Pink im Wiener Ernst-Happel-Stadion. Oder im Wurstelprater. Die Grenzen waren fließend.
Pink im Wiener Ernst-Happel-Stadion. Oder im Wurstelprater. Die Grenzen waren fließend.
APA/ALEX HALADA

Der DJ gab bereits die Richtung vor. Der nannte sich Kid Cut Up und rockt ausdrucksstark jede Ü50-Party per Knopfdruck und Show-Scratching. Kid Cut Up ist so eine Art Ö3-DJ aus dem Ausland - blondiert, spitzen Laune - und hielt das Publikum warm, bevor Pink (oder P!nk) die Bühne betreten sollte. Er böllerte die Spider Murphy Gang aus den Boxen, vermischt mit Gnarls Barkley oder Peter Schilling - völlig losgelöst, der Typ, aber passend, wenn man sich die euphorischen Reaktionen des Publikums ansah.

Und er passte zu Pink. Die ist gewissermaßen Formatradio auf zwei Beinen. Plus ein paar Kanten und Ecken, für die das Stromlinienradio nicht so bekannt ist. Doch ihr Mainstream-Pop ist massenkompatibel. Wie breit das Publikum da erreicht wird, ließ sich am Samstagabend im Wiener Ernst-Happel-Stadion schon anhand der T-Shirts des Publikums ermessen: Da gab es Helene Fischer Ultras, die Foo Fighters trug ein anderer auf der Brust. David Bowie hier, ein H&M-Nirvana-Leiberl dort. Selbst das aktuelle Nova Rock-Shirt stand gespannt herum. Alle waren sie gekommen, Pink zu schauen. Und sie kam.

Die gütige Herrscherin und ein paar ihrer Lakaien.
Die gütige Herrscherin und ein paar ihrer Lakaien.
APA/ALEX HALADA

Zuerst via Bildschirm, als Max Headroom Inkarnation. Headroom war ein digitaler Fernseh-Moderator Mitte der 1980er, etwas, was damals Cyber-Punk genannt wurde. Alte Menschen von zehn bis frage nicht jubelten, dann kam sie endlich und wartete höflich. Nämlich so lange, bis alle gecheckt hatten, dass der Star des Abends hoch über der Bühne zwischen der grafischen Darstellung zweier fletschender Zahnreihen aufgetaucht war.

Von dort Bungee-jumpte die 43-Jährige kopfüber in die Show. Jubel. Supa. Dazu ertönte pflichtschuldig Get The Party Started. Das ist einer ihrer größten Hits, dem dieser Startplatz eingeschrieben ist - im Zugabenblock ergibt er keinen Sinn mehr.

40 weiße Zähne

Die Show sollte in den nächsten zwei Stunden wie ein Außenposten des Wurstelpraters wirken, denn Pink befand sich nicht selten auf irgendwelchen Seilen und Kabeln, kopfüber lächelnd über dem Publikum, drehte Pirouetten und schlug Salti. Ein Star in der Manege. Glitzerkostüm, ein 40 Zähne-Grinsen, weiß wie die der Frau Doktor in der Zahnpasta-Werbung. Und ihrer Frisur: Eine Mischung aus Elvis und Ottakringer-Uppercut in Silberblond, die ihr Tomboy-Image unterstreicht.

Das Konzert am Samstag war der erste in Wien, heute Sonntagabend gibt es eine zweite Show, Restkarten sind noch zu haben.

Pink in Pink.
Pink in Pink.
APA/ALEX HALADA

Pink ist einer der größten Popstars der letzten 25 Jahre. Sie löste fließend die Generation Britney Spears ab, mit einem kantigeren Image und dem Vorteil, tatsächlich singen zu können. Die als Alecia Beth Moore im US Bundesstaat Pennsylvania geborene Sängerin begann in einer Girl Group, debütierte solo im Jahr 2000 und hätte Ende 2001 schon wieder in Pension gehen können.

In dem Jahr erschien ihr Album Missundaztood und katapultierte sie in den Rang des Superstars, das Album verkaufte sich wie blöd. Bis heute soll sie 60 Millionen Alben verkauft haben und mehr als noch einmal so viele Singles. Natürlich machte Pink weiter.

Gene Simmons und die Höhenangst

Ihre aktuelle Tour heißt Summer Carnival, und das beschreibt, was passiert: Im Setting einer Südseeinsel schwirren halbnackte Tanzlakaien um Pink herum, die umgarnen ihre Chefin, heben und stemmen sie, knien brustmuskelstark vor ihr. Aber sie ist eine gütige Herrscherin und lässt nicht nur arbeiten, sondern macht selbst. Und das in Plateauschuhen, die Gene Simmons Höhenangst bescheren würden. Das ist der mit dem langen Schlecker von der Gruppe Kiss, der selbst nie unter drei Stockwerke hoch die Bühne betritt.

Etwas Synchrontanz hier, ein Ausflug auf den Laufsteg, Luftakrobatik beim Song Turbulence. Dazwischen ein Balladen- und Plauderteil, in dem sie über Lieder parlierte, die sie gerne geschrieben hätte. Zum Beispiel Du Hast von Rammstein. Interessant.

Ein Auftritt wie ein Cluburlaub.
Ein Auftritt wie ein Cluburlaub.
APA/ALEX HALADA

Gespielt hat sie es nicht, dafür dilettierte sie am Flügel, unter Zuhilfenahme von Schokolade, durch Bob Dylans Make You Feel My Love. Das Kleinod Cover Me in Sunshine gab sie im Verein mit ihrer Tochter, What About Us als EDM-Wumme, wie vom Autodrome drüben aus dem Prater entwendet, später den Titelsong ihres aktuellen Albums Trustfall. Alles stets routiniert begeistert, stellenweise routiniert nachlässig was routinemäßig Charme zeitigte. Der versprochene Summer Carnival wurde eingelöst: Ein Auftritt wie ein Cluburlaub. (Karl Fluch, 2.7.2023)