Wie lassen sich die ehrgeizigen Ziele zur CO2-Reduktion schnell umsetzen? In der Republik Irland sind Kühe ins Visier der Klimaschützer geraten: Um die gewaltigen Methanausstöße des mächtigen Milchwirtschaftssektors zu verringern, soll einem Papier des Agrarministeriums zufolge die Anzahl der Tiere um mindestens rund 200.000 sinken. Die vorgeschlagenen Keulungen sorgen auf der Grünen Insel für Aufregung, die Agrarlobby läuft Sturm gegen den Plan der konservativ-grünen Koalition unter Premier Leo Varadkar.

Den bindenden Zielen der Regierung zufolge soll die Landwirtschaft in Irland ihre Emissionen bis 2030 um ein Viertel senken. Das Optionenpapier des zuständigen Ministeriums schlägt deshalb eine Verkleinerung des Rinderbestandes im Land von geschätzt zwei Millionen Tieren um zehn Prozent vor. In den kommenden drei Jahren würden jährlich 65.000 Kühe gekeult; die Kompensation pro Tier solle rund 3.000 Euro betragen.

Kuh
Kühe tragen keinen unwesentlichen Teil zum Klimawandel bei, deswegen ist das Schicksal von hunderttausenden Tieren in Irland ungewiss.
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Milliardenschwere Exporte

Tierzüchter und Lebensmittelproduzenten leisten einen erheblichen Beitrag zur irischen Volkswirtschaft. Im vergangenen Jahr exportierten sie Waren im Wert von 16,7 Milliarden Euro, 22 Prozent mehr als 2021. Allein 40 Prozent der Gesamtexporte entfielen auf Milchprodukte. Die Republik beliefert vor allem den großen Nachbarn Großbritannien mit Käse, Joghurt und frischer Milch. Seit die EU 2015 ihre Quoten aufhob, verzeichnet der Sektor stetiges Wachstum. Von "exzellenten Resultaten" schwärmte Landwirtschaftsminister Charlie McConalogue im Januar.

Freilich befindet sich das Ministerium schon seit längerem im Streit mit den Bauern, weil die Regierenden in Dublin auf die Einhaltung strengerer Umwelt- und Klimarichtlinien pochen. Dabei geht es insbesondere um die drastische Reduzierung von Stickstoff- und Nitratemissionen sowie die Verwendung von Phosphaten. Der regierungsamtlichen Umweltschutzbehörde EPA zufolge sind die entsprechenden Werte in rund der Hälfte aller irischen Flüsse und Seen zu hoch. Im Kalenderjahr 2021 lag der Anteil der Landwirtschaft an Irlands Treibhausgasemissionen bei 37,5 Prozent, deutlich vor Verkehr (17,7) und Stromerzeugung (16,7). Den Hauptteil der Agraremissionen wiederum produzierten Rinder und Schafe während der Verdauung.

Empörte Landwirte

Deshalb aber hunderttausende Rinder schlachten? Diese Idee treibt viele auf die Barrikaden in einem Land, das in vielen Regionen noch sehr ländlich geprägt ist und über einen großen Agrarsektor verfügt. Die mächtige Bauerngewerkschaft IFA reagierte empört: Der Plan bestätige das Gefühl vieler Menschen, wonach die Regierung "unsere Branche unterminiert". Fleisch- und Milchproduktion würden lediglich in andere Länder abwandern. Pat McCormack vom Lobbyverband ICMSA, einem Zusammenschluss von Milchkuhbauern, verweist auf die Klimastrategie seiner Branche und mahnt ähnliche Pläne für den Verkehrs- und insbesondere den Luftfahrtsektor an. Sollte der Schlachtplan umgesetzt werden, müsse auf jeden Fall die Freiwilligkeit gewährleistet sein, sagte der ICMSA-Präsident dem Sender RTE.

Nachdem die Zeitung "Independent" über den Plan berichtet hatte, kritisierten im Juni mehrere unabhängige Mitglieder des Parlaments Dáil die Regierung mit scharfen Worten: Es gebe da "einen Geheimplan zum Massaker an unseren kostbaren Kühen", behauptete Matthew McGrath. Es handele sich um "einen monströsen Anschlag auf das ländliche Irland". Allerdings ist das Thema schon seit längerem immer wieder einmal in der Öffentlichkeit diskutiert worden. Und schließlich seien ja, wie Agrarstaatssekretär Martin Heydon beteuerte, großzügige Entschädigungen vorgesehen.

Protest gegen Flüssiggasterminal

In Irland gibt es andererseits auch viele Menschen, aus deren Sicht die Klimaschutzmaßnahmen der Regierung viel zu langsam vom Fleck kommen. Einer jüngsten Umfrage zufolge teilen 38 Prozent der Iren diese Meinung. Am Freitag unterbrachen Ökoaktivisten mehrfach eine Rede des grünen Umweltministers Eamon Ryan, um gegen den Bau eines Flüssiggasterminals zu protestieren. Die Regierung wolle ihre Bürger nicht durch "Schuldzuweisungen oder Furcht" zum Nachdenken über den Klimawandel zwingen, sagte der Minister, gab aber auch zu bedenken, dass bisherige Maßnahmen "nicht der Realität der Krise entsprechen".

Laut der jüngsten EPA-Statistik liegt die Grüne Insel auf Kurs für eine Reduzierung von Treibhausgasemissionen um 29 Prozent – deutlich niedriger, als es die gesetzlichen Verpflichtungen vorsehen. Neuerungen seien nun einmal schwierig, weiß die Energiewissenschafterin Hannah Daly vom University College im westirischen Cork. "Etablierte Interessengruppen, bestehende Infrastruktur und Trägheit in Verwaltungen spielen genauso eine Rolle wie die Gewohnheiten der Menschen." (Sebastian Borger aus London, 12.7.2023)