St. Pölten – Die niederösterreichische Landtagswahl im Jänner war nicht nur für die ÖVP ein Desaster, auch die SPÖ erfüllte nicht ihre Erwartungen. Mit rund 20 Prozent kamen die Sozialdemokraten auf ihr schlechtestes Ergebnis in Niederösterreich. Der dama­lige SPÖ-Landesvorsitzende Franz Schnabl machte als Konsequenz den Chefsessel rasch frei für ein neues Gesicht: für Sven Hergovich, damals Chef des AMS Niederösterreich.

Er galt als neuer Hoffnungsträger der Partei. Denn in Niederösterreich hatte die SPÖ seit jeher wegen der absoluten ÖVP-Mehrheit kaum Gestaltungsmöglichkeiten. Diesmal sah es für die SPÖ aber danach aus, als wäre es so weit. Die ÖVP verlor ihre Absolute und trat in Verhandlungen mit den Roten. Doch die Gespräche platzten – Hergovich hätte sich lieber "die Hand abgehackt", als von seinen fünf zentralen Forderungen abzusehen, darunter eine landesweite Jobgarantie für Arbeitslose.

SPÖ-Landeschef Sven Hergovich in der Parteizentrale in der Wiener Löwelstraße.
Sven Hergovich galt als neuer Hoffnungsträger der SPÖ Nieder­österreich. Nach den gescheiterten Verhandlungen ist der Spielraum für Gestaltung aber sehr klein. Nun versucht er, sich eine neue Rolle zu verpassen.
APA/HELMUT FOHRINGER

Wenig später folgte ein Regierungsprogramm von Schwarz-Blau ohne SPÖ. Die Sozialdemokratie ging in Niederösterreich erneut leer aus. Der junge Hoffnungsträger Hergovich sitzt seither in der Proporzregierung mit ÖVP und FPÖ als Zuschauer und nicht als Gestalter auf der Regierungsbank.

Der Versuch einer neuen Richtung

Zwar konnte Landesrätin Ulrike Königs­berger-Ludwig dank Proporzes zumindest ihr Gesundheitsressort halten. Bei SPÖ-Kernthemen wie Mobilität, Arbeit oder Kinderbetreuung fehlt den Sozialdemokraten aber jegliche Macht. Was für Hergovich übrig geblieben ist, sind die kommunale Verwaltung (nur für SPÖ-Gemeinden) und Baurecht. Keine Ressorts, mit denen die SPÖ ihre Forderungen umsetzen kann. Das weiß Hergovich auch. Deshalb will er jetzt eine neue Rolle einnehmen.

In Presseaussendungen ist nämlich nicht vom "Baurecht-Landesrat" oder "Gemeinde-Landesrat" Hergovich die Rede, seit wenigen Wochen nennt sich der 34-Jährige "Kontroll-Landesrat". Eine Funktion, die es formal in der Landesverfassung nicht gibt, mit der Hergovich aber Schwarz-Blau die Stirn bieten will. Die SPÖ positioniert sich offenbar als eine Kontrollinstanz innerhalb der Proporzregierung. "Ich glaube, ich kann den Niederösterreichern das meiste Geld ersparen, wenn ich der Landesregierung genau auf die Finger schaue", betont Hergovich im STANDARD-Gespräch.

Er wolle in den wöchentlichen Regierungssitzungen jeden Beschluss der schwarz-blauen Koalition genau unter die Lupe nehmen. Viel Geld geht laut Hergovich verloren, unter anderem "in unzähligen Landesgesellschaften" und wegen Maßnahmen wie des Corona-Fonds. Es ist ein Versuch, um abseits der ungeliebten Ressorts doch noch ins Rampenlicht der politischen Bühne in Niederösterreich zu treten. Hergovich sieht diese selbstgewählte Aufgabe gar "als Notwendigkeit". "Ich versuche, Licht in das intransparente System zu bringen", sagt Hergovich. Zudem kritisiert Hergovich die "Untätigkeit der Regierung" beim Thema Teuerung und fordert einen Miet- und Heizkostendeckel.

"Schwieriges" Verhältnis

Wie wirksam die neue Rolle von Hergovich ist, wird sich zeigen. Regierungsbeschlüsse erfolgen mit einfacher Mehrheit, die Schwarz-Blau sowohl in der Landesregierung als auch im Landtag hat, und gemeinsame Projekte mit der SPÖ sind derzeit nicht in Sicht. Das Verhältnis zwischen ÖVP und Hergovich hat sich außerdem seit den gemeinsamen ­Verhandlungen zunehmend verschlechtert. ­Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) ­bezeichnete das Verhältnis zum SPÖ-Chef erst kürzlich als "schwierig". Hergovich wiederum sieht das als Zeichen, dass seine neue Kon­trollfunktion zu Buche schlägt. "Natürlich ist man nicht beliebt, wenn man die Regierenden kontrolliert", erklärt Hergovich.

Das politische Erdbeben nach der Wahl hat die Regierungsparteien in Niederösterreich jedenfalls nachhaltig verändert. Nicht nur die SPÖ, auch die ÖVP versucht, sich eine neue Marschrichtung zu geben und "mehr Kante" zu zeigen. Und die FPÖ ist erstmals an den politischen Schalthebeln im Land und somit ebenso in einer neuen Rolle. (Max Stepan, 13.7.2023)