Von Minute zu Minute scheint es heißer zu werden. Die Sonne brennt auf den Gehsteig. Schattige Fleckchen sind keine in Sicht, dafür umso mehr parkende Autos und mehrstöckige Zinshäuser. Nicht einmal die Bäume helfen: Nur zwei davon gibt es in der knapp 300 Meter langen Greiseneckergasse im 20. Wiener Bezirk.

Doch vor der Hausnummer 5 verspricht ein Schild Entlastung. "Coole Zone – Reinkommen und abkühlen" steht in weißer Schrift auf hellblauem Hintergrund. Dahinter: eine Art Windfang mit zwei Stühlen, einem kleinen Tisch und einem Aschenbecher. Zwei sportlich bekleidete Frauen sitzen dort und rauchen.

Eine Frau betritt die Cool Zone
Im Kühlraum in der Brigittenau ist es einer Besucherin schon fast zu kalt.
Heribert Corn

Plötzlich geht die weiße Eingangstür auf, eine ältere Dame mit Kurzhaarschnitt tritt heraus. "Buh, jetzt muss ich mich erst mal etwas aufwärmen", sagt sie. Die Raucherinnen lachen. Zweck erfüllt.

Dem Hitzestress entkommen

Hinter der Eingangstür befindet sich einer von drei kostenlos zugänglichen Kühlräumen, die die Stadt Wien diesen Sommer für die Bevölkerung eingerichtet hat. Sie sind in drei Bezirken gelegen – und dort in Grätzeln, in denen es besonders heiß wird. In jedem Kühlraum hat es angenehme 20 bis 24 Grad. Die Idee dahinter: Wer möchte, kann einfach hinkommen und dort Zeit verbringen. So sollen auch Personen, die sich keine Klimaanlage leisten können, dem Hitzestress entfliehen können. Zumindest für eine Zeit.

Der Temperaturunterschied ist beim Eintreten sofort spürbar. An einem Tisch sitzen sieben Seniorinnen und plaudern – sie erzählen einander Geschichten von früher und diskutieren Probleme von heute. Die Frauen kennen die Räumlichkeiten gut: Hier befindet sich das ganze Jahr über ein städtischer Pensionistenklub, im Sommer ist nun auch die Kühlzone hier untergebracht. Zugänglich ist sie nicht nur für Seniorinnen und Senioren, sondern für alle Altersgruppen.

Die Seniorinnen genießen die kühle Luft
Die Seniorinnen sitzen zusammen, plaudern - und genießen die kühle Luft.
Heribert Corn

An den Wänden hängen Bilder, manche sind von den Besucherinnen und Besuchern selbst gemalt. Darunter stehen drei Sofas und ein Tisch mit einer Schale frischer Pfirsiche. Rund 30 Pflanzen verdecken die Fensterfront beinahe zur Gänze. Die Greiseneckergasse ist durch die Blätter kaum mehr zu sehen – und die dort draußen herrschende Hitze längst vergessen.

Eine Zone pro Bezirk

Temperaturen von mehr als 30 Grad sind besonders für Ältere und Kinder belastend – und mitunter sogar lebensgefährlich. Deshalb hat Klimastadtrat Jürgen Czernohorszky (SPÖ) bereits im Vorjahr angekündigt, "Coole Zonen" einzurichten. Heuer ging das Projekt in die Pilotphase: Die erste hat im Juni aufgesperrt, eine weitere im Juli. Im August soll dann das für heuer letzte Center der Stadt Wien eröffnen. Seit 2018 bietet übrigens auch das Rote Kreuz im Juli und August in der Shopping City Nord ein Cooling Center an. Dieses Jahr wird es erstmals auch ein zweites in der Millennium City geben, das ab 17. Juli geöffnet ist.

Die "Coole Zone" in der Greiseneckergasse ist – wie alle anderen stätischen Kühlräume auch – mit eigenem WLAN-Zugang ausgestattet. Kalte Getränke sind kostenlos zu bekommen. An besonders heißen Tagen sind, zusätzlich zur Raumaufsicht, auch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Roten Kreuzes vor Ort. Im Zuge der Pilotphase soll unter anderem mit Fragebögen, die in fünf verschiedenen Sprachen aufliegen, ermittelt werden, wie das Projekt bei den Leuten ankommt.

Ziel sei es, die gekühlten Räume in dicht bebauten Gebieten mit vielen älteren Anrainern und Kindern zu etablieren, heißt es vonseiten der Projektleitung. Von der städtischen Klimadirektion wurde im Vorjahr das Ziel ausgegeben, pro Bezirk mindestens einen Kühlraum zu schaffen. Jenen im 20. Bezirk haben im Juni laut Angaben der Stadt bereits 550 Personen besucht. Besonders am Nachmittag kämen viele - dann, wenn die Temperaturen hoch sind und Wien aufgeheizt ist.

Eiszeit und Urlaubsgefühl

An diesem Nachmittag sind an die zehn Personen, hauptsächlich Seniorinnen und Senioren, da. Sie sind zur rechten Zeit gekommen: Um 14 Uhr herrscht Eiszeit. Pensionistenklub-Leiterin Claudia Hörl serviert gemeinsam mit einem Mitarbeiter und einer Mitarbeiterin in Glasschüsselchen Eis – mit Schlag und Waffeln. Ob es schmeckt? "Da hat der Cremissimo großartig gekocht", befindet eine Besucherin.

Die Besucher lassen sich das Eis in der Cool Zone schmecken 
Ob das Eis schmeckt? "Da hat der Cremissimo großartig gekocht."
Heribert Corn

Abgesehen vom Eis sollen drei gelbe Liegestühle der Kühlzone eine Art Urlaubsflair verleihen. Ein klein wenig wie am Strand in Jesolo, nur halt ohne Meerzugang und mitten im Grätzel.

Was den Anwesenden hier besonders gefällt? "Die gute Gesellschaft", bekommt man zu hören. Auch das Angebot an Brett-, Würfel- und Kartenspielen komme gut an, erzählt Leiterin Hörl. Als die Eisschüsserln leer sind, tritt die Seniorinnengruppe quasi den Beweis an: Die Damen bauen Rummikub, ein Legespiel, auf. Zwei Männer, die mittlerweile die "Coole Zone" betreten haben, tun es den Damen gleich.

Die Seniorinnen entspannen sich in den gelben Liegestühlen 
Die Liegestühle und ein kühles Getränk sorgen für Entspannung.
Heribert Corn

Das Thermometer im Raum zeigt 24,5 Grad an. Nicht ganz die versprochenen Temperaturen. Doch das ist schnell verziehen, sobald man sich wieder durch die Tür wagt. Zurück nach draußen, zurück in die Hitze. (Luca Arztmann, 9.7.2023)