RZA von den Hip-Hoppern Wu-Tang Clan in der Wiener Stadthalle.
RZA von den Hip-Hoppern Wu-Tang Clan in der Wiener Stadthalle.
APA/GEORG HOCHMUTH

Die aufgeregten Begehrlichkeitslaute erinnerten an hungrige Höhlenbewohner vor der Dinosaurierjause: "Wu!" "Wu!" "Wu!", tönte es aus tausenden Kehlen, bevor am Dienstag sieben Gestalten auf die Bühne der bis unters Dach gefüllten Wiener Stadthalle schlurften und so den "Wu!"-Wunsch erfüllten. Der Wu-Tang Clan war gelandet. Und zwar fast vollständig, was ein Wunder bei diesem Flohzirkus ist, der als notorisch unverlässlich gilt.

In der Vergangenheit wurde da schon Verwandtschaft dritten Grades als vermeintliche Clans-Men auf die Reise geschickt, wenn zufällig jemand einen gültigen Reisepass hatte oder nicht Gefahr lief, mit einem Auslandsaufenthalt gegen Bewährungsauflagen zu verstoßen. Ein "Wu!"-Wunder also.

Hip-Hop live in der Ferne dann umzusetzen ist ein Unterfangen, das selbst die größten Acts des Fachs vor schier unlösbare Probleme stellen kann. Einem Typen zuzuschauen, der zu Beats aus der Konserve zwei Stunden lang ins Mikro bellt, was für ein kühler Lumpi er ist und was er mit den Bitches auf der Rückbank seines Rides zu tun gedenkt, das kann schnell ermatten.

Der Clan in Aktion.
Der Clan in Aktion.
APA/GEORG HOCHMUTH

Der Wu-Tang Clan entschloss sich für eine Mischform aus sechsköpfiger Band und siebenköpfigem Rapper-Team vorn an der Rampe. Wobei akustisch nicht klar war, wofür die beiden Gitarristen bezahlt wurden. Der Schlagzeuger verstärkte immerhin die Beat-Architektur aus dem Laptop, der Keyboarder funkte hin und wieder passend dazwischen, der Bassist doppelte die Beats auf.

Doch gerade diese Rohheit des Sounds konvenierte mit dem Werk des Clans. Schließlich wurde dessen Debüt mit billigem Equipment in großer Eile aufgenommen, was einen Teil seines Charmes bedingt – so sehr die audiophilen Hochton-Feinspitze sich darüber bis heute beklagen. Das zeitigte auch live einen derben Groove, der die Plomben zum Klingeln brachte und die Schrauben der Lesebrille aus dem Gewinde löste, servus Geschäft.

Kreative Keimzelle

Der Saal tobte, der Clan würdigte den Umstand, dass Wien gerade wieder als leiwandste Stadt zum dort Leben ausgezeichnet worden ist – "Vienna you're number one!" – und feierte sich selbst. Im Bühnenhintergrund liefen alte Videos des Clans, vorn wechselten sich die Reimer routiniert ab. Bring da Ruckus, One Blood under W und Wu-Tang Clan Ain't Nuthing ta F' Wit brachte das willige Publikum bei tropischen Temperaturen schnell auf Schiene.

Der New Yorker Clan gilt als einer der wesentlichen Kräfte des Hip-Hop der 1990er-Jahre. Vor 30 Jahren erschien sein epochales Debütalbum Enter the Wu-Tang (36 Chambers). Die damals neunköpfige Gang erwies sich in Folge als kreative Keimzelle, die für jede Menge wichtiger Alben gut war.

Ein Fingerzeig für Masta Killa von Ghostface Killah.
Ein Fingerzeig für Masta Killa von Ghostface Killah.
APA/GEORG HOCHMUTH

Die Setlist konzentrierte sich auf eigene Klassiker sowie einige aus diversen Soloalben der Clanmitglieder. Da wurde vor allem der große Abwesende gewürdigt, der 2004 gestorbene Ol' Dirty Bastard. Von ihm liefen Shimmy Shimmy Ya und Got Your Money. Beides schwer basslastige Wuchteln, die den Irrsinn des Rappers fast 20 Jahre nach seinem Tod noch einmal unterstrichen. Zum Höhepunkt geriet nicht unerwartet ein unerwartet konzentriert gegebenes Tearz, dessen Sample des Songs After Laughter der Soul-Sängerin Wendy Rene einen Gutteil der Klasse des Tracks besorgt. Auch Raekwons Icecream flutsche elegant.

Masta Killa, Ghostface Killah Raekwon, RZA, GZA und Co hielten die Spannung über eine Stunde und zollten dem Publikum Respekt in Form von Wasserduschen. Dass die Show stellenweise rustikal rumpelte wurde großzügig toleriert. Der Abgang mit einer Verwurstung von Nirvanas Smells Like Teen Spirit wirkte zwar etwas befremdlich, aber ein bisserl durch den Wind war der Clan ja immer, dafür liebt man ihn ja. Und: So oft kommt man wahrscheinlich nicht mehr zusammen. Wer weiß, ob daheim nicht schon ein blöder Brief im Postfach wartet: "Probation Ain't Nuthing To F' with!" (Karl Fluch, 12.7.2023)