Wien – War der frühere Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) Teil eines Betrugs rund um Bauteile für ein Wohnprojekt, die nie geliefert wurden? Der Unternehmer bestreitet das vehement, sein Anwalt spricht von Lügen und Erfindungen. Anlass für die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Wien ist eine Sachverhaltsdarstellung eines ehemaligen Geschäftspartners Kerns, der Sveta Group von Avial Yosopov. 

Das Dokument liegt dem STANDARD vor: Yosopov und sein Anwalt Volkert Sackmann schildern darin die Vorwürfe, in denen sie schweren Betrug sehen. Es gehe um eine Million Euro Schaden. Im Herbst 2020 habe Kern Yosopov das "modulare Bausystem" seiner Firma vorgestellt, das den schnellen und günstigen Bau von Wohnhäusern garantieren solle. Yosopov sei von der Idee "begeistert" gewesen und habe mit Kerns Firma die Bebauung eines Grundstücks der Sveta Group in Wien-Donaustadt vereinbart.

Christian Kern vor einem dunklen Hintergrund
Der frühere Bundeskanzler Christian Kern sieht sich in der Sache selbst als Geschädigten.
apa / hans klaus techt

Den Vertrag schloss Yosopov aber nicht mit Kerns Firma in Wien ab, sondern mit einer slowakischen Firma. Das Geld wurde auf das Konto von Kerns Firma überwiesen, die als "Zahlungsstelle" aufgetreten sein soll. Kern habe aber Vertrauen in die slowakische Firma und ihre Geschäftsführer vermittelt, indem er auf der Option einer Beteiligung am Unternehmen bestanden habe. Im Laufe der Zeit seien bei der Sveta Group die Zweifel am Vertrag aber immer größer geworden – denn die Bauteilfirma lieferte nicht. Bis heute sei kein einziges Teil geliefert worden. Und Kern? Der habe sich aus dem Projekt verabschiedet, indem er auf seine Option auf eine Beteiligung verzichtet habe. All das spreche für einen "organisierten Betrug". 

Warten auf den Bericht der Polizei

Kern sieht sich selbst als Opfer und als Geschädigten. Sein Anwalt Paul Kessler hält jeden der in der Anzeige erhobenen Vorwürfe für erfunden und erlogen, mehr noch, für verleumderisch, wie er im Gespräch mit dem STANDARD sagt. Die Vorwürfe hätten keine Substanz, die Sachverhaltsdarstellung diene lediglich dazu, Druck aufzubauen, das sei ein Missbrauch der Strafjustiz für komplizierte zivilrechtliche Ansprüche, sagt der Anwalt. Letztendlich sei ein Investment schiefgegangen. Christian Kern sei nur aufgrund seines prominenten Namens in die Sache hineingezogen worden.

Kessler will jetzt Druck bei der ermittelnden Polizeibehörde machen, damit diese ihren Bericht rasch der Staatsanwaltschaft übermittle. Dort wolle man dann die Einstellung des Verfahrens beantragen. Die Angelegenheit ist bereits seit Februar bei den Behörden anhängig, Kern und eine zweite Person sind von der Polizei einvernommen worden und haben dort eine Reihe von Dokumenten und Verträgen vorgelegt, die die Haltlosigkeit der Anschuldigungen belegen sollen. (Sebastian Fellner, Michael Völker, 13.7.2023)