Flora Mory aus Brüssel

Dass es EU-Budgetkommissar Johannes Hahn mit der von ihm angestrebten EU-Budget-Erhöhung um rund 66 Milliarden Euro bis 2027 nicht leicht haben wird, haben die Reaktionen der vergangenen Tage gezeigt. Allen voran lehnten Bundeskanzler Karl Nehammer sowie sein ÖVP-Parteikollege Finanzminister Markus Brunner zusätzliche Beitragszahlungen für den EU-Haushalt ab. Für Österreich geht es zwischen 2024 und 2027 um 480 Millionen Euro jährlich. Auch in anderen EU-Ländern stieß der Vorstoß, wie berichtet, auf Skepsis. 

EU-Budgetkommissar Johannes Hahn
Johannes Hahn ist zuversichtlich, was die Erhöhung des EU-Budgets betrifft.
IMAGO/ABACAPRESS

Dennoch zeigte sich Hahn am Dienstag vor Journalistinnen und Journalisten in Brüssel zuversichtlich. Er geht demnach zwar von zähen Verhandlungen mit den Mitgliedsstaaten aus (sie müssen der Budgeterhöhung allesamt zustimmen), doch nach Darstellung Hahns sei die Haushaltsaufstockung jedenfalls unerlässlich. Nicht zuletzt wegen des russischen Angriffs auf die Ukraine.

Krieg nicht vorhersehbar

"Der Krieg mit all seinen Folgen war zum Zeitpunkt der Beschlussfassung des EU-Finanzrahmens 2020 nicht vorhersehbar", sagt Hahn zur Begründung der fehlenden Mittel zur Halbzeit des aktuellen Budgets, das den Zeitraum von 2021 bis 2027 umfasst. Es bedürfe weiterer Mittel zur Unterstützung der Ukraine, so Hahn, der zugleich auf die ungebrochene Bereitschaft aller 27 EU-Finanzminister verwies, Kiew zu helfen, solange der Krieg andauert.

Konkret sieht Hahns Budgetvorschlag rund 17 Milliarden Euro an direkten Zuschüssen für die Ukraine vor. Darin enthalten sind auch die jährlich anfallenden Kreditzinsen, die die EU-Mitgliedsstaaten für die Ukraine übernehmen. Seit dem Frühjahr wird monatlich ein Kredit von 1,5 Milliarden Euro an die Ukraine ausgezahlt, erinnert Hahn, der damit statt des "Hiccups" an Hilfszusagen für einen stetigen Mechanismus sorgen wollte. 

Notbetrieb

Insgesamt 33 Milliarden Euro an Krediten soll die Ukraine bekommen, um weiter Löhne, Pensionen und für Krankenhäuser und Schulen zahlen zu können. Für den Wiederaufbau reicht diese Summe nicht, nur um den Notbetrieb der Ukraine für 22 Monate beziehungsweise rund zwei Jahre im Kriegszustand abzusichern. Die Kalkulation zeigt auch, dass die EU-Kommission wohl noch mit zwei Jahren Krieg rechnet. Ab dem Jahr 2033 muss die Ukraine mit der Rückzahlung beginnen. Dafür hat sie dann 35 Jahre Zeit.

Neben Direktauszahlungen für Kiew geht die EU-Kommission mit ihrem Budgetvorschlag von 66 Milliarden Euro auf die Folgen des Krieges, Migration und Wettbewerbsfähigkeit ein. So seien mit der Inflation und der Zinswende die Ausgaben der EU gestiegen, nicht aber die Einnahmen, erklärt Hahn. Konkret teilen sich die Budgetforderungen wie folgt auf:

  • 17 Milliarden Euro an Zuschüssen für die Ukraine (die 33 Milliarden Euro an Darlehen werden nicht zur Budgetaufstockung gerechnet, da sie geliehen werden);
  • 15 Milliarden Euro mehr sollen für Migration und Nachbarschaftspolitik ausgegeben werden (Grenzschutz, Migrationspakt mit der Türkei, Katastrophenschutz, Projekte in Afrika);
  • 10 Milliarden Euro mehr für Wettbewerbsfähigkeit;
  • 19 Milliarden Euro zur Deckung eines Anstiegs der Zinszahlungen auf EU-Schulden bis 2027;
  • 3 Milliarden Euro für "Flexibilitätsinstrumente", ein Geldtopf für unvorhergesehene Ausgaben in schlechten Zeiten;
  • 1,9 Milliarden Euro für höhere Verwaltungskosten der EU.

Vorschlägen von Kritikern, die Mittel durch eine "Umschichtung" des bestehenden Budgets lockerzumachen, erteilt Hahn mit den Worten "good luck" eine Absage. Rund 99 Prozent des aktuellen Budgets seien längst bestimmten Zwecken zugeteilt, sagte Hahn. Die größten Töpfe stellen dabei die begehrten Agrarhilfen und die Regionalentwicklung dar. Sie wurden von den Änderungsvorschlägen für das Budget ausgenommen, wohl um Verwerfungen zwischen Mitgliedsstaaten zu vermeiden. 

Eigene Einnahmen

In diesem Zusammenhang plädierte der EU-Kommissar dafür, "vor den Realitäten nicht die Augen zu verschließen". Hahn mahnte auch Tempo ein, es bleibe "nur zwei bis drei Monate Zeit zur Beschlussfassung".

Dass die EU künftig neue eigene Einnahmen ("Eigenmittel") eintreiben könnte, stellte Hahn erst für die nächste Finanzierungsperiode ab 2028 in Aussicht. Der EU-Emissionshandel (ETS), eine Art Importsteuer (CBAN) für Produkte, die außerhalb der EU mit niedrigeren Standards hergestellt werden, und drittens eine Unternehmensabgabe von 0,5 Prozent der Bruttobetriebsergebnisse könnten dann rund 36 Milliarden Euro einbringen. (Flora Mory aus Brüssel, 27.6.2023)