Yung Hurn
Yung Hurn, der Wiener Volksheld für verstrahlte junge Leute von heute, live bei einem Konzert im Sommer 2022.
APA/FLORIAN WIESER

In Teilen der sogenannten Erwachsenenwelt mag zurzeit wohl der Teufel ein Bild an die Wand malen, das schlimmer nicht geht: Sprich, man schickt die Tochter oder den kleinen Prinzen im guten Glauben zum Studieren in die große Stadt – und schon bald kommen die Gfraster an den Wochenenden zum Wäschewaschen und Geldholen heim und geben sich plötzlich als Feministen und Marxistinnen aus!

Es kann aber noch schlimmer kommen. Vielleicht haben sie bei einem Konzert von Yung Hurn auch etwas noch viel Ärgeres gelernt – und lernen tut man ja sowieso immer, auch wenn man es auf der Uni grad ein oder drei Semester lang gar nicht möchte. Mit müdem Blick und überhaupt einer generell provokanten physischen und geistigen Schlappheit ausgestattet, die Leute unfassbar aggressiv machen kann, die in der Früh schon um sechs Uhr dem Tod agil von der Schaufel springen wollen, wird Einblick in die Schublade des Schreibtischs im Jugendzimmer gegeben. Es geht hier um Drogen!

Mutter, der Mann mit dem Koks ist da

In einer gut einstündigen Unterrichtseinheit zählte der aus dem Flächenbezirk Donaustadt kommende Rapper Yung Hurn alias Julian Sellmeister beim Hip-Hop-Festival Not Afraid vor 8.500 Leuten im alten Fabriksareal der Metastadt in Stadlau auf, was man an diversen Substanzen legal nur aus dringenden Gründen bekommt. Das Zeug wird sonst in der Palliativmedizin, bei schweren Depressionen, Angstattacken oder dann eingesetzt, wenn brandschatzende Söldnergruppen auf ein Himmelfahrtkommando geschickt werden.

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Vor einem Bühnenhintergrund mit verstrahltem blauem Himmel, saftiger grüner Wiese, lustig umherbrummenden Insekten, einem Dollarzeichen als Grenzstein zum Nachbargrundstück und einem weißen Pferd mit fliehender Mähne wurde sein Hit Y. Hurn wieso? zum besseren Merken auch gleich zweimal von einem Mann hinter einem Laptop abgespielt. Davor schossen Flammen aus dem Bühnenboden, und Yung Hurn quäkte sich im Fußballdress und mit Fellmütze gestylt durch seine oft nur von wuchtigen Beats, krampflösenden Bässen und La-le-lu-Melodien geprägten, genialisch minimalistischen Autotune-Tracks: "Yung Hurn, wieso machst du das? Wieso sagst du das? Wieso bist du so gemein? Yung Hurn, wieso bist du so? Wieso ziehst du Koks? Ich geh' gleich zur Polizei."

Enthusiastisch mit Vuvuzela-Sounds und Katastrophenalarmsirenen aus dem Laptop gefeiert wurden auch alte von 2018 stammende Klassiker wie Ponny: "Sie macht Sport, ja, sie hat gute Kondi. Kleine Bitch reitet so wie ein Pony." Das Liebeslied Diamant ("Mein Körper, dein Körper …") ist für die weitere Karriere allerdings zielführender. Yung Hurn hat 2021 einen fetten Plattenvertrag mit dem legendären Plattenlabel Atlantic unterschrieben. Die wollen vielleicht den bösen aufsässigen und unwilligen Buben haben, der schon zum Frühstück Panzerschokolade und ein ganzes Crackhouse frühstückt. Aber leichter (und ein wenig langweiliger) handelbar wird es der heute 28-Jährige einmal haben, wenn er so wie sein Berliner Kollege Sido im Vorprogramm den geläuterten bösen Ungustl gibt.

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Sido ist 42 und hat dem Schnupftabak mittlerweile abgeschworen. Mit blendend guter Laune (und natürlich pflichtschuldigen Witzen über Till Lindemann) ausgestattet steht er auf der Bühne und muss neben Liebesliedern wie Tausend Tattoos immer noch zugeballerte Hits wie Mein Block oder den Arschficksong geben. Okay, solange er nicht das Arbeitereinheitsfront-Lied anstimmt, ist allet jut. Der Mann besuchte schließlich noch in der DDR die Volksschule. Aus dem wird kein Marxist mehr werden.

Zum Abschluss (und nach einem erheblichen Publikumsaustausch) spielte noch der von seinen Tattoos her gut durchdeklinierte US-Emopunk- und Yello-Page-Rapper Machine Gun Kelly den "Bad Boy". Bekannt ist der Mann vor allem durch seine On-off-Beziehung mit Hollywoodschauspielerin Megan Fox. Yung Hurn befahl uns allerdings zuvor mit ungebührlichen Worten, den Maschinengewehrmann nicht zu beachten. Wer möchte da widersprechen? Ok cool. (Christian Schachinger, 28.6.2023)