Ansicht von Hallstatt mit dem Berg links und dem See rechts
Über dem Ort Hallstatt befindet sich ein berühmtes eisenzeitliches Gräberfeld.
NHM Wien, Kurt Kracher

Nicht alle aussichtsreichen archäologischen Stätten werden sofort ausgegraben. Die genaue Erforschung braucht Zeit, bis dahin sind die Überreste in der Erde gut aufgehoben. Eine Ausnahme sind Bauarbeiten, die archäologische Sicherungsgrabungen erfordern. Bei einer Grabung im Zuge des Baus eines Steinschlagschutzes für den Ort Hallstatt entdeckte ein Team des Naturhistorischen Museums (NHM) Wien kürzlich ein Grab aus der frühen Eisenzeit. Dass sich in dem bekannten Gräberfeld des Hallstätter Hochtals weitere Begräbnisstätten finden würden, ist keine Überraschung. Doch der neue Fund fasziniert die Forschenden besonders. Darin befanden sich Stoffreste, die eine lange gehegte Theorie bestätigen.

Die Baustelle gehört zu einem Steinschlagwerk, das die Wildbach- und Lawinenverbauung Oberösterreich derzeit errichtet, um den unterhalb des Hochtals gelegenen Ort Hallstatt zu schützen. Dabei wird auch das eisenzeitliche Gräberfeld gequert, in dem vor allem der einstige Bergmeister der Saline Hallstatt, Johann Georg Ramsauer, zwischen 1846 und 1863 mehr als 1.000 teils mit vielen Beigaben ausgestattete prähistorische Gräber entdeckt und archäologisch untersucht hat. Das Gräberfeld im Hochtal oberhalb des Ortes Hallstatt ist seither einer der wichtigsten prähistorischen Bestattungsorte Europas.

Ein Detail des gefundenen Grabes mit einigen aus der Erde ragenden Schmuckgegenständen und Knochen.
Das Grab war bislang unberührt gewesen. Zwischen verkohlten Knochen fanden sich Schmuck und Textilreste.
APA/NHM WIEN/ANDREAS W. RAUSCH

Namensgeber der "Hallstattzeit"

Auf Basis dieser Arbeit wird eine Epoche der europäischen Kulturgeschichte heute als Hallstattzeit bezeichnet. Sie umfasst in etwa den Zeitraum von 800 und 450 Jahren vor Christus – also die frühe Eisenzeit. Noch stehen die Untersuchungen zur genaueren Datierung zwar aus, aber das neu entdeckte Grab sei eher der früheren Hallstattzeit im 8. oder 7. Jahrhundert vor Christus zuzuordnen, erklärt der Leiter der Obertag-Forschungsgrabungen, Johann Rudorfer von der Prähistorischen Abteilung des Naturhistorischen Museums.

In diesem Gebiet wurde eigentlich bereits im 19. Jahrhundert gegraben, doch damals wurde das Grab nicht entdeckt. Es blieb also unversehrt. Darin befanden sich, neben verbrannten Knochen, auch typische Beigaben wie ein massiver gerippter Armring aus Bronze, der vermutlich am Oberarm getragen wurde, sowie drei Spiralscheiben aus dünnem Bronzedraht.

"Nicht nur der gute Erhaltungszustand der mit in das Grab gelegten Tracht- und Schmuckstücke ist bemerkenswert“, erklärt Rudorfer, "sondern auch die Tatsache, dass wir noch eine klar erkennbare Grabgrube feststellen konnten, begeistert uns. Das Areal wurde im 19. Jahrhundert großflächig archäologisch untersucht, aber gewissen Details, wie zum Beispiel die Grabkonstruktion, wurde damals wenig Beachtung geschenkt." Aufgrund der Beigaben dürfte es sich eher um eine Frau gehandelt haben, vermutet Rudorfer. Auch hier stünden weitere Analysen aber noch aus.

Ebenso gefunden wurden neben Tierknochenresten – vermutlich Speisebeigaben für das Jenseits – ein Eisenblech-Stück, das möglicherweise von einem Gürtelbeschlag stammte, sowie eine Bronze-Messerklinge mit den Resten eines Holzgriffs. All diese Gegenstände wurden zerbrochen oder verbogen. "Vielleicht hielt man es für angebracht, die Beigaben rituell zu zerstören, um sie als Beigaben für das Totenreich nutzen zu können, denn auch der Köper wurde durch das Verbrennen ja 'zerstört'", sagt Rudorfer.

Seltene Textilfunde

Besonders machen den Fund allerdings Textilreste. So registrierten die Archäologen Abdrücke von Stoffgewebe auf den Unterseiten der Spiralscheiben. Im Laufe der Zeit wandelte sich dort das Gewebe aber durch Mineralisierungsprozesse um. Was übrig blieb, sind anorganische Substanzen in der Anordnung der früheren organischen Fasern, die man mit eigenen Holzkellen mit äußerster Vorsicht gehoben hat, erklärt der Archäologe.

Brozenschmuck im Detail.
Bronzebeigaben aus der neu entdeckten prähistorischen Grabstätte am Salzberg in Hallstatt.
APA/NHM WIEN/STEFAN KROJER

Es handelt sich laut Rudorfer um eine Urne aus Stoff, wie sie in Hallstatt bisher nicht gefunden worden war. „Meist finden wir nur ein Häufchen mit dem Knochenklein und etwas Asche, das aber so kompakt liegt, dass wir schon immer kleine Säcke aus Stoff oder Leder vermuten konnten. Nun wurde wohl auch dafür der Beweis erbracht", sagt Rudorfer. Dass es aus der Zeit Ramsauers keine Berichte über Stoffreste gibt, rühre vermutlich daher, dass es damals quasi undenkbar war, dass sich so etwas überhaupt erhalten kann. Daher wurde dem wahrscheinlich keine Beachtung geschenkt. So kann die gut erforschte Stätte neue Einsichten bieten. "Wir wissen nun, dass durch die Altgrabungen wohl bei weitem nicht alle Grabbefunde erfasst wurden", freut sich der Archäologe.

Noch bis Mitte August wird im Bereich der Steinschlagverbauung gegraben. Dazu kommt eine neu gestartete Grabung im Bereich der einstigen römischen Siedlung im Ort Hallstatt. Mit weiteren Funden ist also zu rechnen. (red, APA, 5.7.2023)