Demonstration in Wien: Viele sehen sich politisch nicht repräsentiert
Viele sehen sich politisch nicht repräsentiert
APA/EVA MANHART

Im eigenen Leben, da klappt ja das meiste. Im Land aber, so sehen es viele Österreicherinnen und Österreicher, liegt vieles im Argen. Das belegt eine aktuelle Auswertung der Market-Umfragen von Mai und Juni mit insgesamt 1.600 Befragten. DER STANDARD ließ dabei das Glücksgefühl und die Zufriedenheit der österreichischen Wahlberechtigten erheben. Nur drei Prozent bezeichnen sich als unglücklich, 17 Prozent als "eher nicht glücklich". Aber die große Mehrheit ist "auf jeden Fall glücklich" (24 Prozent) oder "eher schon" glücklich (56 Prozent). Dieses Muster zieht sich seit Jahren durch das Umfrageprofil – und ebenso zeigt sich seit Jahren, dass erklärte FPÖ-Wählerinnen und -Wähler auffallend häufig angeben, wenig oder gar nicht glücklich zu sein.

Daher wurden in den beiden Umfragewellen von Mai und Juni die Befindlichkeiten näher untersucht. Kernfrage war, wie zufrieden die Menschen mit dem sind, was sie bisher im Leben erreicht haben. Dies sollte mit Schulnoten bewertet werden und brachte ein klares Ergebnis: 31 Prozent gaben ihrem eigenen Erfolg einen Einser, 43 Prozent einen Zweier, 16 Prozent einen Dreier, sechs Prozent einen Vierer und nur zwei Prozent einen Fleck. Notenschnitt: 2,03. In der erklärten FPÖ-Anhängerschaft sieht es mit der Durchschnittsnote 2,09 nicht viel schlechter als im Rest der Bevölkerung aus. Als überdurchschnittlich selbstzufrieden erweisen sich vor allem die erklärten ÖVP-Wähler.

Deutlich ist der Zusammenhang von Alter und Zufriedenheit mit dem Erreichten, Bildung hat darauf dagegen kaum einen Einfluss. Regional sind die Salzburger mit ihrer Lebensleistung besonders zufrieden, am wenigsten sind es die Burgenländer.

DER STANDARD ließ mehr als 20 weitere Bereiche abfragen – mit dem Ergebnis, dass die Politik besonders schlecht abschneidet.

Viele Fünfer für die Politik

Nur zwei Prozent geben der Bundesregierung ein "Sehr gut" (auch Wähler der Kanzlerpartei ÖVP tun dies nur zu vier Prozent) – 37 Prozent aber geben ein "Nicht genügend". Für die türkis-grüne Regierung gibt es nur einen Notenschnitt von 3,87.

Ähnlich schlecht sieht es mit der Zufriedenheit damit aus, "wie die Politik die Interessen von Menschen wie Ihnen berücksichtigt": Durchschnittsnote 3,77. 32 Prozent der heimischen Wahlberechtigten sind "mit der Art, wie die Politik die Interessen von Menschen wie Ihnen berücksichtigt", gar nicht zufrieden, weitere 26 Prozent geben der politischen Vertretung ihrer Interessen gerade die Schulnote "Genügend". Nur zwei Prozent vergeben einen Einser, elf Prozent einen Zweier, 26 Prozent einen Dreier.

Besonders viele Fünfer kommen hier von Freiheitlichen – und von Menschen, die politisch derzeit nicht festgelegt (also mögliche Nichtwähler) sind. Dies ist auch das Reservoir, aus dem die Freiheitlichen bei Wahlen üblicherweise mobilisieren können.

Auch bei Anhängern der Bierpartei und der KPÖ dürfte es ähnlich sein, die geringen Fallzahlen erlauben aber keine statistisch korrekte Aussage dazu.

Ähnlich unzufrieden äußern sich die Wahlberechtigten über die Mitsprachemöglichkeiten in der Politik. Da gibt es nur von vier Prozent einen Einser, von lediglich zwölf Prozent einen Zweier. Und auch das Muster ist gleich: Eine besondere Unzufriedenheit äußern in diesem Punkte wiederum jene Befragten, die auch angeben, dass sie die FPÖ wählen.

"Die hohe Unzufriedenheit und die allgemein schlechte Stimmung im Land wirken sich zugunsten der Opposition – und hier wieder besonders zugunsten der FPÖ – aus", sagt Market-Wahlforscher David Pfarrhofer. Er betont, dass die Bevölkerung ihre eigene Situation wesentlich besser einschätze als die Lage im Land: Die meisten Menschen seien persönlich durchaus glücklich und mit dem, was sie selbst erreicht haben, auch zufrieden.

Ebenfalls einen Notenschnitt, der schlechter als 3,7 ist, erreichen die Themen Entwicklung Österreichs und Entwicklung der Europäischen Union.

Besonders gute Noten werden in den höchstpersönlichen Bereichen vergeben: So sind die allermeisten Österreicherinnen und Österreicher mit ihrem Umgang mit Alkohol zufrieden. Die Durchschnittsnote zu diesem Punkt lautet 1,84 – nur zwei Prozent der Befragten geben sich da einen Fünfer.

Sehr zufrieden sind die Befragten auch mit dem persönlichen Freundeskreis: Durchschnittsnote 1,92 – wobei Frauen da zufriedener sind als Männer und (noch deutlicher) Senioren zufriedener als Menschen unter 30 Jahren. Allerdings sind da auch politische Unterschiede messbar: Besonders zufrieden mit ihren Freunden und Freundinnen sind Menschen, die ÖVP wählen, besonders unzufrieden jene, die FPÖ oder gar nicht wählen. Die Anhänger der Familienpartei ÖVP sind auch mit ihrer persönlichen Familiensituation sehr zufrieden.

Lob für die Infrastruktur

Trotz häufig geäußerter Klagen über die hohen Wohnkosten erhält der Punkt "Zufriedenheit mit der Wohnsituation" sehr hohe Zustimmung (1,92) – drei Viertel der Befragten vergeben einen Einser oder Zweier dafür. Hier wird allerdings deutlich, dass ältere Befragte viel weniger Probleme erleben als Junge (Durchschnittsnote bei den Befragten unter 30 Jahren: 2,27) und dass es starke regionale Unterschiede gibt: Wiener und Tiroler sind tendenziell am wenigsten zufrieden.

Gute Noten gibt es generell für die Infrastruktur: 2,03 für die Einkaufsmöglichkeiten, 2,64 für den öffentlichen Verkehr. Beide Bereiche werden im städtischen Umfeld allerdings deutlich besser wahrgenommen als im ländlichen. Die mit Abstand besten Noten für den öffentlichen Verkehr vergeben die Wiener, die schlechtesten die Kärntner. Unter den Unzufriedenen sind hier, wie auch in den meisten anderen Bereichen, besonders viele Freiheitliche zu finden.

Diese sind auch besonders unzufrieden mit den Nachbarn in ihrer Umgebung (am zufriedensten mit der Nachbarschaft sind Sozialdemokraten und Neos-Wähler). Und: Auch zwischen der – empfundenen – Sicherheitslage in der eigenen Umgebung und der Neigung, freiheitlich zu wählen, gibt es einen Zusammenhang. 

Pfarrhofer verweist noch auf ein weiteres Muster: "Wer sich von seiner Umgebung anerkannt fühlt, wählt mit hoher Wahrscheinlichkeit die ÖVP oder auch die Neos. SPÖ- und Grünen-Anhänger geben in etwas geringerem Maße an, persönliche Anerkennung zu finden – aber die Wählerschaft der Freiheitlichen kriegt auch von ihrem Umfeld weniger positive Rückmeldungen. Tendenziell stimmt das wohl auch für die Anhängerschaft der KPÖ und der Bierpartei – da liegt die Vermutung nahe, dass diese Menschen eben gegen das Establishment oder das ihnen suspekte politische System wählen wollen." (Conrad Seidl, 2.7.2023)