Der bisher letzte mutmaßliche Femizid in Österreich wurde erst am Montag dieser Woche verübt. Eine Frau in Wien-Ottakring erlag in ihrer Wohnung den ihr zugefügten Stichverletzungen, der mutmaßliche Täter, ihr Partner, schwebt nach einem Suizidversuch in Lebensgefahr.

Justizministerin Alma Zadić, Innenminister Gerhard Karner und Frauenministerin Susanne Raab wollen die Femizid-Prävention stärken.
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Damit reiht sich auch dieser schreckliche Fall in die lange Reihe tödlicher Attacken auf Frauen aufgrund ihrer Geschlechtszugehörigkeit ein, die im Rahmen der "Untersuchung Frauenmorde – eine quantitative und qualitative Analyse" des Instituts für Konfliktforschung (IFK) studiert wurden. Laut den für die Expertise mit herangezogenen bundesweiten Gerichtsakten seit 2016 waren 80 Prozent der Täter Partner oder Ex-Partner der später Ermordeten, 40 Prozent lebten zusammen.

Video: Ausgehend von einer Studie durch das Institut für Konfliktforschung will die Bundesregierung stärker gegen Femizide vorgehen.
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Suizidversuche nach der Tat

Jeder dritte Femizid-Verdächtige versuchte sich in Anschluss an die Tat selbst zu töten – besonders oft ältere Täter als im aktuellen Ottakringer Fall: Männer über 60 nach Morden oder Mordversuchen an ihren ebenfalls betagten, pflegebedürftigen Frauen, eine Opfer- und Tätergruppe, die bislang nicht im Fokus stand.

Neben den Gerichtsakten basiert die am Dienstag von Justizministerin Alma Zadić (Grüne), Frauenministerin Susanne Raab und Innenminister Gerhard Karner (beide ÖVP) präsentierte Studie auch auf der Polizeistatistik seit dem Jahr 2010. Seitdem gab es 793 weibliche Opfer von Morden oder Mordversuchen mit 767 Tatverdächtigen. Zwei Drittel der Fälle waren als Femizid zu werten: als Tötung oder Tötungsversuch einer Frau wegen ihres Geschlechts. Die Zahl der Opfer hat, mit einem Einbruch im Jahr 2014, seit 2010 kontinuierlich zugenommen, von 65 auf 104 im Jahr 2019.

Viele Täter mit ausländischem Pass

Hoch ist auch der Anteil von Tätern mit ausländischem Pass. Zwei Drittel waren österreichische Staatsbürger, ein Zehntel EU-Staatsbürger, 18,3 Prozent kamen aus Drittstaaten. Im Vergleich mit dem Anteil ausländischer Staatsangehöriger an der österreichischen Bevölkerung läuft das auf eine deutliche Überrepräsentanz hinaus – laut den Studienautorinnen ein Zeichen vielfach überkommener patriarchaler Einstellungen unter Einwanderern. 

Hoch war auch der Anteil von Tätern mit psychischen Auffälligkeiten oder Erkrankungen. Ein Drittel der Männer konsumierte zu viel Alkohol oder andere Drogen, viele litten an einer Suchterkrankung. Motiv der Tat war meist Eifersucht oder Besitzansprüche der Männer an die Frauen. Viele Femizide fanden in Trennungsphasen statt.

Bemerkenswert dabei: Nur ein Bruchteil der späteren Opfer hatte sich vor der Tat an eine Hilfseinrichtung gewandt, etwa ein Frauenhaus oder eine Interventionsstelle gegen Gewalt. Dabei, so die Studienmitautorin Brigitte Temel, kündige sich eine derartige Zuspitzung von Gewalt fast immer über längere Zeiträume an. Bei rechtzeitiger Intervention könne somit das Schlimmste verhindert werden.

Info-Offensive angekündigt

"Wir haben ein gut ausgebautes Gewaltschutzsystem, doch es ist nur so gut, wie es in Anspruch genommen wird", kommentierte dies Frauenministerin Raab. Gemeinsam mit Innenminister Karner und Justizministerin Zadić kündigte sie für das kommende Jahr eine diesbezügliche Informationsoffensive an. Auch werde es einen weiteren Ausbau der sicherheitspolizeilichen Fallkonferenzen geben, bei denen das Gewalt- und Femizidrisiko in Einzelfällen von Polizei und Beratungsfachleuten diskutiert wird. (Irene Brickner, 4.7.2023)