Eine Kugel wird in ein Roulette-Rad in einem Casino eingeworfen.
In Österreich darf nur Win2day Online-Glücksspiel betreiben. Anbieter wie Bwin müssen Verluste zurückzahlen.
REUTERS / Toru Hanai

Am Anfang waren es nur kleine Beträge, dann wurde es immer mehr. Irgendwann nahm sich Klaus Berger sogar Konsumkredite auf, um seine Spielsucht weiter zu finanzieren. Als nichts mehr ging und er vor dem Ruin stand, erfuhr seine Frau von sogenannten Spielerklagen. Sie engagierte Anwalt Sven Thorstensen und holte ihrem Mann die Verluste zurück. Für Berger, der eigentlich anders heißt, war das die Chance auf einen Neubeginn. "Viele Spielsüchtige laufen ihren Verlusten nach und spielen umso mehr", sagt Thorstensen. "Eine Klage kann diese Abwärtsspirale unterbrechen."

Dass es diese Möglichkeit überhaupt gibt, hat mit einem von mehreren bahnbrechenden Urteilen des Obersten Gerichtshofs (OGH) aus dem Jahr 2021 zu tun. Eine Burgenländerin erlitt damals Spielverluste von über 70.000 Euro und zog gegen den Betreiber eines Online-Kasinos vor Gericht. Mit Erfolg: Laut dem Höchstgericht darf hierzulande nur Win2day, eine Marke der Casinos Austria, Onlineglücksspiel anbieten. Verträge mit Anbietern wie Bwin oder Mr. Green sind ungültig. Verlorenes Geld können Spieler zurückfordern. Ausgenommen sind nur Online-Wetten.

Online-Kasinos wehren sich

In den vergangenen Jahren ergingen dutzende weitere Urteile des Obersten Gerichtshofs. Rund um die Rückforderungen entwickelte sich eine regelrechte Industrie. Eine Armada an Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten hat sich seither gemeinsam mit Prozessfinanzierern auf Glücksspielklagen spezialisiert und zieht systematisch gegen illegale Online-Anbieter ins Feld. Sehr ähnlich ist die Situation in Deutschland. Doch in Malta – dort, wo viele der Anbieter ihren offiziellen Sitz haben, – will man dem nun einen Strich durch die Rechnung machen.

Vergangene Woche trat ein von der maltesischen Regierung initiiertes Abwehrgesetz in Kraft. EU-Mitgliedsstaaten müssen Urteile anderer EU-Staaten an sich vollstrecken – also die Verurteilten zur Zahlung zwingen. Laut dem neuen maltesischen Gesetz soll das für Glücksspielurteile künftig aber nicht mehr gelten, weil sie im Widerspruch zu maltesischem Recht stünden. Das Argument: Glücksspielanbieter, die in Malta ihren Sitz haben, dürfen in der gesamten EU aktiv sein. Alles andere widerspreche der Dienstleistungsfreiheit, einem Grundprinzip der Union.

Streit über Monopol in Österreich

Österreich setzt im Glücksspiel nach wie vor auf ein Monopol. Nur die Casinos Austria bzw. ihr Online-Ableger Win2day dürfen Glücksspiel anbieten. Zwar schränkt das österreichische Glücksspielmonopol die EU-Dienstleistungsfreiheit ein, in bestimmten Fällen kann eine solche Einschränkung aber gerechtfertigt sein. Österreich argumentiert mit dem Spielerschutz: Das Glücksspielmonopol diene dazu, Spielerinnen und Spieler in geordnete Bahnen zu lenken. Zudem unterliege Win2day bei der Ausübung seiner Konzession einer umfassenden Kontrolle durch das Finanzministerium.

Monopole können zulässig sein, wenn der Staat "legitime Mittel ergreift, die Spieler auf legale Wege zu leiten und selbst nicht zum Konsum anreizt oder das Monopol fiskalisch ausbeutet", erklärt Gerhard Strejcek, Professor für Verfassungsrecht und Glücksspielexperte dem STANDARD. Mehrere höchstgerichtliche Urteile hätten gezeigt, dass die Konstruktion, wonach der Bund ein Monopol hält und Konzessionen an Spielbanken vergibt, mit dem EU-Recht vereinbar sei.

Auch der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat sich bereits mit der Frage beschäftigt. "Der EuGH hätte längst Gelegenheit gehabt, zu sagen, dass die Dienstleistungsfreiheit der Anwendung einzelner Teile dieser Regelungen entgegensteht", betont Strejcek. Zwar müssten die Konsequenzen für Online-Kasinos immer verhältnismäßig sein, die Durchsetzung der österreichischen Urteile dürfe aber nicht von außen unterbunden werden. "Malta ist das schwarze Schaf, das Offshore-Konzessionen vergibt, die nur im ‚Ausland‘ gelten sollen", sagt der Jurist. "Das wäre so, als würden wir von Österreich aus in Malta den Mohnanbau legalisieren, bei uns aber verbieten."

Für die maltesischen Online-Kasinos geht es jedenfalls um viel Geld – und für den maltesischen Staat um wichtige Steuereinnahmen. Laut Erwin van Lambaart, Chef der Casinos Austria, hat sein Unternehmen im Online-Bereich trotz Monopols nur 52 Prozent Marktanteil. Die restlichen 48 Prozent werden von illegalen Anbietern bespielt.

Verfahren gegen Malta?

Vonseiten des Justizministeriums heißt es auf Anfrage des STANDARD, dass man das Thema "anlässlich bilateraler Gespräche bereits im Mai aufgegriffen und angesprochen" habe. Bleibt Malta auf seinem Standpunkt, droht dem Land laut Fachleuten ein EU-Vertragsverletzungsverfahren. Und es gebe noch einen weiteren juristischen Weg: Anwälte wie Thorstensen könnten gegen die Glücksspielanbieter und Malta vor den EuGH ziehen. "Das Problem für die Kasinos ist nicht, dass sie einzelne Verluste zurückzahlen müssen", sagt der Jurist. "Ihr Problem ist, dass Kunden wie Berger aufhören zu spielen." (Jakob Pflügl, 29.6.2023)