Die Rettung des insolventen Dienstleistungsunternehmens des Tiroler Gemeindeverbandes Gemnova ist gescheitert. Bei einer Bürgermeisterkonferenz am Montag in Zirl sollte über eine Anhebung der Mitgliedsbeiträge um 1,1 Millionen Euro abgestimmt werden. Die vom Land geforderte Zustimmung von 90 Prozent der 276 Bürgermeisterinnen und Bürgermeister wurde aber nicht erreicht. Weil die Beteiligung der Gemeinden zu gering für das notwendige Quorum war, kam es zu gar keiner Abstimmung. Diese wäre die Voraussetzung für ein Sanierungsverfahren gewesen.

Wie die "Tiroler Tageszeitung" berichtete, wurde das Präsidium des Gemeindeverbandes nun damit beauftragt, die Insolvenz seiner Firma abzuwickeln. 700 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind betroffen, 600 davon in der Bildungspool Tirol GmbH. Landeshauptmann Anton Mattle (ÖVP) kündigte an, einem Großteil davon ein "Angebot für einen gleichwertigen Arbeitsplatz" machen zu wollen. Er sah das "Kapitel Gemnova" nunmehr "geschlossen". Eine Rettung gebe es nicht um jeden Preis.

In Konkurs geschickt

Der Schuldenstand der Gemnova wird mit 6,7 Millionen Euro beziffert. Das Unternehmen befindet sich seit Mitte April in einem gerichtlichen Sanierungsverfahren, indem Verbindlichkeiten von 5,4 Millionen Euro anerkannt wurden. 115 Gläubiger hatten Verbindlichkeiten angemeldet.

Das Land hatte in Aussicht gestellt, für einen Entschuldungskredit des Gemeindeverbandes in Höhe von 5,2 Millionen Euro die Ausfallhaftung zu übernehmen. Vergangene Woche gewährte der Tiroler Landtag dem Unternehmen nach einem Beschluss der schwarz-roten Landesregierung außerdem einen Zuschuss von 1,5 Millionen Euro. Dies ist nunmehr hinfällig.

"Neubeginn" im Gemeindeverband

Dem Gemeindeverband selbst könnte als 100-Prozent-Eigentümer der GemNova wegen möglicher Haftungen ebenfalls die Insolvenz drohen. Die Ortschefs zeigten sich am Montag allerdings gewillt, eine solche abzuwenden. Sie sprachen sich für einen Fortbestand des Gemeindeverbandes aus. Im September sollen Neuwahlen stattfinden, hieß es.

Der derzeitige Präsident, ÖVP-Urgestein Ernst Schöpf, stand zuletzt massiv in der Kritik. Den Chefsessel, auf dem er seit 2009 sitzt, will er nun offenbar räumen. "Nachdem ein Neubeginn mit alten Köpfen nicht nach Neubeginn riecht", werde er nicht mehr für die Funktion kandidieren, meinte Schöpf gegenüber ORF Tirol. Die Gemnova sei mit dem heutigen Tage "Geschichte". Sein "Bedarf an Hinterfotzigkeit, Intrigen und Vertrauensbruch ist nachhaltig gestillt. Für mein gesamtes restliches Leben", erklärte er im APA-Gespräch.

Ein Politiker am Rednerpult, hinten das Logo des Landes Tirol.
Gemeindeverbandspräsident Ernst Schöpf (ÖVP) stand zuletzt massiv in der Kritik. Er wird bei der Neuwahl im Herbst nicht mehr kandidieren.
Johann Groder/APA

Eine "wirtschaftlich vertretbare Fortführung" der Gemnova sei "kaum möglich", schrieb auch Landeshauptmann Mattle. Er kündigte an, sich um die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kümmern zu wollen. Für seinen Stellvertreter, den Tiroler SPÖ-Chef Georg Dornauer, galt es, "weiter eine starke Interessenvertretung der Gemeinden sicherzustellen". 

Vielzahl an Zivilprozessen erwartet

Der Kreditschutzverband KSV 1870 ging unterdessen davon aus, dass der Insolvenzvertreter nun Haftungen der Gemnova-Geschäftsführung, des Tiroler Gemeindeverbandes und "der dem Tiroler Gemeindeverband nahestehenden Rechtsträger (Tiroler Gemeinden)" geltend machen werde. Es sei daher mit einer "Vielzahl an Zivilprozessen in den nächsten Monaten" zu rechnen. Außerdem sei zu erwarten, dass weitere Gesellschaften der Gemnova-Gruppe Anträge auf Eröffnung von Konkursverfahren stellen würden. "Eine längerfristige Fortführung dieser Gesellschaften ist mangels vorhandener Kapital- und Liquiditätsausstattung nicht wahrscheinlich", hielt Klaus Schaller vom KSV 1870 fest.

Oppositionelle Kritik

Den Konkurs kommen gesehen haben offenbar FPÖ und Neos. "Was ich immer gesagt habe, es ist vorbei, und dies ist heute eingetreten", kommentierte der Tiroler FPÖ-Chef Markus Abwerzger via Aussendung. Er forderte den sofortigen Rücktritt des gesamten Gemeindeverband-Vorstandes. Dieser habe es "innerhalb von wenigen Jahren geschafft, eine vom Land ständig subventionierte Gesellschaft in den vollkommenen Ruin zu treiben", übte Abwerzger Kritik.  

Mit der Insolvenz der Gemnova sei das eingetreten, "was die Neos schon seit langem prognostiziert haben", schrieben auch die Pinken. Nun schlittere die GmbH "ohne Vorbereitung und ohne Plan in die Insolvenz". Der Bildungspool müsse nun schnellstmöglich in die Bildungsdirektion eingegliedert werden, erneuerte Landtagsabgeordnete Birgit Obermüller eine lange Neos-Forderung. "Gerade mit dem Bildungspool darf es jetzt keine neuen ÖVP-Experimente mit ungewissem Ausgang geben."

"Alternativen für die Beschäftigten, Konsequenzen für die Verantwortlichen", dies forderte indes der Tiroler Grünen-Chef und Klubobmann Gebi Mair. Nun werde zu prüfen sein, ob "Konkursverschleppung vorliegt und wer aller daran beteiligt war".

Ebenso zu Wort meldete sich die Liste Fritz. Es räche sich jetzt, dass "Schöpf und Co. 13 Jahre lang keine Kontrolle wollten, keinen Aufsichtsrat und keinen Betriebsrat installiert haben, und dass die ÖVP-dominierte Landesregierung zwar insgesamt und im Laufe der Jahre 2,7 Millionen Euro Steuergeld zugeschossen, aber nie eine wirkliche Kontrolle eingefordert und schon gar nicht durchgesetzt hat", gab Klubobmann Markus Sint zu Protokoll. Es sei "ein Millionendebakel der ÖVP und eine krachende Niederlage für Landeshauptmann Mattle". (APA/Maria Retter, 10.7.2023)