"Das Schönste an Zuhause sind die Menschen, mit denen man es teilt", steht auf einem riesigen Werbebanner, das an einem Baugerüst über die komplette Fassade eines Zinshauses in der Columbusgasse in Wien-Favoriten gespannt ist. Herr H., der hier lebt, kann über diesen Spruch nur müde schmunzeln. "Reiner Zynismus", sagt er.

Ein Haus der Pecado III Liegenschaftsverwertungs Gmbh in der Columbusgasse in Wien-Favoriten.
Ein Haus der Pecado III Liegenschaftsverwertungs Gmbh in der Columbusgasse in Wien-Favoriten.
Putschögl

Das Haus soll saniert und das Dachgeschoß ausgebaut werden. Altmieter, die seit Jahren mitten in einer Baustelle leben, sprechen von Schikane durch den Eigentümer, die Firma Pecado III Immobilienverwertungs GmbH. In anderen Häusern, die der Firma gehören, ist die Situation ähnlich.

Seit Jahren steht ein Baugerüst

Im Jahr 2020 hat die Firma das Haus gekauft. Wenig später wurde ein Baugerüst aufgestellt und das eingangs erwähnte Werbebanner vor den Fenstern der Mieter aufgespannt – ohne diese vorher zu informieren. Das Dach wurde teilweise abgetragen.

Welche Bauarbeiten genau geplant sind, erfuhren die Mieter nie. Jene mit befristeten Mietverträgen zogen nach und nach aus. Heute sind nur noch zwei Wohnungen bewohnt – von über 80-jährigen Senioren mit unbefristeten Verträgen, die hier seit Jahrzehnten leben. "Ich wurde nie gefragt, ob ich ausziehen will, aber ich hätte es auch nicht gemacht", sagt einer von ihnen. "Ich bin in Favoriten verwurzelt. Einen Umzug würde ich nicht mehr überleben."

Fenster wurden herausgerissen

Dann passierte auf der Baustelle laut den Mietern lange nichts. Eines Tages im Jänner 2022 rissen Bauarbeiter plötzlich alle Fenster im Stiegenhaus heraus. "Obwohl die erst vor fünf Jahren eingebaut wurden", sagt der Altmieter. Die Öffnungen wurden mit Planen abgedeckt, neue Fenster wurden bis heute keine eingebaut. "In meinem Vorzimmer und meiner Toilette hatte es zwei Winter lang Temperaturen wie in einem Eiskasten", sagt der Mieter.

In den Wohnungen der Pensionisten ist es seit drei Jahren halbdunkel, wegen des Werbebanners, das vor ihren Fenstern hängt. Dazu kommt ein Müllproblem, weil in die übrigen leerstehenden Wohnungen Bauarbeiter der mit Pecado personell eng verbundenen Baufirma DMG Bau einzogen. Mehr Mülltonnen wurden allerdings nicht aufgestellt. Seitdem ist der Hof regelmäßig vermüllt. In Pfützen liegen tote Ratten.

Wohnhaus Columbusgasse in Wien-Favoriten
Wegen der Werbebanner ist es seit Jahren dunkel in den Wohnungen.
Putschögl

Der ehemalige Hausverwalter der Liegenschaft sagt, er habe Mängel wie jene mit den Fenstern und dem Müll laufend an die Pecado III Liegenschaftsverwertungs GmbH weitergeleitet. Entsprechende Mails kann er vorlegen. Von einer Pecado-Mitarbeiterin heißt es dennoch, man habe keine Forderungen erhalten, obwohl sogar schon ein Verfahren bei der Schlichtungsstelle anhängig ist und ein Gutachten über die Mängel von der MA 25 (Technische Stadterneuerung) vorliegt. Die Mitarbeiterin behauptet sogar, dass die Firma Pecado nicht Eigentümerin des Hauses sei – obwohl sich das mit einem Blick in das öffentliche Grundbuch leicht widerlegen lässt (UPDATE: Tatsächlich steht die Pecado III Liegenschaftsverwertungs Gmbh im Grundbuch, und nicht die Pecado GmbH, siehe unten). Vonseiten der Pecado-Geschäftsführung wurde trotz mehrfacher Anfrage nicht Stellung genommen.

Kein Einzelfall

Besucht man andere Häuser, die zum Pecado-Firmengeflecht gehören, versteht man, warum. Dort sind die Zustände nämlich ähnlich trist. DER STANDARD hat drei weitere Pecado-Häuser in Wien besucht. Überall steht seit Jahren ein Baugerüst, auf den Baustellen passiere aber herzlich wenig, sagen die Mieter. Die Dächer sind teilweise abgetragen, aber offenbar nicht ordentlich abgedeckt. Von außen sieht man nur Plastikplanen und Pressspanplatten. Die Mieter in den oberen Stockwerken sprechen von Wasserschäden im Dreimonatstakt und daraus resultierenden Stromausfällen und Schimmelproblemen. "Die bauen da oben Luxuswohnungen, dafür ist meine kaputt", sagt eine Mieterin.

"Aussiedelungsfälle" nennt man solche Konstellationen unter Mietrechtsexperten. Für Pecado wären Häuser wie jenes in Favoriten wertvoller, wenn keine Altmieter darin wohnen würden. Eine Informationspflicht über Bauvorhaben gegenüber Mietern gibt es nicht. Wenn man durch Bauarbeiten aber wesentlich in seinem Mietrecht eingeschränkt wird, kann man eine Mietzinsreduktion durchsetzen. "Die liegt normalerweise zwischen fünf und 30 Prozent", sagt Andreas Pöschko, Jurist bei der Mietervereinigung Wien. Den Namen Pecado kennt man dort bereits. Zuletzt war das Firmen-Konglomerat in den Schlagzeilen, weil in einem seiner Häuser, das großflächig an Flüchtlinge untervermietet worden war, mitten im Winter der Strom abgestellt wurde, weil es keinen aufrechten Energievertrag gab. DER STANDARD hat berichtet.

Sollte man das Gefühl haben, dass der Eigentümer des Hauses, in dem man wohnt, einen zum Auszug bewegen will, dann sei es besonders wichtig, sich nicht angreifbar zu machen und keinen Kündigungsgrund zu liefern, rät Pöschko von der Mietervereinigung. Zum Beispiel sollte man auf keinen Fall aus Protest weniger oder keine Miete mehr überweisen. Am besten wendet man sich sofort an die Mietervereinigung oder die Mieterhilfe der Stadt Wien. Dort wird man juristisch beraten und beim Durchsetzen etwaiger Ansprüche unterstützt.

Verfahren läuft

Bei der Baupolizei kennt man den Namen Pecado mittlerweile ebenfalls. An den Adressen, die DER STANDARD besuchte, seien jeweils Baubewilligungen für Dachgeschoßausbauten erteilt worden, berichtet Gerhard Cech, Leiter der MA 37 (Baupolizei). "Ab Baubeginn sind vier Jahre Zeit für die Fertigstellung, sodass wir auf die Geschwindigkeit des Bauablaufes keinen Einfluss haben." Treten Probleme auf, wie etwa ein Wassereinbruch in einem Pecado-Haus in der Senefeldergasse, schreite man aber ein, "und es wird auch der Schaden von der Baufirma unmittelbar behoben". Die Mieterhilfe sei aktiv, um die mietrechtlichen Ansprüche der Bewohnerinnen und Bewohner durchzusetzen, sagt Cech.

Wegen der herausgerissenen Fenster in der Columbusgasse ist auch bereits ein Verfahren anhängig. Bloß, dass von Pecado zur Verhandlung im April 2023 einfach niemand erschienen ist. Nun wird der Geschäftsführung das Verhandlungsprotokoll zugestellt. Sollte darauf keine Reaktion folgen, wird die Entscheidung auf Basis des Gutachtens der MA 25 gefällt. Vor einigen Wochen wurde den Mietern im Haus das Gas abgedreht. Als Ersatz wurden ihnen zumindest Elektroherde und Warmwasserboiler eingebaut. "Ich glaube, langsam haben sie (die Firma Pecado, Anm.) akzeptiert, dass sie uns Fossile da nicht mehr rauskriegen", sagt ein Altmieter kämpferisch. (Johannes Pucher, Martin Putschögl, 27.7.2023)