St. Pölten – Für die niederösterreichische ÖVP war es eine enttäuschende Wahl: Im Jänner rutschte die Volkspartei von 49,6 auf rund 39,9 Prozent ab und verlor damit ihre absolute Mehrheit in Landtag und Landesregierung. Eine Zäsur für die Volkspartei, hatte sie doch jahrzehntelang in Niederösterreich ohne Koalitionspartner regiert.

Nun, fünf Monate nach der Wahl, versucht sich die ÖVP ein neues Gesicht zu geben. Bisher war die Volkspartei auf einen "Miteinander-Kurs" bedacht – alle Parteien sollten möglichst in die Regierungsarbeit inkludiert werden. Auseinandersetzungen seien in der Vergangenheit bewusst vermieden worden, betonte Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) am Mittwoch bei einem Hintergrundgespräch. Dieser Kurs habe ausgedient, heißt es nun aus der Partei. Die Marschrichtung sei ab sofort eine andere: Die ÖVP wolle "mehr Kante" zeigen gegenüber "Ideologen und Träumern", sagte Mikl-Leitner. "Viel Unsinn" komme laut der Landeschefin aktuell von den linken und rechten Rändern. Die Debatten würden nur von jenen geführt, "die einfach laut sind". Nun sei es an der Zeit, "Politik für die Vernünftigen und Normaldenkenden" zu machen.

Inhaltlich will sich die ÖVP dafür klarer auf die Seite der Arbeitenden, der Besitzenden und der Familien stellen. Dafür soll es etwa in den kommenden Monaten eine Neuaufstellung der Wohnbauförderung und einen Ausbau der Pflege- und Betreuungseinrichtungen in Niederösterreich geben.

Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) im Sitzungssaal des Landtags in St. Pölten.
Die ÖVP unter Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) gibt sich eine neue Marschrichtung vor.
Foto: Christian Fischer

Klares Nein zu Vermögenssteuern

Für die Zusammenarbeit mit der SPÖ, die wegen des Proporzsystems in der Regierung mit ÖVP und FPÖ sitzt, ist die neue türkise Stoßrichtung eine klare Erschwernis. Den SPÖ-Forderungen erteilte Mikl-Leitner eine deutliche Absage: Vermögens- und Eigentumssteuern werde es mit der Volkspartei nicht geben – eine Jobgarantie für arbeitslose Menschen, die der rote Landesrat Sven Hergovich umsetzen will, bezeichnet sie als nicht "machbar". Die bisherige Zusammenarbeit mit der SPÖ sei problematisch gewesen: Das Verhältnis zu Gesundheitslandes­rätin Ulrike Königsberger-Ludwig (SPÖ) sei zwar "konstruktiv", jenes zu Parteichef Hergovich "äußerst schwierig".

"Überzeugte Europäer"

Eine deutliche Abgrenzung versucht die ÖVP auch zum rechten Rand. Es sei klar, dass "wir überzeugte Europäer" sind und "wir auf der Seite der Mediziner sind und nicht an das Pferdeentwurmungsmittel glauben", betont Mikl-Leitner – eine Spitze gegen FPÖ-Chef Herbert Kickl, der statt der Corona-Impfung tierische Medikation empfahl. Die inhaltliche Neuausrichtung sei aufgrund der "unglaublich vergifteten" Stimmung notwendig. Das Vorhaben war zuvor am Dienstag bei einer Konferenz mit rund 400 Parteifunktionärinnen und -funktionären in St. Pölten vorgestellt worden. (Max Stepan, 28.6.2023)