Alpaka auf der Weide.
Die Tiere interessieren sich vor allem zu Beginn der Stunde nicht sonderlich für die Yogis um sie herum. Ihre Anwesenheit macht die Yogaeinheit aber zu etwas Besonderem.
IMAGO/Daniel Scharinger

Zupf, zupf, rupf, rupf, und dann ein paar Kaugeräusche. Ich stehe auf meiner Gymnastikmatte auf einer Weide und versuche mich an die Anweisungen der Yogalehrerin zu halten. Die Augen schließen, tief ein- und ausatmen, die Füße stabil auf der Matte positionieren. Das Schmatzen dringt in meine Ohren. Mich auf die Atmung zu konzentrieren fällt mir heute nicht leicht. Kein Wunder, das Setting der Einheit ist ungewohnt: Um die Yogagruppe stehen Alpakas. Sie mampfen genüsslich das Gras von der Weide. Die nächste Stunde sind sie unsere Begleiter, während wir unsere Asanas machen.

Es ist die bislang heißeste Woche dieses Sommers. Meine letzte Yogaeinheit ist schon ein paar Monate her, kommt aber wie gerufen. Gerade an diesem Tag plagt mich ein Ziehen im unteren Rücken. Angemeldet hatte ich mich schon einige Wochen zuvor, als ich im Internet über die Ankündigung stolperte. Yoga mit Alpakas, ich hatte schon öfter davon gehört und wunderte mich stets, wie das zusammenpasst. 24 Euro muss man hinlegen. Aber die flauschigen Tiere wirken allerliebst. Und Sport will ich ja auch wieder mehr machen. Schwups, war ich angemeldet.

Dass die Yogastunde an einem Hitzetag stattfinden würde, war mir da noch nicht bewusst. Wenige Stunden vor Beginn überlege ich, wie mein Körper die Bewegungen bei Temperaturen um die 30 Grad vertragen wird. Wird es eher Schwitz-Yoga statt Entspannung?

Fonsi beschnuppert uns

Doch am Abend weht auf der Weide glücklicherweise ein Lüftchen, das die Hitze erträglich macht. Die Alpakas hören auf Namen wie Benni, Winchester, Peppa oder Ares. Insgesamt besteht die Herde in Riedenthal in Niederösterreich aus 18 Tieren. Unter die Alpakas mischt sich auch ein Lama mit dem Namen Alfonso. Es ist jenes Tier, das sich am Anfang schon neugierig der Gruppe zuwendet. Fonsi, wie er auch liebevoll genannt wird, beschnuppert die Teilnehmerinnen, während die Alpakas noch ins Fressen vertieft sind.

Bevor wir mit dem Yoga loslegen, informiert Biobauer Andreas Widhalm über die Tiere. Vor fünf Jahren hat der Imker und gelernte Tierpfleger mit der Zucht von Alpakas begonnen. Sie liefern wertvolle Wolle, aus der Hauben und Stirnbänder gefertigt werden. Außerdem bietet Widhalm geführte Wanderungen mit den Alpakas an. Auch Geburtstagspartys für Kinder finden auf der Farm statt – Spaziergang mit den Tieren inklusive.

Ursprung in Südamerika

In Österreich leben etwa 3.000 bis 4.000 Alpakas. Die Tiere stammen aus den südamerikanischen Anden. Am häufigsten kommen sie in Peru vor, dort leben etwa vier Millionen Tiere, was circa 80 Prozent des weltweiten Bestands ausmacht. Sie sind Pflanzenfresser. Weil die Fasern ihres Fells kein Fett enthalten, sind sie nahezu geruchlos. Alpakas sind eine Kamelart und Herdentiere, die sich in Gruppen am wohlsten fühlen.

Widhalm erklärt auch, dass man sich den Tieren nicht abrupt nähern sollte, schon gar nicht von hinten. Alpakas seien keine Kuscheltiere. Das merkt man auch, die Tiere sind zu Beginn distanziert. Sie akzeptieren die anwesenden Yogis, suchen den Kontakt aber nicht wirklich.

Lehrerin Renate Divoky führt durch die Einheit, schon seit ein paar Sommern bietet sie die spezielle Form des Yogas in Riedenthal an. Sie selbst schätzt die beruhigende Ausstrahlung der Tiere. In den Positionen, die sie anleitet, stellt sie Bezug zu den Elementen her, sie erwähnt Feuer, Erde, Luft. Schon oft habe ich im Yogastudio Lehrer erlebt, die darauf referenzieren. Heute auf der Weide ergibt das so richtig Sinn. Mich zu erden fällt mir leichter als sonst: Die Matte liegt direkt auf dem Gras auf, so nah war ich dem Erdboden beim Praktizieren noch nie. Beim Stichwort Feuer blicke ich in Richtung Sonne am klaren, wolkenfreien Himmel. Der Feuerball ist schon mehr rot als gelb, da sich der Sonnenuntergang nähert. Luft nehme ich in Form des sanften Windes wahr, der über die Weide weht.

Wir beugen uns, stehen im Baum, machen den Mondgruß, begeben uns in die Position des Kriegers. Ich finde Gefallen am Yoga im Freien, die Alpakas nehme ich anders als zu Beginn der Stunde nicht mehr als Fremdkörper wahr.

Tiere seilen sich ab

Die Tiere reagieren unterschiedlich auf die Yogagruppe. Vereinzelt seilen sie sich ab und kauen lieber in der Entfernung weiter. Andere gehen gemächlich zwischen den Matten auf und ab. Nähert sich ein Alpaka, ist Freude darüber unter den Teilnehmerinnen wahrzunehmen. Doch dann muss Trainerin Divoky einmal eingreifen und einen dunkelbraunen Hengst verscheuchen, der sich genau vor ihre Matte platziert. Er verstellt den Blick, und den Anweisungen der Lehrerin ist dadurch kaum mehr zu folgen. Liebevoll wird er zur Seite gebeten, es kann weitergehen.

Auch andere Tiere werden, gewollt oder nicht, Teil der Yogaeinheit: die kleinen Ziesel, die sich auf dem Areal wohlfühlen und hier unterirdisch hausen. Am Rande der Weide stehen die Bienenstöcke des Imkers. Und auf dem Feld nebenan huscht plötzlich ein Reh vorbei.

Kurz vor der Endentspannung sind uns die Alpakas plötzlich ganz nahe. Ich liege in der zweiten Reihe und kann es mir nicht verkneifen, das Handy zu zücken, um ein Foto zu machen. Man sieht die Matten vor lauter Tieren nicht. "Jetzt sind sie ein bisschen aufdringlich", entfährt es einer Teilnehmerin. Widhalm, der das Geschehen aus der Ferne beobachtet, kommt mit einem Kübel Trockenfutter und lockt die Alpakas auf die Seite.

Flauschig und kuschelig

Jetzt aber Shavasana. Ich liege auf meiner Matte, den Kopf auf einem Polster. Die Bewegungseinheit hat meinem Rücken gutgetan, das Ziehen ist weg. "So angenehm, wir könnten hier heute schlafen", sagt meine Schwester, die die Yogastunde gemeinsam mit mir besucht, als wir wieder zu uns kommen, uns langsam strecken und rekeln.

Ganz durch mit dem Programm sind wir noch nicht. Nach dem Yoga dürfen wir Fotos mit Alpaka Benni schießen. Er wird zu Therapiezwecken eingesetzt, Widhalm besucht etwa Altersheime mit dem beigen Tier. Benni ist die Nähe von Menschen mehr gewohnt als andere. Ich umarme seinen Hals und drücke meinen Kopf gegen sein flauschiges Fell.

Wir lümmeln noch ein wenig in der Hängematte und schauen der Sonne beim Untergehen zu. Obwohl ich schon öfter Yogastunden besucht habe, gebe ich zu: Normalerweise belächle ich die Community und ihr spirituelles Gehabe ein wenig. Auch der esoterische Ansatz spricht mich nicht an. Heute aber fühle ich mich nach der Stunde ausgeglichen. Entspannt und gleichzeitig beschwingt mache ich mich auf den Heimweg. Es muss an den Tieren liegen! (Rosa Winkler-Hermaden, 25.7.2023)