Martin Kocher, ÖVP, Arbeitsmarktservice
Arbeitsminister Martin Kocher (ÖVP) verteidigte am Donnerstag die härteren AMS-Vorgaben für Arbeitlose.
IMAGO/SEPA.Media/Martin Juen

Mit viel Kritik, nicht zuletzt von der Grünen Klubchefin Sigrid Maurer, sah sich Arbeitsminister Martin Kocher (ÖVP) jüngst anlässlich seines Erlasses konfrontiert, wonach auf Arbeitslose, die unter der Geringfügigkeitsgrenze von 500 Euro dazu verdienen, mehr Druck ausgeübt werden soll.

Wird mehr Druck aber die Probleme am Arbeitsmarkt lösen? Das will "ZiB 2"-Moderator Martin Thür Donnerstagabend auf ORF 2 von Kocher wissen. Man wisse, dass der Bezug von Zuverdienst unter der Geringfügigkeitsgrenze führt, sagt der Arbeitsminister darauf: "Da gibt es sehr viel Evidenz dafür." Was aufgrund des Erlasses nun passiere, ist, dass eine geringfügig beschäftigte Personen, die Arbeitslosengeld beziehet, "gelegentlich beim Chef fragen sollte, ob er nicht eine vollversicherte Stelle hat", schildert Kocher. Nachsatz: "Ich glaube, das ist zumutbar." Es sei wichtig, dass Menschen in vollversicherte Beschäftigungsverhältnisse kommen.

ZIB 2: ÖVP-Arbeitsminister Kocher zum AMS-Erlass
Monatelang haben Türkis und Grün an einer Reform des Arbeitslosengeldes verhandelt und sind gescheitert. Um etwa die Herabsetzung der Zuverdienstgrenze für Arbeitslose dennoch durchzubringen, hat der Arbeitsminister nun am Koalitionspartner vorbei die Verschärfungen per Erlass durchgesetzt. Arbeits- und Wirtschaftsminister Martin Kocher (ÖVP) ist dazu zu Gast im Studio.
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Ob das aber nicht zynisch ist, wenn es doch großteils Frauen mit Betreuungspflichten sind, die aufgrund von derartigen Zwängen geringfügig zu einer Arbeitslosengeldbezug dazuverdienen. Kocher stimmt dem wenig überraschend nicht zu. Oftmals sei es ja so, dass Kinderbetreuung primär am Nachmittag ein Problem, zitiert Kocher die Frage von Thür und folgert: "Auch da ist es oft möglich, eine Teilzeitstelle einzunehmen", und somit vormittags zu arbeiten. Natürlich setze er sich persönlich aber "sehr stark" dafür ein, dass die Kinderbetreuung ausgebaut wird.

Kocher sieht Verantwortung für Kinderbetreuung in Gemeinden

Oftmals komme es in Gemeinden am Land aber sogar dazu, dass Eltern, die ihren Arbeitsplatz verlieren, auch ihren Kinderbetreuungsplatz verlieren. "Ehrlich gesagt verstehe ich das auch nicht", sagt Kocher darauf, weist aber darauf hin, dass das in der Verantwortung der Gemeinden liegt. "Ich weiß nicht, was da passiert ist", unterstreicht der Minister. Er habe das jetzt auch zum ersten Mal gehört und: "Das darf nicht sein, das soll nicht sein."

Wenig Druck gibt es, so fragt Thür, im Gegenteil aber für Firmen, die ihre Mitarbeiter stempeln schicken, also eine bestimmte Saison, in der wenig Geschäft ist, lang Arbeitslosengeld beziehen lassen – etwa in der Baubrachen. Das kostete laut Wirtschaftsforschungsinstitut Wifo dem AMS im Jahr 2018 eine halbe Milliarde Euro. Es gebe viele Projekte, wo versucht werde, ganzjährige Beschäftigungsverhältnisse zu generieren. Er kenne viele gute Entwicklungen, es gebe aber auch gewisse Berufe, wo das nicht möglich ist. Aufgrund der Knappheit seien jetzt aber alle gefordert, auch Ganzjahresbeschäftigungsverhältnisse anzubieten, wo immer das möglich ist. Es gebe ja aus den Firmen heraus das Interesse, auch vom AMS gebe es Konzepte, wo Firmen zusammenarbeiten. "Es gibt da sehr vieles, was im Westen schon passiert", sagt Kocher. Anders als beim Thema Geringfügigkeit aber keine geplanten schärferen Maßnahmen.

Auch die Bezeichnung als "Schikane" von Sigrid Maurer will Kocher nicht gelten lassen, er wiederholt, dass es wohl zumutbar sei, gelegentlich zu Fragen, ob es eine Beschäftigung mit mehreren Stunden im gleichen Betrieb möglich ist

Hohe Löhne als "Wettbewerbsfähigkeitsproblem"

Beim Thema Teuerung wollte sich Kocher dann, ebenfalls wenig überraschend, nicht gegen seinen Regierungskollegen, Finanzminister Magnus Brunner (ebenfalls ÖVP) aussprechen, der jüngst Lohnabschlüsse für die anhaltende Teuerung verantwortlich erklärte. "Ich glaube man muss differenzieren", sagt Kocher. 2022 seien es vor allem exogene Faktoren wie die Energiepreise gewesen, die die Teuerung verursacht hätten, die Lohnabschlüsse sind nachgezogen.

Es gab also kein Lohn-Preis-Spirale im letzten Jahr. Die Inflation könne sich aber "verfestigen", wenn es hohe Lohnabschlüsse gibt und dann wieder Preissteigerungen. Jetzt müsse man aber die Lohn-Preis-Spirale durchbrechen. "Die Sozialpartner entscheiden autonom in den Kollektivvertragsverhandlungen und werden gesamtwirtschaftlich verantwortlich ihre Entscheidungen treffen", gibt sich Kocher zuversichtlich und diese wissen, welche Verantwortung sie tragen. Denn es gehe ja auch um die Wettbewerbsfähigkeit: "Wenn die Löhne zu hoch steigen würden, haben wir irgendwann ein Wettbewerbsfähigkeitsproblem". (lew, 29.6.2023)