Der Europäische Verlegerrat warnt in einem öffentlichen Schreiben an Margrethe Vestager, die Vizepräsidentin der Europäischen Kommission, vor Wettbewerbsverzerrungen durch das neue ORF-Gesetz. Christian Van Thillo, Vorsitzender des European Publishers Council, zeigt sich in dem Brief "sehr besorgt über das Vorhaben Österreichs, die Beihilfen für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk ORF zu erhöhen". Damit würde das Land gegen seine Verpflichtungen im Rahmen der EU-Beihilfevorschriften verstoßen.

In einem Schreiben an die Vizepräsidentin der EU-Kommission Margrethe Vestager warnen Europas Verleger vor der Marktverzerrung durch das neue ORF-Gesetz.
In einem Schreiben an die Vizepräsidentin der EU-Kommission Margrethe Vestager warnen Europas Verleger vor der Marktverzerrung durch das neue ORF-Gesetz.
Reuters / Ritzau Scanpix/Helle Arensbak

Werde dieses neue Gesetz nicht angefochten, so Van Thillo weiter, werde es "zu massiven Wettbewerbsverzerrungen und einer existenziellen Bedrohung für die pluralistische, unabhängig finanzierte Medienlandschaft kommen. Unseres Wissens gab es hierzu vorab keine Gespräche mit der Europäischen Kommission."

"Beispiellose Aufstockung der Mittel"

Das neue österreichische Gesetz ziehe eine "beispiellose Aufstockung der Mittel für die – bereits marktführende – öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt nach sich", heißt es in dem Schreiben. Dadurch solle deren Reichweite im Internet erhöht werden. Die kostenlose Nachrichtenseite werde sogar mit zusätzlichen Finanzmitteln ausgestattet, "wodurch der ORF von einem öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu einem öffentlich-rechtlichen Rundfunk und Verleger wird, der im Online-Segment in direkter Konkurrenz zu den Presseverlagen steht".

Der Europäische Verlegerrat argumentiert, diese Regelung falle nicht mehr unter die bestehenden Beihilfevereinbarungen. Diese Ausweitung sei außerdem "unvereinbar mit der Mitteilung der Kommission über die Anwendung der Vorschriften über staatliche Beihilfen auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk". 

Und weiter: "Private, kommerzielle Medienunternehmen haben Schwierigkeiten, genügend Werbeeinnahmen zu erzielen oder Abonnements zu einem vernünftigen Preis zu verkaufen, um in Journalismus und Inhalte investieren zu können. Es braucht unabhängige Medienunternehmen, die Augenzeugenberichte verbreiten und unangenehme Fragen stellen. Doch wir können nicht mit einem kostenfreien, staatlich finanzierten öffentlich-rechtlichen Verleger konkurrieren. Wenn es für kommerzielle Medien keinen Anreiz gibt, zu investieren und eine Rendite zu erzielen, wer wird dann noch den Staat und seine Bediensteten zur Rechenschaft ziehen? Wir erkennen die Rolle des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in einer pluralistischen Gesellschaft an und befürworten diese, doch muss sein Aufgabenbereich strikt begrenzt sein, um einen fairen Wettbewerb mit dem privaten Sektor zu gewährleisten."

Abschließend fordert Van Thillo "klare Regeln und Grenzen für den Gesamtauftrag, den Aufgabenbereich und die Finanzierung. Wir fordern Sie auf, zu prüfen, ob der Gesetzesentwurf mit den EU-Beihilfevorschriften im Einklang steht." (red, 4.7.2023)