Das Lavendelfeld in Breitenlee in Wien-Donaustadt ist einen halben Hektar groß.
Regine Hendrich

Eine Adresse gibt es nicht, aber Koordinaten. Die genaue Wegbeschreibung zum Lavendelfeld schickt Natalie Niedermayer per E-Mail. Es befindet sich am äußeren nordöstlichen Zipfel von Wien. Am Beginn des Marchfelds, aber noch innerhalb der Stadtgrenze. Der letzte Kilometer auf einem Feldweg ist ganz schön ruckelig. Drei Windräder tauchen in der Ferne auf. Am Fuße des mittleren erblickt man die lila Pracht. Rund einen halben Hektar ist das Lavendelfeld groß, durch die Farbe und den intensiven Duft hebt es sich von den Feldern ringsum ab. Und noch etwas ist eindrücklich: die vielen Bienen, die hier summen.

Vor fünf Jahren hat Niedermayer eine Dokumentation über Lavendelfelder in Südfrankreich gesehen, sie war von der Pflanze schon immer angetan und dachte sich: Warum es nicht auch in Österreich probieren? Ihre Eltern haben einen großen Ackerbaubetrieb in Wien-Breitenlee, die Fläche für das Lavendelfeld war schnell gefunden. Wichtig war der heute 32-Jährigen, biologisch zu arbeiten. Sie recherchierte, besuchte Lavendelbauern und setzte schließlich die ersten Pflanzen – 13.000 Lavendeljungpflanzen, die in einer Wiener Gärtnerei gezogen wurden.

Öl, Wasser und Sträuße

Seither lernt sie von Jahr zu Jahr dazu und kennt ihre Lavendelsträucher immer besser. Der nährstoffhaltige Boden des Marchfelds und der sonnige Standort der Ackerfläche kommen dem Lavendel entgegen. Niedermayer, die im Brotberuf als Sozialpädagogin arbeitet, ist mit dem Ertrag zufrieden. Sie stellt verschiedene Produkte her. Getrocknete Lavendelblüten, Lavendelöl und Lavendelwasser kann man über ihre Webseite (nani-wien.at) und in einigen Hofläden kaufen. Auch Lavendelsträuße bietet sie an – immer wieder auch auf diversen Märkten.

Geerntet wird der Lavendel in Handarbeit mit Sichel innerhalb weniger Stunden. Genug Leute müssen Zeit haben, das Wetter sonnig sein, dann kann es losgehen. Zwei große Traktoranhänger sind am Ende des Tages voll, die Ernte wird zunächst getrocknet und anschließend nach Oberösterreich gebracht, wo in einer Destillerie das Öl und das Wasser hergestellt und in die vorbereiteten Fläschchen abgefüllt werden.

Natalie Niedermayer (32) ist ein Lavendelweib der heutigen Zeit.
Regine Hendrich

Lavendelkäse, Lavendeleis, Lavendelessig, Kekse und Spritzwein mit Lavendelgeschmack – in den letzten Jahren hat sich die Pflanze mit den lila Blüten regelrecht zum Lifestyle-Produkt entwickelt. Sie darf auch in keinem getrockneten Blumenstrauß fehlen und wird gerne zu Dekozwecken verwendet. Was hat es damit auf sich? Warum holt man sich ein Stück Südfrankreich in die eigenen vier Wände?

Hier schon das erste Missverständnis: Eigentlich ist Bulgarien das Land mit dem meisten Lavendelanbau, auch wenn man sofort Bilder aus der Provence im Kopf hat. In mediterranen Gebieten kommt Lavendel natürlich vor, aber auch im zentraleuropäischen Raum wurde er bereits vor hunderten Jahren das erste Mal angebaut.

Aus den Lavendelblüten wird Wasser und Öl hergestellt.
Regine Hendrich

In Österreich hatte die Pflanze ebenso durchaus Tradition. In Wien kannte man bis vor rund sechzig Jahren die sogenannten Lavendelweiber. Sie kamen vom Land in die Stadt und verkauften auf der Straße, auf Märkten oder beim Heurigen Lavendelsträußchen, die sie in Körben und Butten trugen. Dazu sangen sie: "An Lavendel hob i do, kaufts mar an o!"

Dass sich Bauern heute wieder vermehrt dazu entscheiden, Lavendel zu setzen, hat mit der positiven Wirkung der Pflanze zu tun. Sie wurde zur Arzneipflanze des Jahres 2020 ernannt. Lavendel wirke in erster Linie beruhigend, erklärt Kräuterexpertin Petra Regner-Haindl dem STANDARD. Lavendelöl werde bei Stress angewandt und diene als Einschlafhilfe. Auch auf der Haut wirke es beruhigend. Wenn man einen Gelsendippel habe, könne man ihn mit Lavendelöl einreiben. Insofern ergebe es durchaus Sinn, Lavendel in der Kosmetik einzusetzen. Bei Lavendel im Spritzer muss Regner-Haindl aber schmunzeln. Hier werde oft mit Lebensmittelfarbe nachgeholfen, um den satten lila Farbton zu erhalten.

Bienen stehen auf Lavendel. Direkt neben Niedermayers Feld hat ihre Schwester Bienenstöcke.
Regine Hendrich

Boom hin oder her, Natalie Niedermayer ist nicht die Einzige, die den lila Strauch anbaut. Auch beim Biohof Wiener Provinz setzt man auf Lavendel und verkauft ihn auf Wiener Märkten. Die Firma Dr. Felix wirbt Bauern von Niederösterreich bis ins Burgenland an, die für sie Lavendel auf ihren Feldern anbauen. Am Lavendelöl sind die Bauern umsatzbeteiligt. Laut Homepage werden weitere Interessenten gesucht. Im steirischen Kitzeck betreibt der Biohof Wunsum eine Lavendelmanufaktur. Jährlich zur Blütezeit findet ein Lavendelfest statt.

Im Weinviertel hat sich Landwirt Peter Dienstl dem Lavendel verschrieben. In Oberkreuzstetten im Bezirk Mistelbach verkauft er allerlei Produkte, neben Lavendelöl und Lavendelwasser zum Beispiel Seifen, Sirup und Honig. Auch an Aktivitäten kann man teilnehmen und sich seinen Lavendel beispielsweise selber ernten. Angeboten werden während der Blütezeit Lavendel-Fotoshootings mit Fotografin.

Hunde im Sonnenuntergang

Über das Interesse der Fotografen an ihrem Feld war Natalie Niedermayer erstaunt. Schon in den ersten Jahren wurde auch sie kontaktiert und gefragt, ob Shootings auf ihrem Feld in Breitenlee möglich seien. Ihr Acker wurde zum Geheimtipp unter Foto-Influencerinnen und die Idee, Fotoshootings anzubieten, ein Selbstläufer. Mittlerweile vergibt Niedermayer Termin-Slots, die man über ihre Webseite buchen kann. Vor allem in den frühen Morgenstunden und abends kurz vor Sonnenuntergang sind Termine sehr begehrt. Die Möglichkeit, Shootings durchzuführen, ist auf drei Wochen im Jahr begrenzt, weil Anfang Juli schon geerntet wird.

Auf Instagram werden die Bilder häufig geteilt. Von Babybauchbildern bis Pärchenshootings ist alles dabei. In dieser Saison boomen Hundefotos im Lavendelfeld. Sachen gibt’s! Die lila Blüte macht sich auch als Aufhübschung neben einem Vierbeiner gut. (Rosa Winkler-Hermaden, 11.7.2023)