen eingebaut. Den will Viscovich bald aktivieren – und Sauerteigpizza servieren. Ziel sei es, in der Annagasse Italien nicht nur in Form von Produkten anzubieten, sondern auch einen Treffpunkt zu etablieren. In Form eines Chaos, wie man es aus italienischen Bars kennt. Und ein wenig aus der Eisküche. (Stefanie Rachbauer, 27.6.2023)