Eine Gruppe Erwachsener stemmt Gewichte im Fitnessstudio
Muskeln formen den Körper von innen und kurbeln den Stoffwechsel an – allein deshalb sollte man auf Krafttraining setzen.
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Bei Temperaturen über 30 Grad zählt Sport nicht gerade zur Lieblingsbeschäftigung. Es sei denn, man sportelt im Fitnessstudio. Ein Ort, an dem es sich gerade, dank Klimaanlage, recht gut aushalten lässt. Wer dann die Geräte und Hanteln dafür nutzt, seine Muskeln zu stärken, tut nicht nur etwas für seine Figur. Denn anders als viele glauben, dient Krafttraining nicht nur optischen Zwecken. "Es erhöht natürlich die muskuläre Leistungsfähigkeit, aber es verbessert auch die Knochendichte und hilft gegen Gelenksverschleiß", erklärt Robert Csapo, Professor für Trainingswissenschaften an der Uni Wien. "Außerdem sind Muskeln stoffwechselmäßig sehr aktive Organe, deshalb wirkt sich regelmäßiges Krafttraining auch positiv auf das Gewicht aus."

Starke Muskeln sorgen aber nicht nur in jungen Jahren für einen fitten Körper. Vor allem im Alter profitieren die, die bereits zuvor regelmäßig ihre Muskeln trainierten. "Der größte Feind des Älterwerdens ist die neuromuskuläre Alterung. Die Fähigkeit des Nervensystems, die Muskulatur anzusteuern und kraftvoll zu nutzen, nimmt nämlich immer weiter ab. Progressives Krafttraining, also ein Workout, bei dem das Trainingsgewicht mit der Zeit immer weiter gesteigert wird, kann diesen Prozess verzögern", sagt Fitnesstrainer Lion Hennig aus Wien. "Und im besten Fall ermöglicht es einem, bis ins hohe Alter alle Bewegungen auszuführen, die man möchte."

Wie sieht das perfekte Training aus?

Vor allem Anfänger sollten zu Beginn am besten Trainingsgeräte benutzen. "Da die Geräte die Bewegungen führen, ist es einfacher, sie korrekt auszuüben, als wenn man nur mit Gewichten oder dem eigenen Körpergewicht arbeitet", sagt Csapo. Mit einem Trainer oder eine Trainerin klappt es noch besser. Sie können Anfängern die genaue Ausführung der Übungen zeigen. Das ist wichtig, um sich nicht zu verletzen.

Sieben bis acht Übungen reichen bereits aus, wenn dabei alle großen Muskelgruppen des Körpers beansprucht werden. Fitnesstrainer Hennig erklärt: "Übungen wie Kniebeugen, Kreuzheben, Klimmzüge oder Liegestütze, bei denen mehrere Gelenke bewegt werden, trainieren große Muskelgruppen in einer Bewegung. Dadurch hat man einen möglichst großen Effekt in weniger Zeit." Wichtig ist, dass man die Übungen immer wieder variiert. Der Trainingseffekt ist dadurch größer, und es bleibt außerdem spannend. 

Und Wiederholung ist wichtig. "Die sieben oder acht Übungen sollten in zwei bis drei Sätzen wiederholt werden. Das Gewicht erhöht man dabei mit fortschreitender Trainingserfahrung sukzessive", rät Csapo. Beginner starten mit dem Training der Kraftausdauer, mit weniger Gewicht und mehr Wiederholungen: "15 bis 20 Wiederholungen sind ideal. Später steigert man dann das Gewicht und reduziert die Wiederholungen auf acht bis zwölf." Das Gewicht sollte dann so gewählt werden, dass spätestens nach der zwölften Wiederholung keine weiteren mehr möglich sind, also die Muskeln maximal aktiviert wurden. Mehrere Studien zeigen, dass so der Muskelaufbau am effektivsten ist. 

Hilft Krafttraining, den Stoffwechsel anzukurbeln?

Etwa ab dem Alter von 40 Jahren verlangsamt sich der Stoffwechsel. Doch wie kann man da gegensteuern? Trainingswissenschafter Csapo erklärt: "Ja, verschiedene Stoffwechselprozesse werden mit fortschreitendem Alter langsamer. Aber vor kurzem ist eine Studie im Fachmagazin Science erschienen, die doch recht überraschend gezeigt hat, dass sowohl der absolute Energieumsatz als auch der energetische Grundumsatz über lange Phasen des Erwachsenenlebens weitgehend konstant bleiben."

Laut der Studie nehmen diese Größen erst ungefähr ab dem 60. Lebensjahr ab. "Verantwortlich dafür sind verschiedene Faktoren wie hormonelle Veränderungen, Verlust an Muskelmasse und verringerte körperliche Aktivität. Lifestyle-Maßnahmen wie körperliche Aktivität, Krafttraining, ausgewogene und nicht übermäßige Ernährung und ausreichend Schlaf können helfen, diesen Veränderungen entgegenzuwirken", weiß der Experte.

Bleibt die Frage, wie viel Training es sein muss – oder sein darf. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfiehlt 150 Minuten moderate oder 75 Minuten intensive körperliche Aktivität pro Woche. "Da wird nicht spezifiziert, auf wie viele Einheiten diese Trainingszeiten aufgeteilt werden sollten. Es ist aber sicher ratsam, an möglichst allen Tagen der Woche ein wenig Bewegung einzuplanen", empfiehlt Csapo. Das muss nicht zwangsläufig eine explizite Trainingseinheit sein. "Auch mit dem Fahrrad zur Arbeit zu fahren oder im Garten zu arbeiten zählt als moderate Aktivität." Und neben dem Ausdauersport sollte man an zumindest zwei nicht aufeinanderfolgenden Tagen eine Krafteinheit einschieben.

Keine Angst vor dem Cornetto

Apropos Krafttraining: Gerade Frauen scheuen davor oft zurück, sie befürchten, dadurch zu viele Muskeln aufzubauen. Diese Gefahr besteht aber nicht – und auch die Männer werden nicht sofort zum "Cornetto". Csapo weiß: "Bei zwei Trainingseinheiten pro Woche wird niemand zum Cornetto – als Mann wünschte ich, es wäre so einfach." Tatsächlich ist es so, dass Frauen ein geringeres Potential besitzen, Muskelmasse zuzulegen, als Männer. "Wenn man ästhetische Gesichtspunkte berücksichtigen möchte, werden zwei bis drei moderate Krafttrainingseinheiten pro Woche bei Frauen also eher dazu führen, dass der Körper schön gestrafft aussieht, als dass sie gleich zur nächsten Miss Universe würden."

Und auch Fitnesstrainer Hennig kann jeder und jedem die Angst nehmen, versehentlich zum Muskelpaket zu werden: "Nach etwa sechs bis acht Wochen sieht man bei großer Disziplin die ersten kleinen Veränderungen am Körper. Und die kann man nur dann weiter ausbauen, wenn man mit einem strukturierten Trainingsplan am Ball bleibt." Dabei sei es gerade für Frauen wichtig, die Muskeln regelmäßig zu stärken. "Gerade für Frauen ist das Krafttraining nach der Menopause immer wichtiger. So kann man gegen schwindende Knochendichte anarbeiten."

Es muss nicht immer das Fitnesscenter sein

Und wenn man einfach nicht gern ins Fitnesscenter geht? Auch kein Problem. Man kann in der Natur einiges für seine Muskelpower tun. Fitnesstrainer Hennig empfiehlt: "Ein gutes Krafttraining gelingt auch mit dem eigenen Körpergewicht im Park oder auf der Wiese. Oder man besucht ein paar Fitnesskurse, wenn einem das mehr Spaß macht."

Wichtig ist, dass das Workout Spaß macht, sonst wird man früher oder später wieder damit aufhören. Darum empfiehlt Csapo, verschiedene Sportarten auszuprobieren: "Auch Trendsportarten wie Functional Fitness oder Crossfit verbessern die Muskelkraft deutlich. Immerhin wird dabei zusätzlich zum eigenen Körpergewicht mit Hanteln, Seilen, Reifen oder Bällen trainiert." Außerdem beinhalten Kampfsportarten leichtathletische Disziplinen oder Yoga-Übungen und Elemente, die kräftigend wirken.

Gegen den inneren Schweinehund

Jetzt heißt es nur noch, in die Gänge zu kommen. Gerade im Sommer, wenn man sich vor lauter Hitze am liebsten verkriechen würde, fällt es noch einmal schwerer, diszipliniert zu bleiben und seinem Trainingsprogramm zu folgen. Fitnesstrainer Lion Hennig setzt dabei auf das SMART-Prinzip. Das steht für Spezifisch, Messbar, Attraktiv, Realistisch und Terminiert. Das heißt für die praktische Umsetzung, man definiert die eigenen Ziele klar und bleibt realistisch, was die Machbarkeit und den Zeitaufwand anbelangt. Das könnte etwa so aussehen: In sechs Monaten werde ich sieben Kilogramm abgenommen haben und zehn Liegestütze schaffen. Und Henning empfiehlt: "Um den Plan offiziell zu machen, erzählt man auch seiner Familie und den Freunden davon." Die ersten 30 Tage sind dann entscheidend. "Wer dieses Etappenziel erreicht, wird erste Erfolge sehen, die motivieren meistens die allermeisten, auch weiter dranzubleiben."

Mit der Schwierigkeit, am Ball zu bleiben, beschäftigt sich auch die Sportwissenschaft. "Und das wird auch noch lange so bleiben", weiß Csapo. "Auf die Frage, welche Faktoren körperliche Aktivität begünstigen oder auch hemmen, gibt es noch keine pauschal gültige Antwort. Vor allem weil sie nicht für alle Menschen gleich ist. Persönlich empfehle ich, mit einem Trainingspartner oder eine Trainingspartnerin gemeinsam zu sporteln. Zu zweit oder in der Gruppe macht es meistens mehr Spaß, und man tut sich auch nicht so leicht, ausgemachte Trainingseinheiten ausfallen zu lassen.“ (Jasmin Altrock, 13.7.2023)