"Porcelain Car No. 2" nennt der Chinese Ma Jun sein aus Ton modelliertes Auto im Vordergrund – dahinter Malerei von Alfred Klinkan.
Museum Liaunig / Ma Jun, Alfred Klinkan

Es hat mit dem chinesischen Mondkalender nur vordergründig zu tun. Wir stehen im Jahr des Hasen, und Hasen-Geborene sind unter den vier Himmelsrichtungen dem Osten angeblich am engsten verbunden. Trotzdem verdankt sich die heuer im Südkärntner Museum Liaunig präsentierte Gegenüberstellung aktueller fernöstlicher und westlicher Kunst weniger dem Kalender, als vielmehr dem Umstand, dass die österreichische Kunsthistorikerin und Ausstellungsgestalterin Alexandra Grimmer, selbst übrigens geboren im Drachen-Jahr 1976, Chinas gesellschaftliche Realität ab 2009 aus jahrelangem persönlichen Erleben kennt.

Aber natürlich auch Europa – was in der Ausstellung Follow the Rabbit in eine faszinierende Zusammenschau zweier Welten mündet, die kulturgeschichtlich wie ästhetisch aus komplett unterschiedlichen Traditionen kommen und die bei genauerer Betrachtung in vielen Fällen dennoch die frappantesten Ähnlichkeiten aufweisen.

Zeit der Sorge

Die Entdeckung der modernen chinesischen Kunst ist nicht ganz neu. Die diesbezüglichen Initiativen, von der von Harald Szeemann kuratierten Biennale in Venedig 1999 über die Ausstellung China now im Essl-Museum in Klosterneuburg 2006/07, sind "in Zeiten allgemeiner Abgrenzung und Sorge sowie erschwerten internationalen Austauschs" (Grimmer) aber schwieriger geworden. Auch sind sie, wohl aufgrund der politischen Entwicklungen, zur Sichtung der chinesischen Kunstproduktion ab 2010 noch gar nicht vorgedrungen.

Hier setzt Grimmer ein. In die, wie gesagt, oft geradezu verblüffende Beziehung zu Highlights der Sammlung Liaunig werden rund 40 zeitgenössische Arbeiten jüngerer chinesischer Künstlerinnen und Künstler gesetzt, großteils aus der ursprünglich in China beheimateten, mittlerweile aber in Wien stationierten, von Alexandra Grimmer selbst geleiteten Kollektivsammlung Blue Mountain Contemporary Art (BMCA). Von den ersten zwei Werken der Ausstellung an, der riesigen Barrikadengrafik Christian Schwarzwalds und den ebenfalls raumgreifenden linearen Wucherungen der Chinesin Shi Jiongwen, als Enlargement betitelt, was sich in dem Fall wohl am besten mit "Ausbreitung" übersetzen lässt, ist das alles sehr kritische Kunst.

Sanfte Ruhe

Hinterfragt wird die Realität, mit der wir global konfrontiert sind, wo immer wir zufällig geboren wurden. Was Grimmer gerne in den schönen Satz kleidet: "Was ich mit China verbinde, ist der Kontakt mit den Menschen."

So asiatisch haben Meina Schellanders sonnenbeschirmte Figur Jota (1997), aber auch ihre eigentlich ganz auf Kärnten gemünzte, plötzlich auch auf China beziehbare große Installation Ruhe sanft – Du blaues Land aus dem Jahr der Wiederwahl von Landeshauptmann Jörg Haider noch nie gewirkt.

Ausstellung
Blick in die Ausstellung "Follow the Rabbit".
Museum Liaunig

Peter Krawagna wird mit seinen Drachenfliegern zum Kalligrafen der menschlichen Überhebung. Hatte Maria Lassnig in ihren Tiereinfühlungen chinesische Anwandlungen? Auf welchem sehr asiatisch anmutenden Berggipfel stehen denn Siegfried Anzingers Frauen im Gebirge mit Papagei? Oder seine Kletterer am Zylinder? Was sucht Max Peintners Selbstbildnis als Caspar David Friedrich in einer Hokusai-würdigen Brandung?

Alles so schön bunt

Und wenn in China Erholung in der Natur gesucht wird, wie 2010 auf einem großen Fries von Huang Min, was ist da der Unterschied zu Alois Mosbachers Gepäck im Wald von 2002 oder auch schon Franz Lerchs Treibholz von 1960? Die korrespondieren auf der anderen Seite auch mit einer 60 Jahre jüngeren, auf den Kopf gestellten nächtlichen Wasserspiegelung von Zhang Wuyun. Es gibt auch Ausnahmen: Gunter Damischs Pflänzlerrotfeld von 1999 ist noch viel fernöstlicher, als es überhaupt möglich scheint. Und Erwin Wurms Fat Car von 2004 ist zwar nicht so bunt, aber dafür wenigstens um fünf Jahre älter als das Porcelain Car No. 2 von Ma Jun. Trotzdem: Keiner der beiden Künstler hat dem anderen etwas abgeschaut. Beide kannten nur dieselbe Welt. (Michael Cerha, 28.6.2023)