Das Bild zeigt einen Smartphone-Bildschirm mit unterschiedlichen Social-Media-Apps.
Experten aus Österreich bringen sich mit einem offenen Brief in die Diskussion rund um die Überwachung von Messenger-Diensten ein.
APA/AFP/Sankar

In einem Offenen Brief an Innenminister Gerhard Karner und Digitalisierungsstaatssekretär Florian Tursky (beide ÖVP) kritisieren rund 20 österreichische Professoren die Chatkontrolle, über die die EU derzeit debattiert. Ziel der anlasslosen Überwachung von Messenger-Diensten ist es, den Terrorismus oder die Verbreitung von Missbrauchsdarstellungen zu bekämpfen. "Dieser Vorstoß ist nicht sicher und effektiv umsetzbar", so das harte Resümee der Experten.

"Wirklich Kriminelle, die wissen, das sie kriminelles Material wie zum Beispiel Kinderpornografie oder terroristisches Material untereinander austauschen, die werden sofort ausweichen", warnte René Mayrhofer von der Johannes-Kepler-Universität (JKU) vor der flächendeckenden Überwachung von Messenger-Diensten im Ö1 Morgenjournal am Donnerstag. Neben Mayrhofer haben Professoren und Professorinnen aus Linz, Graz, Wien und St. Pölten aus den Bereichen Security, Künstliche Intelligenz und Recht den Brief unterzeichnet.

Derzeit sei keine Weiterentwicklung der entsprechenden Technologien absehbar, die eine solche Umsetzung technisch ermöglichen würde, heißt es in dem Brief. "Diese Gesetzesinitiative verfehlt daher ihr Ziel, ist gesellschaftspolitisch gefährlich und würde die Sicherheit unserer Kommunikationskanäle für den größten Teil der Bevölkerung nachhaltig schädigen." Dass einzelne Staaten oder die EU festlegen würden, welches Material als problematisch gelte, stimme Mayrhofer besorgt: "Wir brauchen gar nicht so weit schauen, es gibt EU-Staaten, die haben ein Problem mit Homosexualität. Es gibt Staaten, die gehen jetzt schon aktiver gegen die politische Opposition vor. Wo endet die Einstufung, was problematisches Material ist?"

Geplante Überwachung verfehlt eigentliches Ziel

Sollte die breite Überwachung verschiedener Kommunikationskanäle kommen, gibt es nur zwei Möglichkeiten, betonte Mayrhofer gegenüber Ö1: "Wenn sie sich beugen werden, wird die breite Bevölkerung dem unterworfen sein. Die wird überwacht werden, die Kriminellen aus unserer Sicht nicht. Wenn sich die Messenger-Dienste nicht beugen, dann sind sie innerhalb der EU einfach nicht mehr verfügbar, dann gibt es hier kein Signal und kein Whatsapp mehr." Aus dem Innenministerium heißt es gegenüber Ö1, man sehe die Pläne der EU-Kommission Messenger-Dienste im großen Stil zu überwachen kritisch.

Die Diskussion rund um die Überwachung von Messenger-Diensten wie Telegram oder Signal war in Österreich erneut entflammt, nachdem die Direktion für Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN) am Tag nach der Pride-Parade in Wien bekannt gab, einen geplanten Anschlag vereitelt zu haben. Befeuert wurde sie vergangene Woche, als Cobra und Staatsschatz in Ober- und Niederösterreich bei Rechtsextremen und Mitgliedern einer Biker-Gang hunderte Schusswaffen sichergestellt hatten. Sicherheitsbehörden fordern seit Monaten mehr Kompetenzen zur digitalen Überwachung. Hier gehe es aber nicht um Massenüberwachung, sondern darum "einzelne Gefährder, die es zweifelsohne gibt, aus dem Verkehr zu ziehen. Da braucht die Polizei die entsprechenden Befugnisse und Kompetenzen dazu", betonte Karner bereits kurz nach der Parade. (APA, 6.7.2023)