In Japan und Südkorea reagierte man als Erstes auf die Ankündigung Pekings, Exportkontrollen für die seltenen Erden Gallium und Germanium zu verhängen. Ab dem 1. August müssen Firmen in China für die Ausfuhr eine Lizenz für Produkte beantragen, die diese Erden enthalten. Der südkoreanische Wirtschaftsminister berief umgehend ein Notfallgremium ein, um über die Folgen auf die heimische Chip- und Autoindustrie zu beraten. Das japanische Wirtschaftsministerium ließ verlauten, man prüfe eine Klage gegen Peking bei der Welthandelsorganisation (WTO).

Dabei war es eigentlich ein offenes Geheimnis, dass Peking früher oder später im globalen Handelskrieg um die Chipindustrie zurückschlagen würde. Im vergangenen Oktober hatten die USA Exportkontrollen für modernste Halbleitertechnologie verhängt. Damit sollte der stetig schrumpfende Technologieabstand bei Chips zwischen den USA und China wieder vergrößert werden. Die Lieferketten für modernste Halbleitertechnologie sind äußerst komplex, die wichtigsten Fertigungsschritte finden in Taiwan, Japan, Südkorea, den Niederlanden und den USA statt.

Worker miniatures are placed among the flag of China and printed circuit boards with semiconductor chips, in this illustration picture taken July 5, 2023
China ist der weltgrößte Lieferant der für die Herstellung von Computerchips und Solarpaneelen notwendigen seltenen Erden.
REUTERS/FLORENCE LO

Westliches Embargo

In den vergangenen Monaten hatten sich immer mehr westliche Verbündete dem Embargo angeschlossen. Erst vor wenigen Tagen hatten die Niederlande bekanntgegeben, den Verkauf von modernsten Lithografie-Maschinen an Peking zu stoppen. Die Geräte des Herstellers ASML kosten bis zu 150 Millionen Euro. Zudem hatte Washington das Embargo abermals verschärft und auch die Ausfuhr von Halbleitern mit geringer Strukturbreite des Unternehmens Nvidia untersagt. Für China wurde die Knappheit immer stärker spürbar – mit gravierenden Konsequenzen für die Wirtschaft. Moderne Chips mit einer Strukturbreite von drei Nanometern und mehr finden überall ihre Anwendung – von Smartphones, Überwachungstechnologie bis Präzisionswaffen.

Peking aber hält einen Trumpf in der Hand – und der befindet sich am Anfang der Wertschöpfungskette. Die Volksrepublik dominiert den globalen Markt der seltenen Erden. Gallium und Germanium zählen streng genommen nicht zu dieser Gruppe, aber die beiden Elemente teilen, was Eigenschaften und Abbau betrifft, viel mit dem Rest dieser Gruppe. 95 Prozent des weltweiten Galliums werden in China hergestellt, und zwei Drittel des Germaniums. Beide Stoffe werden für die Produktion von Halbleitern benötigt, die ihre Anwendung in modernen Solarzellen finden und auch militärisch genützt werden können.

Angebot aus Afrika

Um mögliche Ausfälle chinesischer Rohstofflieferungen für die Chipindustrie aufzufangen, mischt plötzlich die Demokratische Republik Kongo mit. "Wir werden Germanium produzieren, um Material zu ersetzen, das auf dem Markt nicht verfügbar ist", sagte Guy Robert Lukama, Chef des staatlichen Bergbaukonzerns Gecamines, der Nachrichtenagentur Reuters.

Sein Unternehmen hatte sich bereits im Frühjahr die Finanzierung für ein neues Werk zur Gewinnung von Rohmaterialien für die Halbleiterherstellung gesichert. Die Republik Kongo ist die weltgrößte Lieferantin von Kobalt und eines der größten Förderländer von Kupfer. Der afrikanische Staat will darüber hinaus verstärkt Rohstoffe fördern, die für eine umweltfreundliche Transformation der Wirtschaft notwendig sind. Hierzu gehören das in Elektroautobatterien benötigte Lithium, Zinn oder seltene Erden.

Gar nicht so selten

Wie andere seltene Erden sind auch die Elemente Gallium und Germanium eigentlich nicht so selten, sie fallen gewöhnlich als Abbauprodukte von anderen Metallen an. Gallium zum Beispiel entsteht als Nebenprodukt bei der Aluminiumproduktion. Da dies meist mit einer schweren Umweltbelastung und gesundheitlichen Belastung einhergeht, haben westliche Staaten schon in den 1980er-Jahren begonnen, die Produktion und den Abbau der Metalle in andere Länder mit laxeren Umweltstandards auszulagern. Ein "Fund" größerer Erden, wie im Jänner in Norwegen, nützt also zunächst nicht viel. Es geht darum, diese in großem Stil zu fördern, ohne gigantische Schäden zu verursachen. Peking bot sich früh als Alternative an. Deng Xiaoping hatte schon 1987 verkündet, "der Nahe Osten hat Öl, China hat seltene Erden".

Dass China wenige Hemmungen hat, die Karte in einem Wirtschaftskrieg auszuspielen, erfuhr Japan zuletzt 2012. Nachdem es zu einem Streit um eine unbewohnte Inselgruppe im Gelben Meer gekommen war, kappte Peking umgehend – allerdings ohne offizielle Begründung – die Ausfuhr seltener Erden nach Japan.

Wie schwer sich die Exportkontrollen auf die globale Chipindustrie auswirken werden, ist zunächst unklar. Vorerst handelt es sich nicht um ein volles Embargo, Exporteure müssen sich die Ausfuhr ins Ausland aber vorher genehmigen müssen. Preissteigerungen gelten als wahrscheinlich. Am Donnerstag trifft US-Finanzministerin Janet Yellen in Peking ein, um über die angeschlagenen Wirtschaftsbeziehungen zu beraten. (Philipp Mattheis, 6.7.2023)