Der in Oberösterreich beheimatete Onlinesender Auf1 kommt auf den ersten Blick wie harmloses Frühstücksfernsehen daher. Die Moderatorin steht an einem Pult, der Senderchef interviewt Gäste. Es gibt Nachrichten, Reportagen und eine Außenstelle in Berlin. Als eine der Moderatorinnen und Reporterinnen tritt regelmäßig die bekannte Schauspielerin Sabine Petzl ("Medicopter", "Dancing Stars") vor die Kamera. Alles wirkt bei Auf1 – der Sendername ist ein Akronym für "alternatives, unabhängiges Fernsehen, Kanal 1" – aufwendig und kommt einigermaßen professionell daher.

Auf1, Sabine Petzl, Martin Rutter, Demonstration in Wien
Auf1-Reporterin Sabine Petzl bei einer Demonstration in Wien.
Foto: Markus Sulzbacher

Erst Ende Mai 2021 gestartet, hat es Auf1 geschafft, das Medium jener Zielgruppe im deutschen Sprachraum zu werden, die hinter allem und jedem eine Verschwörung wittert und sich nach "einem starken Mann" sehnt. Mit einer Mischung aus Horrormeldungen über Corona-Impfungen und knallharter rechtsextremer Propaganda ist Auf1 zu einem der reichweitenstärksten rechtsextremen Medien aus Österreich geworden.

"Globalisten" und andere Verschwörungserzählungen

Der Sender teilt gern gegen etablierte Fernsehstationen aus, nennt sie "Staatspropaganda" oder "gekaufte Medien", die den "Menschen irrsinnige Konzepte einreden" wollten und "kritische Meinungen unterdrücken" würden. Durch sein Programm zieht sich, dass immer wieder vor den "Globalisten" gewarnt wird. Egal ob Pandemie, Migration oder Aufstand der Wagner-Söldner in Russland, immer kommen die "Globalisten" ins Spiel – es ist ein Codewort, das Rechtsextreme anstatt "die Juden" verwenden.

Als vermeintliche Experten treten Rechtsextreme wie Identitären-Anführer Martin Sellner oder Neurechte-Ideologen wie Götz Kubitschek oder Jürgen Elsässer vor die Auf1-Kamera. Elsässer, seines Zeichens Herausgeber der rechtsextremen Zeitschrift "Compact", nutzte den Sender, um sich medienöffentlich über den russischen Überfall auf die Ukraine zu "freuen". So zeige der russische Präsident Wladimir Putin dem "globalistischen Imperium seine Grenzen" auf, erklärte Elsässer.

Mit diesem Angebot hat Auf1 es geschafft, monatlich hunderttausende Zuseher und Zuseherinnen zu erreichen. Auf Telegram folgen dem Sender mehr als 241.000 Personen. Eine stattliche Zahl.

FPÖ-Chef Herbert Kickl in einem Auf1-Video
FPÖ-Chef Herbert Kickl gratuliert Auf1.
Foto: Screenshot/Telegram

Die Relevanz von Auf1 unterstrichen auch die Gratulanten, die dem Sender Ende Mai zum zweiten Geburtstag gratulierten. Neben Größen der Corona-Protestszene in Österreich und Deutschland wie "Mega-Demo"-Organisator Martin Rutter, dem Querdenken-Initiator Michael Ballweg oder dem Mediziner Sucharit Bhakdi gratulierten auch FPÖ-Chef Herbert Kickl und der AfD-Politiker Björn Höcke.

Zum Konzept von Auf1 gehört es offenbar auch, das Publikum ständig um Unterstützung zu bitten. Aktuell wird Geld für Expansionspläne gesammelt. Auf1 will künftig nicht nur im Internet, sondern auch im "echten Fernsehen" senden, um die "Medienrevolution" fortzuführen, wie Gründer und Chefredakteur Stefan Magnet sagt.

Rechtsextremes Umfeld

Magnet ist eine schillernde Persönlichkeit. In den Nullerjahren war er beim Bund freier Jugend (BfJ) in Oberösterreich aktiv, einer rechtsextremen Gruppierung, die "nationalsozialistische Ideen und Maßnahmen" mehr oder weniger offen verherrlichte, wie der Jurist Heinz Mayer in einem Gutachten schrieb. Fotos aus jenen Tagen zeigen Magnet im Umfeld bekannter Neonazis, Gottfried Küssel etwa. Im Jahr 2015 war er bei der Gründung der rechtsextremen Zeitschrift "Info-Direkt" beteiligt, für die er allenthalben Beiträge verfasst. Vor der Gründung von Auf1 im Jahr 2021 publizierte er im rechten "Wochenblick". Als das Blatt sein Erscheinen im Dezember 2022 aus wirtschaftlichen Gründen einstellte, übernahm Auf1 einen Teil der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen.

Während der "Wochenblick" stark auf Inserate und staatliche Förderungen setzte, um seinen Betrieb zu finanzieren, ging Auf1 einen anderen Weg. Der Sender finanziert sich durch freiwillige Kleinspenden und Verkäufe im Auf1-Onlineshop, führt Magnet in einem vor wenigen Wochen veröffentlichten Video aus.

Es war eine Reaktion auf eine Anfrage der deutschen Rechercheplattform "Correctiv", die Fragen bezüglich der Finanzen an Auf1 stellte. In seinem Video erzählt Senderchef Magnet, dass Mitarbeitende zumindest eine Aufwandsentschädigung für ihre Arbeit bekommen würden. Branchenübliche Gehälter gebe es nicht, es gehe um die Sache. Aktuell zähle das Team mindestens zwölf Personen.

"Von Parteien bekommen wir keine Spenden. Wir bekommen auch keinerlei Geldzuwendungen oder andere Unterstützung aus Russland", sagt Magnet zum STANDARD. Auch werde Auf1 nicht von der FPÖ oder der AfD finanziert. "Diese ständigen Behauptungen möchte ich schon entschieden zurückweisen."

Stattliche staatliche Unterstützung

Senderchef Magnet war schon in der jüngeren Vergangenheit unternehmerisch tätig. Seine Werbeagentur erhielt Aufträge von der FPÖ und der ÖVP. Zur FPÖ bestehen weiterhin Kontakte, im Juli 2022 war er als Referent bei der "Medien-Akademie" des Freiheitlichen Bildungsinstituts. Seine Werbeagentur ermöglichte Magnet, "Equipment und Personal bei Auf1 vorab zu finanzieren", wie er sagt. Mittlerweile habe er die "gutgehende Agentur" jedoch für Auf1 aufgegeben.

In dem Video erwähnt Magnet aber nicht, dass seine Werbeagentur, die "MS Medienlogistik Werbe GmbH", in den Jahren 2021 und 2022 staatliche Corona-Hilfen in der Höhe von 114.315,92 Euro bekommen hat. Dazu hat Magnet als Einzelunternehmer weitere 17.629,51 Euro im Jahr 2021 bekommen. Insgesamt betrug die staatliche Unterstützung für seine Unternehmen also mehr als 130.000 Euro, wie aus der Covid-19-Wirtschaftshilfen-Transparenzdatenbank hervorgeht.

Personenbezogene Veröffentlichung von Covid-19.Wirtschaftshilfen
Personenbezogene Veröffentlichung von Covid-19-Wirtschaftshilfen, MS Medienlogistik.
Foto: Screenshot

Dass Auf1 auf Spenden setzt, klingt schlüssig. Das Publikum ist groß und die Unterstützung für viele Zuseher und Zuseherinnen eine Herzensangelegenheit, schließlich ist es "ihr Sender". Zusätzlich besteht auch die Möglichkeit, anonym zu spenden, Kryptowährungen sind willkommen. Das ist ungewöhnlich, selbst für rechtsextreme Medien.

Derzeit arbeiten Magnet und sein Team daran, aus dem Onlinesender einen echten TV-Sender zu machen. Das soll zusätzliche Einnahmen bringen. "Ab Herbst, mit dem TV-Start, wird eine Partnerfirma von uns TV-Werbefenster vermarkten, und dadurch erhoffen wir uns gewisse finanzielle Einnahmen", sagt Magnet.

Wirtschaftliches Geflecht

Auf1-Chef Magnet hat für den Sender auch ein beachtliches wirtschaftliches Geflecht aufgebaut. Neben dem zentralen "Verein für basisgetragene, selbstbestimmte, pluralistische und unabhängige Medienvielfalt" gibt es noch den "Unterstützerverein AUF" und die "Media in res Medien GmbH", die "technische Unterstützungsarbeiten" durchführt und den Onlineshop betreibt. Die Bilanzsumme der GmbH für das Jahr 2021 betrug 895.673,53 Euro, inklusive Stammkapital von 35.000 Euro. Neuere Zahlen liegen nicht vor.

Auf1-Chef Magnet bei Demonstration in Wien
Stefan Magnet (Mitte, ohne Maske) bei einer Corona-Demonstration in Wien am 31. Jänner 2021.
Foto: Markus Sulzbacher

Ungewöhnlich ist auch die Adresse von Auf1. Als Firmenanschrift des "Vereins für basisgetragene, selbstbestimmte, pluralistische und unabhängige Medienvielfalt" dient eine noble Adresse im ersten Wiener Gemeindebezirk, die allerdings jeder nutzen kann, der sich dort ein virtuelles Office mietet. Die Adresse ist Teil des "Goldenen Quartiers" – eines Luxusimmobilienprojekts des Tiroler Immobilienmilliardärs René Benko. Die Redaktion arbeitet in Oberösterreich, wo genau, wird nicht verraten.

Die "Media in res Medien GmbH", die den Auf1-Onlineshop betreibt, hat ihren Sitz im oberösterreichischen Zell an der Pram. Im Shop verkauft der Sender Mittel gegen Ängste, die er selbst schürt. "Die Krise kommt. Jetzt vorsorgen" steht über dem Angebot: einem Notfallradio mit Kurbel für 59,90 Euro, einem Essensnotvorrat in Konservendosen für 119,90 Euro und einer Anleitung, wie der "perfekte Fluchtrucksack" im Falle eines Terroranschlags zu packen ist. Nach Ansicht von Auf1 kann die Polizei die Sicherheit der Bevölkerung nämlich "nur noch schwer gewährleisten". Dazu kommen noch rechtsextreme Zeitschriften, Bücher mit Titeln wie "Krebs heilen mit indianischen Kräutern", rassistische "White Lives Matter"-T-Shirts, Auf1-Aufkleber oder Räucherstäbchen.

Auf1 Onlineshop
Auf1 Shop
Im Auf1-Shop wird Sand verkauft.
Foto: Screenshot/Auf1

Ein Angebot sticht besonders hervor. Auf1 verkauft auch Sand. Dieser sei ein "idealer Stoff zum Befüllen von Räuchergefäßen jeden Materials und jeder Größe", wirbt der Sender. Ein 130 Gramm schweres Plastiksäckchen kostet 1,90 Euro, dazu kommen noch Versandgebühren. Ein stolzer Preis, andere Anbieter im Netz verkaufen Sandsäckchen um 75 Cent. Überhaupt fällt auf, dass viele Produkte andernorts billiger zu bekommen sind. Das Notfallradio kostet bei Amazon lediglich 22 Euro.

Kornblumenschmuck und "Verschwörerschrott"

Offline werden bei Demonstrationen Aufkleber, Fahnen und andere Ausrüstung für Demos gegen Spenden verkauft. Dafür ist der blaue Auf1-Kastenwagen in Österreich und Deutschland regelmäßig unterwegs.

Auf1 Wagen Demonstration Wien
Der Auf1-Kastenwagen ist bei Demonstrationen eine Anlaufstelle, um sich mit Auf1-Merchandising einzudecken.
Foto: Markus Sulzbacher

Dass sich der Verkauf solcher Produkte lohnt, zeigte sich im Jahr 2021 bei Michael Wendler. Nachdem der Schlagersänger im verschwörungsgläubigen Milieu gelandet war, verkaufte er über seine Social-Media-Kanäle "Verschwörer-Schrott wie Kurbelradio und Elektroschocker", wie die "Bild"-Zeitung schrieb. Das brachte Wender laut der deutschen Boulevardzeitung mehr als 35.000 Euro an Provision beim einschlägigen Kopp-Verlag ein.

Auf1 hat aber auch Schmuck im Angebot. Und zwar eine Armkette und eine Halskette mit Kornblumen. Die blaue Kornblume hatte auch der "Bund freier Jugend" in seinem Logo, jene rechtsextreme Gruppierung, der Magnet in jüngeren Jahren angehört hatte. Die Kornblume ist in Österreich seit Jahrzehnten ein politisches Symbol, sie diente den Nationalsozialisten der Ersten Republik als Erkennungszeichen, später war sie im Wappen einer SS-Division zu finden.

Geld von RTV

Eine Einnahmequelle ist Auf1 allerdings abhandengekommen – eine Kooperation mit einem privaten Rundfunkveranstalter. Der Regionalsender RTV (Regionalfernsehen Oberösterreich) zahlte bis vor wenigen Monaten dafür, auch Auf1-Inhalte ausstrahlen zu können, wie aus Unterlagen der Medienbehörde Komm Austria hervorgeht. Nachdem die Medienbehörde ein Verfahren wegen Sendens ohne Zulassung gegen Auf1 eingeleitet hatte, nahm RTV das Auf1-Programm wieder aus seinem Angebot und versucht seither, mit rechten Studiogästen wie dem Identitären Sellner, sein Publikum zu bespielen. Auch sonst gibt es Themen im Programm, die auch bei Auf1 zu finden sein könnten. RTV wird mit staatlicher Förderung bedacht.

Identitäre und Spenden

Sellner gilt als jener Rechtsextremist, der in den vergangenen Jahren das Lukrieren von Spenden perfektioniert hat. Er tritt im Netz als Influencer auf, der verschiedene Plattformen mit Propaganda bespielt. Das kommt an, bei öffentlichen Auftritten bitten ihn nicht nur Teenager um ein gemeinsames Selfie. Bekanntheit ist sein Kapital.

Antifa stören Identitäre mit Transparenten
Eine Antifaschistin und ein Antifaschist stören eine Show von Martin Sellner.
Foto: Markus Sulzbacher

Es gibt kaum ein Posting auf Telegram ohne einen Hinweis, wie er finanziell unterstützt werden kann. Für treue Anhänger und Anhängerinnen hat Sellner einen eigenen Klub gegründet: Wer ihm regelmäßig mindestens fünf Euro monatlich überweist, bekommt im Gegenzug exklusive Inhalte von ihm, wie schriftliche Gerichtsurteile oder Videos.

Sellner und seine Finanzierungsmodelle waren auch Thema bei einem Vortrag des Centers für Monitoring, Analyse und Strategie (CeMAS) bei der diesjährigen Republica-Konferenz Anfang Juni in Berlin. Demnach nahm Sellner zwischen März 2020 und Februar 2021 über die Streaming-Plattform Dlive.tv angeblich fast 11.500 Euro ein.

Geld hatte Sellner auch von jenem Rechtsterroristen erhalten, der 2019 im neuseeländischen Christchurch 51 Menschen ermordete. Der Mann spendete 1.500 Euro an Sellner. Nach dem Anschlag präsentierte der Attentäter ein krudes Manifest, dessen Titel "Der große Austausch" Bezug auf eine identitäre Verschwörungstheorie zu einem angeblichen "Bevölkerungsaustausch" nahm.

Bankunterlagen aus dem Jahr 2018 zeigen, dass Sellner damals in manchen Monaten mehr als 11.000 Euro an Spenden einnahm. Als er vor wenigen Wochen in Wien vor Gericht stand, gab er seinen aktuellen monatlichen Verdienst mit rund 1.700 Euro an.

Eingeschränkter Aktionsradius

Sellners Leben als rechtsextremer Influencer ist allerdings nicht immer einfach. Seit Jahren werden seine Social-Media-Accounts stillgelegt, weil sie gegen die Richtlinien gegen Hatespeech verstoßen. Nach der Sperre seines Youtube- und Twitter-Kanals 2020 waren wichtige Einnahmequellen weg, und sein Aktionsradius ist seither merklich eingeschränkt. Lediglich auf Telegram hat er noch eine beachtenswerte Gefolgschaft. Regelmäßig werden seine Accounts bei Banken oder Zahlungsdienstleistern gekündigt. Sie wollen ihn nicht als Kunden haben, nachdem sie von Behörden oder Antifaschisten und Antifaschistinnen darauf hingewiesen werden, wer ihr Kunde ist.

Die Identitären selbst treten mittlerweile unter verschiedenen Namen auf. Etwa als "Widerstand in Bewegung", "Eisenfaust" oder als "Die Österreicher". Auch bei Aktionen der Rechtsextremen spielen Spenden von Unterstützern und Unterstützerinnen eine wichtige Rolle. Sie laufen immer nach dem gleichen Schema ab: Bei der Aktion werden Fotos gemacht, die danach in sozialen Netzwerken veröffentlicht werden – mit der Aufforderung, Geld zu spenden.

Das wirkt wie ein Geschäftsmodell, als würden die Rechtsextremen Geld für ihre Aktion fordern. Das funktioniert. Der Mörder des CDU-Politikers Walter Lübcke überwies den österreichischen Identitären Geld, ebenso wie jener Mann, der angeblich einen Anschlag auf das Volksstimme-Fest in Wien plante.

Unterstützung bekommen die Identitären auch aus den Reihen der FPÖ. Im Jahr 2021 machte ein Whistleblower bekannt, dass die Grazer FPÖ den Identitären 1.000 Euro für ein Sommerfest gespendet hat. (Markus Sulzbacher, 21.7.2023)