Demonstrantin, die Affirmative Action unterstützt, am Donnerstag in Washington.
Eine Demonstrantin, die Affirmative Action unterstützt, am Donnerstag in Washington.
REUTERS/EVELYN HOCKSTEIN

Das weiße, konservative Amerika reibt sich die Hände. Endlich! Endlich hat die in seinen Augen unfaire Diskriminierung weißer Studierender ein Ende: Der Supreme Court urteilte am Donnerstag, dass "Affirmative Action", also die Berücksichtigung von Race bei Aufnahmeverfahren an Universitäten, gegen die Verfassung verstoße. 

Kläger war in diesem Fall Calvin Yang, der sich als Asian American an der Universität Harvard benachteiligt sah. Die Eliteuni steht im Verdacht, Asian Americans in der Kategorie "persönliche Kompetenzen" schlechter bewertet zu haben. Daher feiern auch einige Interessenorganisationen der Asian Americans das Urteil – auch wenn laut Umfragen 70 Prozent der Community "Affirmative Action" befürworten

Dabei ging es nicht, wie viele fälschlicherweise glauben, um Quoten für bestimmte Minderheiten an Unis. Diese hat der Supreme Court bereits 1978 untersagt. Hochschulen entscheiden individuell, was sie als verdienstvoll erachten. Race war dabei nur eines von vielen Kriterien. Wichtig zu wissen ist dabei: Niemals spielte hier nur der Notenschnitt eine Rolle, sondern etwa auch außerschulische Aktivitäten, Empfehlungsschreiben, Auszeichnungen, Bewerbungsessays, "persönliche Kompetenzen". Und seit jeher auch "Legacy Preference", also die Bevorzugung nach dem Aspekt, ob bereits ein Familienmitglied ein Studium an dieser Uni absolviert hat. Auch hier zählt eindeutig nicht die eigene Leistung – und selbst die ist eben eng mit den eigenen Lebensumständen verknüpft.

Benachteiligt gestartet

Über Jahrhunderte haben weiße Menschen in den USA durch die Versklavung und Ausbeutung von Schwarzen Vermögen angehäuft, das ihnen Zugang zu den Machtzentren im Land sicherstellt, auch für die Eliteuniversitäten. Noch immer sind Schwarze, Hispanics und Indigene sowohl dort, als auch in höher bezahlten Berufen stark unterrepräsentiert, Schwarze verdienen im Schnitt immer noch 30 Prozent weniger und verfügen nur über ein Achtel des Vermögens von Weißen. Die Idee der "Affirmative Action" kommt aus der Bürgerrechtsbewegung der 1960er-Jahre, um Minderheiten einen besseren Zugang zu ermöglichen. Der demokratische Präsident Lyndon B. Johnson argumentierte damals: "Man kann einen Menschen, der jahrelang in Ketten humpeln musste, nicht einfach auf die Startlinie eines Wettrennens stellen mit den Worten: 'Du bist nun frei fürs Rennen' – und dabei auch noch glauben, man sei überaus fair."

Nun wurde dieser Versuch der Korrektur einer Schieflage vom Supreme Court endgültig gekippt. Dabei war es ohnehin nur mehr ein kleiner Hebel, um Diversität auf dem Campus anzuheben, von der letztlich alle profitieren. Die Entscheidung der mehrheitlich konservativen Richterinnen und Richter wird die USA um Jahrzehnte zurückwerfen – und Ungleichheit nicht eliminieren, sondern die herrschenden Ungerechtigkeiten zementieren. (Noura Maan, 30.6.2023)