Bei dem Asylkompromiss der EU-Innenminister werden bisherige Belastungen "anerkannt, wenn man so will angerechnet". Das sagte Europaministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) im APA-Sommergespräch auf die Frage, ob Österreich bereit wäre, gemäß dem Asylkompromiss neue Migranten aufzunehmen oder Kompensationszahlungen zu leisten. Edtstadler forderte außerdem rasches Handeln auf dem Westbalkan. "Die Europäische Union kann sich keine weiteren Konflikte auf europäischem Boden leisten."

Pushbacks an der deutsch-österreichischen Grenze kann sich Edtstadler "beim besten Willen nicht vorstellen".
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"Wir haben schon sehr viele Asylanträge zu stemmen", verwies Edtstadler auf die 100.000 Asylanträge in Österreich im Vorjahr. Wichtig sei, dass im Vorschlag der Innenminister die "bisherige Belastung Berücksichtigung findet und Österreich damit keine zusätzlichen Migranten aufzunehmen hat". Dass Polen und Ungarn den Kompromiss beim EU-Gipfel nicht mittragen wollten, "tut dem Prozess, der von den Innenministern angestoßen wird, keinen Abbruch", erklärte sie. Diese Entscheidung, die mit qualifizierter Mehrheit der Innenminister getroffen wurde, sei auch von jenen Ländern "zu akzeptieren", die nicht mitgestimmt hätten. Wichtig sei nun, dass die Verhandlungen des Trilogs mit EU-Kommission und EU-Parlament über eine endgültige Regelung rasch vorangehen.

"Hochdramatische Situation" in Frankreich

Die Krawalle in Frankreich nach dem Tod eines Jugendlichen mit Migrationshintergrund bezeichnete Edtstadler als Alarmsignal. "Die hochdramatische Situation muss auch für andere Staaten alarmierend sein. Sie zeigt, was passiert, wenn man einem Land zu viel zumutet, was Migration betrifft." In Frankreich sei "zu viel an den Rand gedrängt worden", sagte die Ministerin in Anspielung an die Vororte großer Städte. "Wenn man integrieren möchte, dann geht's nur bis zu einer gewissen Anzahl an Menschen. Dies ist genau der Grund, warum wir so eine klare Haltung haben in der Migration."

Das Unglück eines Flüchtlingsbootes vor der griechischen Küste Mitte Juni sei "eine wahre Tragödie". Forderungen nach einem EU-Vertragsverletzungsverfahren im Falle einer Mitschuld der griechischen Küstenwache an dem Tod von mutmaßlich hunderten Migranten will Edtstadler nicht teilen. "Schuld an einer derartigen Situation sind Leute, die Menschen auf Boote locken, die nicht seetauglich sind, die ihnen Tausende von Euro aus der Tasche ziehen für eine Überfahrt in eine vermeintliche Hoffnung, die sich in den allermeisten Fällen nicht bestätigen wird."

Pushbacks an deutsch-österreichischer Grenze?

Sie habe volles Vertrauen in die griechische Regierung, dass diese die Ursache des Unglücks aufklären werde - ebenso wie die Vorwürfe von Pushbacks. Pushbacks an der deutsch-österreichischen Grenze, wie von NGOs den deutschen Behörden vorgeworfen, kann sich Edtstadler unterdessen "beim besten Willen nicht vorstellen".

Angesichts der Lage in den EU-Beitrittswerberländer am Westbalkan sprach sich Edtstadler für rasches Agieren der EU aus. "Die Europäische Union kann sich keine weiteren Konflikte auf europäischem Boden leisten und deswegen müssen wir jetzt handeln", betonte Edtstadler gegenüber der APA. Sie sei sehr besorgt über die Spannungen in der Region. Die EU sollte "schauen, dass das nicht eskaliert".

Die EU müsse Präsenz zeigen, Unterstützung geben und den Staaten klar vermitteln, dass sie in der EU willkommen seien. Wichtig sei ein Austausch auf Beamtenebene etwa im Justizbereich und bei der Korruptionsbekämpfung. Die Fortschrittsberichte für alle Kandidatenländer inklusive der Ukraine erwartet Edtstadler im September.

Auf EU-Ebene "Kräfte bündeln"

Bei der Ukraine betonte sie erneut: Es gibt keine Abkürzung im Erweiterungsprozess. Die EU bereite sich auf die Erweiterung vor. Vieles werde Europa "neu denken müssen", etwa die bisherige Kohäsions- und Landwirtschaftspolitik angesichts der großen Agrarsektoren von Ländern wie der Ukraine und Albanien. "Veränderungen brauchen Zeit, deswegen hoch an der Zeit, das jetzt anzugehen."

Edtstadler bekräftigte außerdem, auf EU-Ebene mit der italienischen Ministerpräsidentin Giorgia Meloni zusammenarbeiten zu wollen. "Wir müssen einfach Kräfte bündeln im europäischen Kontext", erklärte Edtstadler. "Wir sollten die reinholen, die proeuropäisch denken", betonte Edtstadler und sieht dies bei Meloni gegeben. Andere Kräfte wie etwa die Partei der französischen Rechtspopulistin Marine "Le Pen würde wir nicht einladen in die Familie der EPP (Europäische Volkspartei EVP, Anm.)."

Im Zusammenhang mit der EU-Wahl im Juni 2024 bestätigte Edtstadler, nicht für das Europaparlament kandidieren zu wollen. Sie werde sich aber im EU-Wahlkampf engagieren. Bei der Frage nach dem Amt als EU-Kommissarin antwortete Edtstadler: "Mein Herz schlägt für Europa." (APA, red, 6.7.2023)