Sechs Drohnen schwirren zwischen Apfelbäumen umher. Ruckartig nähern sie sich den rot glänzenden Früchten und kommen für einen kurzen Augenblick vor ihnen zum Stehen. Ist die Frucht reif, schnappt der Arm zu. Die fliegenden Erntehelfer werfen die Äpfel in ein Auffangbecken, an dem sie mit einem Kabel hängen. Es versorgt sie mit Strom und Daten.

"Das Problem ist, dass es nicht genügend Erntehelfer gibt", sagt Yanir Maor. In Zukunft würden sie auch eher nicht mehr werden, "gleichzeitig sollten wir aber immer mehr Früchte ernten, weil die Bevölkerung wächst". Diese Lücke will Maor mit seiner Technologie schließen. Er arbeitet bei Tevel Aerobotics Technologies und hat die Drohnenpflücker mitentwickelt. Ein Video zeigt ihn inmitten der Apfelbäume in einer israelischen Plantage sitzen – während Drohnen erkennen, ob die Früchte reif sind. Dabei hilft ihnen eine künstliche Intelligenz, die zuvor mittels Bildern von Äpfeln trainiert wurde. Wie das System genau funktioniert, hat das Unternehmen auf STANDARD-Nachfrage nicht beantwortet. Man sei aktuell mit der Ernte beschäftigt, Zeit für Interviews hätte man erst wieder im November.

In Israel ernten Drohnen die Äpfel vom Baum
Ein israelisches Start-up tüftelt an Drohnen, die Äpfel ernten.
AFP

Reife Röte

Antworten, wie die apfelpflückende Drohnen funktionieren könnte, versuchen dafür Alexander Bauer und Viktoria Motsch zu liefern. Die beiden forschen am Institut für Landtechnik an der Boku Wien und sind mit KI-unterstützen Kamerasystemen bestens vertraut. Sie arbeiten mit Landwirtinnen und Landwirten in Niederösterreich zusammen, bei denen zwar keine Drohnen Äpfel pflücken, dafür säen Roboter aber beispielsweise Rüben aus oder hacken Unkraut.

Ob es nun um reife Äpfel oder Unkraut geht – Sensorik und Forschungsprozess sind laut Motsch ähnlich: Der Algorithmus wird mit tausenden Trainingsbildern gefüttert, bis das Modell automatisiert arbeitet. Dieser Prozess kann mehrere Wochen dauern, je nachdem, wie stark die Serverleistung ist. Je besser die Modelle sind, desto rascher können Drohnen am Feld reife Äpfel erkennen und pflücken. Gerade in diesem Bereich werde sich in den kommenden Jahren viel tun.

KI-generiertes Bild, das eine Illustration eines Roboters zeigt, der durch ein Feld fährt
Der Algorithmus wird mit tausenden Bildern gefüttert, bis das Modell weiß, wie ein reifer Apfel aussieht.
Midjourney

Der Reifegrad von Äpfeln kann laut Motsch beispielsweise am Rotanteil und der runden Form gemessen werden. Wie genau allerdings einzelne Modelle wie etwa der Äpfelpflücker in Israel funktionieren, sei laut Motsch von außen schwer zu erkennen. Zumal die Firmen auch nicht veröffentlichen, wie ihre Modelle arbeiten.

Dass die Drohnen im Video autonom fliegen und den Reifegrad der Äpfel erkennen, zeigt laut Bauer zwar das riesige Potenzial der Technologie, trotzdem ist er skeptisch, ob die Drohnen je überall eingesetzt werden. Das Video sei jedenfalls "gutes Marketing", aber die Technologie ist "nicht frisch am Markt" und konnte sich zumindest bisher nicht durchsetzen. Das könnte auch daran liegen, dass Menschen laut Bauer aktuell immer noch schneller und genauer arbeiten. "In der Zeit, in der eine Drohne einen Apfel pflückt und ablegt, pflücken Erntehelferinnen und Erntehelfer mehrere Dutzend." Blickt man allerdings auf die Entwicklung der letzten Jahre zurück, könnte sich das rasch ändern. Zumal die Drohnen durchgehend eingesetzt werden könnten.

Raus mit dem Kraut

Rund um die Uhr im Einsatz könnten theoretisch auch die autonomen Unkrauthacker in Niederösterreich sein. Mittlerweile fahren die Roboter langsam, aber selbstständig mit Solarpaneelen betrieben übers Feld und packen das Unkrautproblem bei der Wurzel. Sie graben das Unkraut mechanisch aus und verzichten auf Pestizide. Das System erkennt und jätet bis zu 20 verschiedene Unkraut-Arten.

Auch in der Unkrautbekämpfung sei der Einsatz von KI zwar nichts Neues, sagt Bauer. Pestizidverbote haben der Entwicklung in den vergangenen Jahren aber einen regelrechten Boost verliehen. Dass die Systeme zudem leistungsfähiger und die Kameras leistbarer geworden sind, habe ebenfalls geholfen. Mittlerweile könnten theoretisch auch Handykameras eingesetzt werden.

Erntehelferin pflückt mit beiden Händen Äpfel vom Baum
In der Zeit, in der eine Drohne einen Apfel erntet, pflücken Erntehelferinnen mehrere Dutzend.
IMAGO/U. J. Alexander

Energie marsch

Wie lange wird es also noch dauern, bis die mitunter beschwerliche Arbeit auf den Äckern für den Mensch ein Ende hat und die Maschinen übernehmen? Weder Bauer noch Motsch wollen sich auf eine Zahl festlegen. Dafür müssten Landwirte zunächst viele Maschinen und Geräte austauschen, da sie großteils mit den neuen KI-Systemen nicht kompatibel sind.

Landwirtschaftliche Geräte sind zudem langlebig – ein Traktor fährt laut Bauer oft über 20 Jahre. Und selbst wenn heuer ein Traktor gekauft würde, hieße das nicht, dass das Gerät eine innovative Technologie nutzen kann, die in drei Jahren kommt. "Damit sie funktioniert, muss eine Kette von Sensoren und Geräten schnell und leistungsstark miteinander kommunizieren können", sagt Bauer. Er sieht hier noch viel Entwicklungsbedarf.

Inwiefern KI-unterstütze Geräte am Feld künftig eingesetzt werden, hängt laut Motsch auch von der Kultur ab. In der Getreideernte im Marchfeld beispielsweise sieht sie in den kommenden zehn Jahren kein autonomes System über die Äcker fahren, für die Aussaat von ausgewählten Kulturen wie Anis, Rucola oder Koriander und Unkrautbekämpfung hingegen sehr wohl. Vereinzelt wird die Technologie auch schon eingesetzt. Dass sie in naher Zukunft allerdings großflächig zum Einsatz kommt, glaubt sie nicht. Landwirtschaft sei eine kritische Infrastruktur, das System muss sicher sein, auch rechtliche und ökonomische Aspekte müssen geklärt sein, sagt sie. Außerdem sei die Landwirtschaft in Österreich klein strukturiert, und Investitionen rentierten sich häufig erst ab einer gewissen Größe.

Bauer schätzt, dass autonome Systeme schon bald in der arbeitsintensiven Pflege eingesetzt werden, sprich Unkrautbekämpfung und Pflanzenschutz im Ackerbau. Im Obst- und Weinbau könnte das autonome Bearbeiten der Bereiche unter den Bäumen und Reben, das Mähen und das Mulchen oder auch eine punktuelle Anwendung von Pflanzenschutzmitteln bald Realität werden. Währenddessen dreht der Unkrauthacker in Niederösterreich unvermindert und noch etwas einsam seine Runden. (Julia Beirer, 21.7.2023)