Drohne
Auch der vermehrte Einsatz von Drohnen spielt bei der Etablierung von Sky Shield eine Rolle.
AP/Matt Rourke

Die ÖVP nennt es in ihrer Aussendung vom Samstag einen "Paukenschlag in der europäischen Verteidigungspolitik". Österreich plane den Beitritt zur europäischen Initiative zum Luftverteidigungssystem Sky Shield. Seit Wochen liefen dazu vertrauliche Verhandlungen, um diesen Beitritt zu ermöglichen, heißt es.

Da seit Tagen in den sozialen Medien über mögliche, die ÖVP erschütternde Nachrichten spekuliert wird, könnte dieser "Paukenschlag" auch als Versuch medialer "Ablenkung" gelesen werden. Denn dass Österreich sich an dem Sky Shield beteiligen möchte, hat die ÖVP schon dezidiert im März dieses Jahres verkündet. Schon damals war von entsprechenden Gesprächen auf EU-Ebene die Rede.

Nach einem Treffen im Frühjahr mit ihrem deutschen Amtskollegen Boris Pistorius (SPD) hatte Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP) resümiert: „Es freuen sich alle sehr, dass Österreich mit dabei sein wird. Österreich sei nicht zuletzt wegen seiner geografischen Lage interessant, es liege an einer Schnittstelle zwischen den Bedrohungen aus dem Osten und Süden, sagte Tanner. Die Diskussionen über eine Teilnahme Österreichs am Sky-Shield-Projekt laufen zumindest seit Herbst 2022.

Gefahr von Drohnen und Raketen

"Die Bedrohungslage hat sich durch den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine massiv verschärft", warnte jetzt Bundeskanzler Karl Nehammer in der "Paukenschlag"-Aussendung. "Wir müssen und werden Vorsorge treffen, um unser Land vor der Gefahr von Drohnen- oder Raketenangriffen zu schützen. In der Luftraumüberwachung geht es am besten gemeinsam im europäischen Verbund mit anderen Staaten."

Mit Sky Shield werde ein satellitengestützter Schutzschirm über die teilnehmenden Länder gelegt, der Drohnen und Raketen frühzeitig erkennen und abwehren könne, argumentiert Nehammer.

Tanner: "Meilenstein" in Österreichs Verteidigungspolitik

"Für Österreich ist das in der Geschichte der Verteidigungspolitik ein Meilenstein", ergänzte Verteidigungsministerin Klaudia Tanner am Samstag. "Derzeit laufen die Verhandlungen, um diese Zusammenarbeit zu prüfen und zu klären, wie die Beteiligung Österreichs an diesem Projekt konkret aussehen kann", sagte Tanner.

Die Neutralität Österreichs sei durch dieses Projekt nicht gefährdet. "Es handelt sich um die Beteiligung an einem Schutzschirm, der zur Gefahrenabwehr dient", argumentieren Nehammer und Tanner.

Am Freitag reist Verteidigungsministerin Tanner nach Bern, wo sie im Zuge eines trilateralen DACH-Treffens mit ihrem Amtskollen aus Deutschland und ihrer Amtskollegin aus der Schweiz, Boris Pistorius und Viola Amherd, zusammenkommen wird. Österreich hat dieses Treffen als möglichen Termin einer Unterzeichnung des Beitritts zur "European Sky Shield Initiative" ins Auge gefasst, wie eine Sprecherin des Verteidigungsministeriums auf APA-Anfrage mitteilte. Geplant sei nun, dass Tanner eine dafür notwendige Absichtserklärung in Anwesenheit von Pistorius unterzeichne. Details wolle man aber vor dem Treffen nicht verraten.

Kritik am Vorhaben kommt von FPÖ-Chef Herbert Kickl. Er sieht eine "verheerende neutralitätspolitische Entscheidung", wie er am Sonntag in einer Aussendung betonte. "Österreich verliert damit seine Position der Stärke, die es gerade im aktuellen Konflikt zwischen Russland und der Ukraine nützen könnte, um als Vermittler auftreten zu können", so Kickl, der sich eine Reaktion des Bundespräsidenten erwartet. Die Beteiligung an dem Projekt gefährde in höchstem Maße den Schutz Österreichs, den es durch den Neutralitätsstatus habe.

"Ein gemeinsamer Raketenschirm mit der Nato ist neutralitätsrechtlich ausgeschlossen. Und er kann Österreich in einen Krieg mit Russland führen", warnte Kickl. Komme es zu einem Krieg zwischen der Nato und Russland, könne Österreich "weder die Einhaltung des Abstinenz- noch des Paritätsprinzips gewährleisten. Im Gegenteil: Es ist zum Zeitpunkt des Beitrittes zu dieser Initiative schon glasklar, dass in diesem Fall Österreich das Abstinenz- und das Paritätsprinzip verletzen wird", so der FPÖ-Chef.

Frankreich schert aus

Die "European Sky Shield Initiative" ging vom EU- und Nato-Land Deutschland aus und umfasst derzeit 17 Länder. Beteiligt sind seit dem vergangenen Oktober zudem die Nato-Mitglieder Großbritannien, die Slowakei, Lettland, Ungarn, Bulgarien, Belgien, Tschechien, Finnland, Litauen, die Niederlande, Rumänien, Slowenien, Estland sowie Norwegen. Im Februar schlossen sich auch Dänemark und der Nato-Beitrittskandidat Schweden dem Projekt an. Sky Shield soll vor dem Hintergrund des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine helfen, bestehende Lücken im derzeitigen Schutzschirm für Europa zu schließen.

Nicht dabei bei der deutschen Initiative ist Frankreich. Paris missfällt, dass dabei nichteuropäische Technologie – unter anderem die US-amerikanischen Patriot-Systeme sowie das israelische Raketenabwehrsystem Arrow 3 – eingekauft werden soll. Deutschland Verteidigungsminister Pistorius meinte dazu: Die Auffassung des französischen Präsidenten Emmanuel "Macron scheint die zu sein, wir sind nicht so in Eile, dass wir jetzt auf Brückentechnologien setzen müssen, sondern wir können warten, bis das fertig ist, was wir in Europa entwickeln. Davon sind wir und etliche andere nicht überzeugt".

Experte sieht kein Problem mit Neutralität

Mit Sky Shield werde ein satellitengestützter Schutzschirm über die teilnehmenden Länder gelegt, der Drohnen und Raketen frühzeitig erkennen und abwehren kann, heißt es in der Pressemitteilung. Die gestiegene Bedrohungslage äußere sich in drei Faktoren, gegen die Sky Shield den notwendigen Schutz bieten soll: Angriffe durch Drohnen oder Bedrohung durch fehlgeleitete Drohnen, Bedrohung durch militärische Flugzeuge im europäischen Luftraum sowie Bedrohung durch ballistische oder atomare Raketen im europäischen Luftraum.

Der Militärexperte Walter Feichtinger begrüßt die geplante Teilnahme Österreichs und sieht kein Problem mit der Neutralität: "Mit der Neutralität hat das überhaupt nichts zu tun, weil wir immer autonom entscheiden können", erklärte er am Samstagabend in der "ZiB 1". Es gehe darum, "den Anschluss nicht zu verpassen und nichts Falsches zu kaufen". Die Beteiligung am Abwehrschirm bedeute "nicht, dass man gemeinsam schießt, sondern dass man gemeinsam plant und überlegt, welche Systeme am besten zusammenpassen." (Walter Müller, APA, 1.7.2023)