Ein ÖBB-Schnellzug-Railjet und ein Westbahn-Zug stehen zur Abfahrt bereit auf dem Salzburger Hauptbahnhof. 
Die ÖBB-Railjet-Schnellzüge von Siemens bekommen bald Konkurrenz, dann fahren Westbahn und ÖBB mit Doppelstockzügen quasi um die Wette.
imago images/SKATA

Der ÖBB-Personenverkehr schafft im Zuge seines 4,7 Milliarden Euro schweren Investitionspakets eine Premiere: Erstmals setzt die Staatsbahn im Fernverkehr auf Doppelstockzüge – DER STANDARD berichtete bereits im Mai. Sie wird mit der 2026 beginnenden Auslieferung der einstöckigen Elektrotriebzüge des Typs Kiss quasi mit der Westbahn um die Wette fahren. Auch sie ist mit Rollmaterial von Stadler unterwegs.

Die Auslieferung der 14 Railjet-Dostos, die wie der klassische, von Siemens produzierte Railjet lackiert sein werden, beginnt 2026 – sofern es nicht zu Verzögerungen kommt. "Wir setzen auf Schweizer Präzision", gab sich ÖBB-Chef Andreas Matthä bei der Präsentation der Zugbestellung am Donnerstag betont optimistisch. Das Schweizer Uhrwerk werde hoffentlich pünktlich sein. Stadler-Verwaltungsratschef Peter Spuhler bejahte dies erwartungsgemäß, man liefere Doppelstockwagen seit 2010 pünktlich aus.

Mit Verspätung

Einen Seitenhieb auf die anhaltenden Lieferverzögerungen der bei Siemens bestellten Railjet-Schnellzüge verkniff sich ÖBB-Holding-Chef Mathä freilich nicht – ohne den Namen Siemens zu erwähnen: Die bei einem deutschen Hersteller georderte neue Generation an Railjets werde hoffentlich im Frühjahr 2024 kommen. Die Nachtzüge ("Nightjet") sollen mit dem Winterfahrplanwechsel Anfang Dezember 2023 auf Schiene sein.

Neben den 14 sechsteiligen Doppelstockzügen für den Fernverkehr, die rund 300 Millionen Euro kosten und keine Speisewagen haben werden (aber stattdessen Catering-Zonen), kauft die ÖBB um weitere 300 Millionen Euro weitere 21 vierteilige Doppelstockzüge für den Nah- und Regionalverkehr ("Cityjet-Doppelstock") in der Ostregion.

Im Gegensatz zum herkömmlichen Railjet sind die neuen Züge durchgängig barrierefrei, die Zahl der Sitzplätze erhöhe sich je nach Länge und Beschaffenheit des Rollmaterials um rund 40 Prozent. Direkt vergleichbar sind die Züge nicht, denn Railjets sind siebenteilig. Die Türen der Dostos sind breiter, es sollten also schnellere Fahrgastwechsel möglich sein, was den Aufenthalt an Haltestellen und Bahnhöfen verkürzen sollte.

1,3 Milliarden Euro

Zusammen mit den bereits im Vorjahr bestellten 41 Cityjet-Dostos (um rund 700 Millionen Euro) werden somit insgesamt 76 Triebzüge um 1,3 Milliarden Euro aus dem mit Stadler Rail geschlossenen Rahmenvertrag über bis zu 186 Dostos abgerufen.

Die ÖBB-Personenverkehr AG bekommt ab Frühjahr 2026 erstmals Doppelstockzüge. Sie werden rot wie der Railjet sein, aber auf zwei Etagen.
So wird er aussehen, der Railjet mit Sitzplätzen auf zwei Etagen.
APA/ÖBB/STADLER RAIL

Bis das neue Wagenmaterial ausgeliefert wird, könnte es in den ÖBB-Zügen – nicht nur in der Ferien- und Urlaubszeit – bisweilen eng werden. Die Zahl der Fahrgäste im Fernverkehr liege heuer bereits um zwanzig Prozent höher als 2019, dem letzten Jahr vor der Pandemie, das ein Rekordjahr gewesen sei. Dem sprunghaften Anstieg sei man nicht immer gewachsen, räumte Matthä ein, aber mit dem neuen Wagenmaterial werde dies dann besser.

Im Anrollen

Apropos neues Rollmaterial: Die nächste Vergabe ist bereits in der Pipeline. Es geht um einen Rahmenvertrag über bis zu 540 Züge für die Modernisierung des Nahverkehrs und neue Garnituren für den Regioverkehr, wie der inneralpine Fernverkehr, etwa die Strecke von Linz nach Graz, bahnintern genannt wird. Um welche Züge es sich dabei handelt, wird gehütet wie ein Staatsgeheimnis.

In der Branche heißt es, mit diesen Triebzügen würden sukzessive die in die Jahre gekommenen Regionalzüge des Modells "Talent-2" ersetzt. Um diesen Großauftrag in Milliardenhöhe matchen sich dem Vernehmen nach alle großen Hersteller. Wer das Rennen macht, könne noch diese Woche entschieden werden. Bis veröffentlicht wird, wer den Zuschlag erhält und wie viele Züge in welcher Länge und Ausstattung in einer ersten Tranche abgerufen werden, wird es allerdings noch dauern. Denn nach Zuschlagserteilung gilt für beide Seiten eine zehntägige Schweige- und Stillhaltepflicht.

(Luise Ungerboeck, 6.7.2023)