Elefant, Tiergarten Schönbrunn
Im Tiergarten Schönbrunn werden keine Tiernamen an Individuen mehr vergeben - zumindest in der Kommunikation nach außen hin.
APA/ROLAND SCHLAGER

Der Tiergarten Schönbrunn vollzieht unter dem Direktor Stephan Hering-Hagenbeck offenbar eine Strategieumkehr: Wie die "Tiroler Tageszeitung" berichtet, werden den Tieren für die Öffentlichkeit keine Namen mehr gegeben. "Für den deutschsprachigen Raum gehen wir hier bewusst einen neuen Weg", sagte der Direktor. Der Zoo übernehme damit "eine Vorreiterrolle". Stattdessen soll der Schutz ganzer Populationen in den Mittelpunkt rücken.

Für den gebürtigen Deutschen hat sich in den vergangenen Jahrzehnten die Außenwirkung der Arbeit in zoologischen Gärten stark verändert: "Lange Zeit stand die Zurschaustellung eines einzelnen Individuums im Vordergrund. Es war eine Sensation, wenn eine Direktorin oder ein Direktor ein Jungtier auf dem Arm hatte. Damit ging natürlich auch eine Vermenschlichung des Wildtiers einher", so der Direktor. Aus der Sicht des Zoologen müsse beim Artenschutz aber "der Erhalt einer Population im Vordergrund stehen – und nicht das einzelne Individuum".

Schwarzschwanz-Präriehunde, Tiergarten Schönbrunn
Bei den Schwarzschwanz-Präriehunden gab es im Tiergarten Schönbrunn zuletzt sechsfachen Nachwuchs.
APA/DANIEL ZUPANC

System für Patenschaften wurde umgestellt

Die Namensgebung für die Tiere war auch wichtig im Zusammenhang mit Patenschaften für den Tiergarten Schönbrunn. Wiens Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) ist etwa Pate des Eisbär-Mädchens Finja. Startenor Jonas Kaufmann sang als Pate für das Gibbon-Pärchen Rao und Sipura. "Wir haben bereits unser Patenschaftssystem umgestellt, auch hier liegt der Fokus auf der Tierart/Tiergruppe, nicht mehr auf dem Individuum."

Hering-Hagenbeck beschrieb auch den Wandel zoologischer Gärten: "Am Anfang stand die Zurschaustellung einer für die meisten Besucher unbekannten Tierart. Seit den 1970er-Jahren gab der zoologische Garten mit einer zunehmenden Zahl an Zuchterfolgen außerhalb des natürlichen Lebensraumes einen Rahmen für die Bildung von ersten Reservepopulationen. Jetzt beschäftigen wir uns bei der wissenschaftlichen Arbeit im zoologischen Garten mit dem Artenschutz, durch den konzentrierten Ausbau von stabilen Reservepopulationen außerhalb ihres natürlichen Lebensraums."

Orang-Utan-Nachwuchs ist weiblich

Erst am Dienstag teilte der Zoo Schönbrunn mit, dass das vor rund einem Monat im Tiergarten zur Welt gekommene Orang-Utan-Baby ein Weibchen ist. Hier wurde in der Kommunikation nach außen hin bereits von einer Namensnennung abgesehen. Es hänge derzeit meist am Bauch seiner Mutter, trinkt an der Brust und schläft danach ein. Als "Mädchen" könne "die Kleine lange bei uns im Tiergarten bleiben. Auch in der Wildbahn lebt weiblicher Nachwuchs selbst nach der Entwöhnung meist in der Nachbarschaft der Mutter", sagte Revierleiterin Sandra Keiblinger. Männliche Orang-Utans hingegen ziehen weiter weg, um sich im besten Fall ihr eigenes Revier zu suchen. Sie würden daher im Rahmen des Europäischen Erhaltungszuchtprogramms an andere zoologische Gärten vermittelt werden.

Intern werden in Schönbrunn aber weiterhin Tiernamen vergeben. So heißt das Orang-Utan-Baby "Nilah", wie auf der offiziellen Facebook-Seite des Tiergartens Schönbrunn (Zoo Vienna Schönbrunn) auf Nachfrage eines Users bekanntgegeben wird. Der Name bedeute "aus dem Indonesischen übersetzt so viel wie Erfolg: Und das passt super, weil die Nachzucht ja ein toller Erfolg für die Art der Orang-Utans ist". Gleichzeitig wird begründet, warum der Name in der offiziellen Aussendung "bewusst nicht direkt dazugeschrieben" wurde. "Viele Tiere im Tiergarten haben Namen. Das ist für die tägliche Arbeit unserer Tierpflegerinnen und Tierpfleger entscheidend, aber auch ein Zeichen der Verbundenheit mit unseren Tieren, die uns enorm wichtig sind. In der Kommunikation nach außen möchte sich der Tiergarten Schönbrunn allerdings nun verstärkt auf seine Hauptaufgabe konzentrieren: den Artenschutz."

Ohne Namensnennung werde der Schwerpunkt in der Kommunikation auf die Arten gelegt und ein Bewusstsein für ihren dringenden Schutz geweckt, "bevor einige davon vielleicht für immer von unserer Erde verschwinden".

Das Orang-Utan-Weibchen mit ihrer Mutter im Zoo Schönbrunn
Das Orang-Utan-Baby ist vor rund einem Monat zur Welt gekommen und hängt derzeit laut dem Tiergarten meist am Bauch seiner Mutter. In der Kommunikation nach außen wird von einer Namensnennung abgesehen. Intern wird das Baby von Pflegerinnen und Pflegern aber "Nilah" genannt.
APA/DANIEL ZUPANC

Das Jungtier habe sich laut dem Tiergarten dank der Fürsorge der Mutter prächtig entwickelt. Orang-Utan-Weibchen versorgen ihren Nachwuchs selbstständig und ohne männliche Verstärkung. Dabei formen sie eine enge Bindung mit dem Jungtier und bringen ihm über Jahre hinweg alle lebensnotwendigen Fertigkeiten wie Klettern, Nahrungssuche und Sozialverhalten bei. Wenn der Neuzugang etwas größer ist, wartet bereits der letztjährige Nachwuchs als Spielgefährtin.

"Unser junges Orang-Weibchen ist genetisch ein wichtiger Beitrag zum Europäischen Erhaltungszuchtprogramm. So können wir etwas zum Aufbau einer Reservepopulation außerhalb des Lebensraumes beisteuern. Mit unseren zugezogenen Weibchen und dem weiblichen Nachwuchs haben wir einen wichtigen Grundstein für eine erfolgreiche Zuchtgruppe gelegt", sagte der zoologische Abteilungsleiter Folko Balfanz. Der Tiergarten unterstützt auch die Schutzbemühungen des Hutan-Projekts in der Region Kinabatangan auf der Insel Borneo. Dort werden Korridore zwischen intakten Waldgebieten aufgeforstet, um Wildtieren Wanderungen zu ermöglichen. Die Bemühungen kommen auch Nasenaffen, Müller-Gibbons, Borneo-Zwergelefanten, Sunda-Nebelpardern sowie Malaienbären zugute. (APA, krud, 12.7.2023)