Anthony Kiedis als Fisch im Netz. Schon im ersten Song landete er leicht versehrt am seinem Podex. Zum Glück ist der gut trainiert.
Anthony Kiedis als Fisch im Netz. Schon im ersten Song landete er leicht versehrt am seinem Podex. Zum Glück ist der gut trainiert.
APA/FLORIAN WIESER

Die letzten Meter ins Büro nahm er im Handstand. Die Füße dort, wo sonst der Kopf ist, eingeschweißt in violette Stutzen der L.A. Lakers, die er wie ein Glaubensbekenntnis trägt: Auftritt Flea.

Zeitgleich schlurfte John Frusciante auf die Bühne und erinnerte mit seinem Outfit daran, dass man in Südkalifornien ein Leben lang wie ein Vierjähriger gekleidet sein kann: T-Shirt, kurze Hosen, Sneakers. Hinten nahm derweil Chad Smith (61) am Schlagzeug Platz. Er schaut aus wie der Rock’n’Roll-Zwilling von Will Ferrell, dem Schauspieler. Einen ordentlichen Wumms auf den Gong und ab ging die Post: Marmelade.

Eine Aufwärmrunde, die Saiten, die Finger und die Felle warm spielen, das Publikum aufganseln, und das schafften die drei natürlich mit links. Denn wenn der Auftritt der Red Hot Chili Peppers am Freitag im Ernst-Happel-Stadion eines gezeigt hat, dann, dass die Band läuft wie eine geölte Maschine, selbst wenn sie sich nach einer Stunde einen Hänger leistete, ein paar Songs spielte, die eher aus der Bezirksliga ihres Katalogs stammten. Aber es hätte schlimmer kommen können.

Chad Smith, der Rock'n'Roll-Zwilling des Schauspielers Will Ferrell
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Denn Sänger Anthony Kiedis klatschte es schon im ersten Song auf den Alleredelsten - genauso wie es Iggy Pop im Vorprogramm passiert war. Warum die Kinder immer alles nachmachen müssen! Doch beide hatten gute Ausreden.

Iggy ist 76 und wenn er zwecks Arbeit seinen Oberkörper freilegt, sieht es aus, als würde er aus einem Hodensack schauen. Schrumpel-Kumpel. Natürlich super. Er hat anderes überstanden als so ein Hoppala auf der Bühne. Und Kiedis (60) war entschuldigt, da er eine kniehohe Orthese an einem Bein trug. Die hinderte ihn nicht wie üblich herum zu hüpfen, wenn er gerade keinen Auftrag hatte, zart eingeschränkt wirkte er dennoch. Aber es war nix passiert.

Playboy-Häschen am Schenkel

An die 45.000 waren gekommen, um die seit den frühen 1980ern aktive Band zu sehen, um ihrem Sound zu lauschen, einem Rock-Entwurf, der von Smiths Snare-Drum geprägt ist, von dem zwischen dem Jazz und Funk wuchernden Bassspiel Fleas sowie der Gitarre Frusciantes, der wie kein anderer den Sound der Band mit seinem singenden Spiel definierte.

Bassist Michael 'Flea' Balzary und Gitarrist John Frusciante: Trotz Routine sorgten die beiden für ein paar magische Momente.
Bassist Michael 'Flea' Balzary und Gitarrist John Frusciante: Trotz Routine sorgten die beiden für ein paar magische Momente.
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Dem ist die Melancholie der Beach Boys genauso eingeschrieben wie Punk, der Funk einer Betty Davis oder das Erbe des Jimi Hendrix. Ein Himmelsküsser am Gerät, nichts weniger. Und eben Kiedis, der neben Flea (60) ewig agile Frontmann im Body-positiven Surferkörper, umhüllt an diesem Abend von einem roten Netzleiberl und Shorts aus dem Hause Playboy - mit dem Häschen am Schenkel. Das passte zum Oberlippenbart und einer Frisur, anhand derer man ihm keinen Hauptschulabschluss zutrauen würde.

Zwei neue Alben haben sie im letzten Jahr veröffentlicht, keines brachte neue Erkenntnisse. Der knackige Cross-Over Funkrock ist je nach Sichtweise ausgespielt oder ein Evergreen, die Band und ihre Alben Selbstläufer in der Gemeinde. Die umfasst die ganze Welt, die Peppers sind eine der erfolgreichsten Bands der Gegenwart.

Gitarrist John Frusciante, der Mann, der mit seiner Gitarre besser singt als mit seiner Stimme.
Gitarrist John Frusciante, der Mann, der mit seiner Gitarre besser singt als mit seiner Stimme.
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Das 20 Jahre alte Universally Speaking startete die Party, beim drei Jahre jüngeren Snow ((Hey Oh)) drückte Kiedis erstmals diesen speziellen melancholischen Tonfall aus seinen Lungen, Frusciante ließ dazu die Gitarre weinen. Blood Sugar Sex Magick knallte ewig notgeil ins Oval, Suck My Kiss klang schon einmal knackiger.

Dass Kiedis als reiner Sänger in den Instrumentalpassagen stets in Verlegenheitsgymnastik verfiel, das ist auch 2023 noch so - dafür ist er halt fit wie ein Surflehrer. Spätestens bei Californication war das Publikum wieder bekehrt, die Blase womöglich geleert. Black Summer und eine ehrgeizige Sichtung von By The Way beschlossen das Set, als Zugabe gab es zum Schluss das unvermeidliche Give it Away, bei dem Kiedis’ Zunge schon ein wenig schwer wirkte. So wie wenn unsereiner den Nachmittag beim Heurigen verbringt. Nur hat halt der Toni den schärfer gezeichneten Body. Iggy wird er keiner. So oder so nicht. (Karl Fluch, 15.7.2023)